Internationaler Strafgerichtshof fühlt sich von US-Außenminister Mike Pompeo bedroht

Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag reagiert äußerst angefasst auf Äußerungen des US-Außenministers Mike Pompeo. Der Politiker hatte Mitarbeiter des IStGH im Zusammenhang mit Untersuchungen gegen die USA namentlich genannt und ihnen Konsequenzen angedroht.

Diplomaten und internationale Beamte zeigten sich empört darüber, dass US-Außenminister Mike Pompeo in der vergangenen Woche Mitglieder des IStGH namentlich genannt und ihnen im selben Atemzug Konsequenzen angedroht hatte. Damit geht die schon länger schwelende Auseinandersetzung zwischen den USA und dem ICC in eine neue Runde. Hintergrund ist der Versuch des ICC, mutmaßliche US-amerikanische Kriegsverbrechen in Afghanistan zu untersuchen.

Pompeo hatte in einem Pressestatement am 17. März gesagt:

Vor Kurzem wurde ich darauf aufmerksam, dass der Kabinettschef des Staatsanwalts Sam Shoamanesh und der Leiter der Abteilung für Gerichtsbarkeit, Komplementarität und Zusammenarbeit Phakiso Mochochoko die Bemühungen der ICC-Anklägerin Fatou Bensouda unterstützen, dieses Gericht für Ermittlungen gegen (US-)Amerikaner zu nutzen. Ich prüfe jetzt diese Informationen und überlege, wie die nächsten Schritte der Vereinigten Staaten in Bezug auf diese Personen und all jene, die die Amerikaner gefährden, aussehen sollten. Wir wollen die Verantwortlichen für diese parteiische Untersuchung und ihre Familienangehörigen identifizieren, die möglicherweise in die Vereinigten Staaten reisen oder sich an Aktivitäten beteiligen wollen, die nicht mit dem Schutz der Amerikaner vereinbar sind.

Daraufhin veröffentlichte der ICC am 19. März eine Erklärung, in der die Äußerungen von Pompeo als "Drohungen" bezeichnet wurden. Menschenrechtsgruppen äußerten ebenfalls ihre Empörung, und sechs ehemalige US-Beamte, die sich mit Fragen zu Kriegsverbrechen befassen, gaben eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie ihre Besorgnis zum Ausdruck brachten.

Auch der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Nils Melzer, hatte umgehend in einem Tweet auf die Aussagen des US-Außenministers reagiert, in dem er fragte:

Was, @SecPompeo, ist falsch daran, Amerikaner wegen Kriegsverbrechen "zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen"? Wie schützt Straflosigkeit für Vergewaltigung, Folter und Mord die Amerikaner? Glauben Sie WIRKLICH, dass die Bedrohung von ICC-Mitarbeitern die Verbrechen verschwinden lässt? Ist es das, wofür #Amerika steht?

"Namentlich benannte Mitarbeiter und ihre Familien zu bedrohen, ist etwas, das Diktaturen tun", sagte die internationale Menschenrechtlerin Katherine Gallagher, die mit ICC-Anklägern zusammenarbeitet. Sie vertritt unter anderem zwei Personen, die ohne Anklage in Guantánamo inhaftiert sind.

"Ich denke, es ist wirklich wichtig, einen Schritt zurückzutreten und sich daran zu erinnern, warum der Internationale Strafgerichtshof ermittelt, und zwar deshalb, weil die Bush-Regierung nach 9/11 ein globales Folterprogramm eingerichtet hat", sagte Gallagher. "Und unter drei Regierungen ist niemand zur Rechenschaft gezogen worden."

Am 5. März hatte sich der ICC in seinem Hauptquartier in Den Haag getroffen und eine Entscheidung eines unteren Gerichts aufgehoben. Die Berufungskammer des ICC erteilte somit ein weitreichendes Mandat, um mögliche Kriegsverbrechen afghanischer Kämpfer, Mitglieder der Taliban und der US-amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan zu untersuchen.

"Die vielen Opfer der grausamen Verbrechen, die im Zusammenhang mit dem Konflikt in Afghanistan begangen wurden, verdienen endlich Gerechtigkeit", erklärte die Chefanklägerin Fatou Bensouda. "Heute sind sie diesem begehrten Ergebnis einen Schritt näher gekommen."

Bensouda geht davon aus, dass es eine "vernünftige Grundlage" dafür gäbe, dass Mitglieder des US-Militärs und der CIA Gefangene gefoltert und vergewaltigt haben. Als die Chefanklägerin 2019 um Erlaubnis bat, die Untersuchung zu beginnen, widerriefen die USA ihr Visum.