von Dr. Seyed Alireza Mousavi
Zum diesjährigen Weltfrauentag fand laut der katholischen Zeitung Tagespost in London ein Treffen statt, um gegen die Unterdrückung durch Männer, genauer gesagt, durch eine bestimmte Art von Männern, zu protestieren: Zielscheibe waren die sogenannten Transfrauen, oder anders ausgedrückt, Männer, die sich als Frauen fühlen.
Die meisten der Feministinnen waren aktive Mitglieder der Labour Party, die schockiert über den Zugriff der Transgender-Lobby auf ihre Partei sind. Denn die drei sich um die Nachfolge von Jeremy Corbyn bewerbenden Frauen haben eine Charta der Rechte für Transgender unterzeichnet, wonach die Partei sich von ihren transphoben Elementen säubern müsse, zu denen neben der LGB Alliance auch Woman's Place UK zählten. Diese Gruppen haben zum Ziel, Frauen gegen Angriffe von Transgenderpersonen zu verteidigen.
Sowohl Woman's Place UK als auch LGB Alliance meinen, dass eine Transfrau, also ein Mann, der sich als Frau fühlt, keine Frau ist. Im Gegenzug forderten Transfrauen gemäß der Gleichstellung von Mann und Frau Zugang zu Stellen, die bisher ausschließlich für Frauen geregelt worden sind, wo sie laut den Feministinnen den Frauen Jobs wegnehmen und als Wolf im Schafspelz in die den Frauen vorbehaltenen Umkleidekabinen sowie öffentliche Toiletten kriechen.
Um den Hintergrund dieses Konflikts zu verstehen, ist kurz darauf hinzuweisen, dass das Geschlecht laut den Feministinnen der 60er- und 70er-Jahre nicht nur die gesellschaftliche Rolle und Position, sondern auch Persönlichkeit und Charakter eines Menschen bestimmt. Dennoch negierten sie nicht die biologischen Differenzen zwischen Männern und Frauen. Die Gender-Theoretikerin Judith Butler geht jedoch heute noch weiter. Laut ihr ist nicht nur das soziale, sondern auch das biologische Geschlecht gesellschaftlich determiniert! Das heißt, die biologisch bedingte Weiblichkeit wird im Rahmen der Genderstudies einfach negiert.
Das markiert einen Bruch zwischen Gendertheorie und Feminismus. Für Feministinnen ist Frausein nach wie vor mehr als eine bloße Überzeugung, und das bringt gerade sie mit den Aktivistinnen der Transgender-Bewegung über Kreuz, die ihren Anspruch auf Weiblichkeit nicht mehr auf Biologie gründen, sondern auf soziale Überzeugung. Allerdings besteht dabei kein Zweifel, dass die emanzipatorische Philosophie der 68er-Bewegung nicht das Gewaltproblem aufgelöst, sondern die Konfliktzone einfach erweitert hat.
Vor Kurzem hat Till Lindemann, der Sänger der Musikgruppe Rammstein, seinen neuen Gedichtband veröffentlicht. Lindemanns Buch "100 Gedichte" enthält Zeilen, die auf Kritik und Empörung stoßen. Es wurde ihm bereits Verbreitung von Vergewaltigungsfantasien vorgeworfen. So heißt es in seinem Gedicht "Wenn du schläfst":
Ich schlafe gerne mit dir, wenn du schläfst/Wenn du dich überhaupt nicht regst/Mund ist offen/Augen zu/Der ganze Körper ist in Ruhe/Kann dich überall anfassen/Kann mich völlig gehen lassen/Schlaf gerne mit dir, wenn du träumst/Weil du alles hier versäumst/Und genauso soll es sein (so soll das sein, so macht das Spaß)/Etwas Rohypnol im Wein (etwas Rohypnol ins Glas)/Kannst dich gar nicht mehr bewegen/Und du schläfst/Es ist ein Segen.
Bei diesem Text geht es um die Vergewaltigung einer wehrlosen, sedierten Person, die vor allem aus Sicht des Täters geschildert wird. Ohne über Lindemanns Ambitionen zu spekulieren, wie die deutschen Medien es seit der Veröffentlichung des Gedichtbands getan haben, drehen sich seine Gedichte im Grunde um den Untergang der menschlichen Seele und sind insofern ein Spiegel der heutigen westlichen Gesellschaft. Die gewaltgetränkte Lyrik des Rammstein-Sängers erregt die Gemüter und wirft Fragen über die spätmoderne Gesellschaft auf. Die Verse stehen in einer langen Reihe von Tabubrüchen, die parallel zu dem sogenannten Emanzipationsprozess familiäre Werte herausfordern.
Im Zug der Emanzipation und tabubrechenden Tendenzen im Abendendland entwickelt sich seit Jahren eine konservative politische Richtung, die diesem linksliberalen Trend etwas entgegensetzen will. Staatsmänner wie Putin, Trump und sogar Orbán sind ein Vorbild für viele Rechte und die familienfreundliche Bevölkerung in Europa geworden, die die christlich-abendländischen Werte gegen linksliberale und emanzipatorisch ausgerichtete Gruppen verteidigen wollen.
Seit Jahren hat Orbán Familienförderung ganz oben auf seine politische Agenda gesetzt. Die neue Verfassung, die auf sein Betreiben 2012 in Kraft trat, schreibt in ihrer Präambel ausdrücklich Christentum und Nation als verbindliche Leitwerte fest. In den USA führt Donald Trump zum Teil die Rechtsnationalen an, die an alten Werten und Vorstellungen festhalten wollen. Dazu passt, dass Trump zuletzt die Evangelikalen und ihre Anti-Abtreibungs-Kampagne unterstützt.
Da Russland mit der orthodoxen Kirche aber, was die Geschlechterrollen und -beziehungen angeht, deutlich konservativer im Konflikt mit dem liberalen Westen steht, hat sich der russische Staat unter Putin intensiv für die Unterstützung und den Schutz der Familie und der traditionellen Familienwerte eingesetzt. Das Thema Familie wurde auch von einem Vertreter der Arbeitsgruppe zur russischen Verfassungsreform als Schlüsselthema bezeichnet. So wurde gefordert, dass in der Verfassung eine Familie als Vereinigung von Mann und Frau festgelegt wird. Die einfachen Begriffe wie "Mama" und "Papa" dürften nicht wie in manchen Ländern durch "Elternteil 1" und "Elternteil 2" ersetzt werden.
Von daher ist es eine Tatsache, dass der Aufstieg der konservativ-nationalistischen Bewegungen seit der Radikalisierung der Tabubrüche der Linksliberalen in der Mitte der westlichen Gesellschaft sichtbar geworden ist. Dabei zeigen uns der Streit im eigenen Lager zwischen Feministinnen und Transgender in England und dazu die Vergewaltigungsfantasien eines Till Lindemann nichts anderes als einen hoffnungslosen Zustand einer linksliberalen Vision für die Zukunft der Welt.
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