Gemäß den Abkommen von Astana und Sotschi, die Russland mit der Türkei und dem Iran abschloss, ist der Türkei zugestanden worden, zwölf militärische "Beobachtungsposten" in der syrischen Provinz Idlib aufzubauen. Diese sollten dazu dienen, den Abzug von schwerem Kriegsgerät aus der sogenannten Deeskalationszone sicherzustellen. Die umliegenden, unter Kontrolle der syrischen Regierung stehenden Dörfer, sollten nicht mehr beschossen werden können, war der Plan. Zudem sollte die Türkei die Entwaffnung von international anerkannten Terrorgruppierungen wie beispielsweise Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS) durchführen.
Doch Ankara hat nichts davon umgesetzt. Stattdessen wurden seit Ende Januar fünfzehn neue "Beobachtungsposten" in Idlib erstellt. Diese dürfen von der syrischen Armee und deren Verbündeten nicht angegriffen werden, so heißt es in den Abkommen. Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Generalmajor Igor Konaschenkow, warf der Türkei am Mittwoch vor, dass die "befestigten Gebiete der Terroristen mit den türkischen Beobachtungsposten verschmolzen" sind.
Konaschenkow beschwerte sich auch über die heuchlerische Haltung der westlichen Staaten bezüglich der Übergriffe von Terroristen, die nach wie vor als "Moderate" bezeichnet werden:
Wo, bei den angeblich "moderaten" Kämpfern in der von der Türkei kontrollierten Zone, war denn (Abu Muhammed) al-Dscholani? Der Anführer von Dschabhat al-Nusra, eine von der UN offiziell anerkannten Terrorgruppierung, mit seinen fast 20.000 Halsabschneidern? ... Mit einem Fingerschnips wurden in den westlichen Medien plötzlich alle Terroristen aus Idlib "Vertreter der moderaten Opposition". Es ist aber unklar wie der IS-Chef al-Baghdadi laut den USA kürzlich unter all diesen "Moderaten" "lokalisiert" und getötet wurde.
Der Generalmajor hob auch hervor, dass die Angriffe mit Artillerie auf Dörfer und den russischen Luftwaffenstützpunkt Hmeimim mittlerweile "täglich" stattfinden, ebenso wie türkische Angriffe auf die syrische Armee, um die Dschihadisten in Idlib zu verteidigen. Das alles werde aber "von niemandem im Westen wahrgenommen", ebenso wenig wie der türkische Einmarsch nach Syrien, der gegen das Völkerrecht verstößt.
Kanzlerin Merkel für Sicherheitszone in Idlib
In seiner Rede am Samstag hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan den USA und einigen EU-Staaten vorgeworfen, ihre Versprechen zur Errichtung einer Sicherheitszone in Idlib gebrochen zu haben. Deshalb sehe sich die Türkei gezwungen selbst für Fakten zu sorgen, sagte er weiter.
Nachdem die Türkei ihre Grenzen für Migranten geöffnet und die Behörden verkündet haben, dass auch die EU-Grenzen offen seien, haben sich Zehntausende Migranten auf den Weg gemacht. Berichten zufolge organisiert die türkische Regierung sogar die Überfahrt mit Bussen bis an die griechische Grenze und zahlt den Menschen bis zu 200 Euro, damit sie die Türkei verlassen.
Mit dieser Entscheidung wurde die ungelöste Migrationsfrage der Europäischen Union mit einem Schlag wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte am Montag, dass die Grenzen dicht bleiben und dass es zu keiner Wiederholung von 2015 kommen wird.
Dafür zeigt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel plötzlich für die Errichtung einer Sicherheitszone in Idlib offen, wie die Nachrichtenagentur Reuters aus Teilnehmerkreisen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erfahren haben will. Diese sei notwendig, um die "humanitäre Lage" der Menschen "in den Griff" zu bekommen. So ähnlich äußerte sich bereits Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und Kandidat für den CDU-Vorsitz.
Dass in Idlib aber weiterhin Terroristen ihr Unwesen treiben und dabei nun sogar militärisch von der Türkei unterstützt werden, einem NATO-Mitglied, spielt offensichtlich weder bei Röttgen noch in der Bundesregierung eine Rolle.
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