Kritik an der israelischen Politik ist in einigen Ländern unerwünscht. Wer sich dennoch kritisch äußert, muss damit rechnen, als Antisemit beschimpft zu werden. Politische Karrieren können zugrunde gehen, wenn sich der gesamte Apparat aus Medien, Lobbyisten und politischen Opportunisten auf einen einschießt und denunziert, nur weil man es gewagt hat, unangenehme Dinge anzusprechen. Das geschieht in Deutschland, aber noch viel heftiger in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Als strategische Bedrohung durch die israelische Regierung eingestuft, versucht man auf beiden Seiten des Atlantiks insbesondere die sogenannte Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionskampagne (BDS) anzugreifen, die nach dem Vorbild der Kampagne gegen die Apartheid in Südafrika ins Leben gerufen wurde. In den USA versuchten pro-Israel Aktivisten auf Hochschulen gegen BDS vorzugehen, scheiterten dort aber am Widerstand der Studenten, die sich nicht das Wort verbieten lassen wollten.
Doch davon ließen sich die anti-BDS-Aktivisten nicht beirren. Noah Pollack, Vorsitzender des Emergency Committee for Israel, einer aggressiven rechtsgerichteten Lobbyorganisation, machte das im Jahr 2016 bereits deutlich:
Man möchte nicht auf dem Terrain seines Feindes kämpfen. Der Feind hat den Campus ja aus irgendeinem Grund ausgesucht.
Während Sie Ihre Campus-Sperenzchen gemacht haben, waren die Erwachsenen bei der gesetzgebenden Gewalt und haben Gesetze erlassen, die Ihre Sache unwahrscheinlich machen.
Die Aktivitäten von Studenten, die über die Folgen der israelischen Besatzungspolitik auf dem Campus diskutieren und den jahrzehntelangen pro-israelischen Konsens aufgebrochen haben, sind für Pollack also "Sperenzchen". Der Kampf muss aus seiner Sicht mit größeren Geschützen geführt werden. Die "Erwachsenen" sollen die Studenten zum Schweigen bringen, indem entsprechende Gesetze auf Bundesebene verabschiedet werden.
Und hier können Organisationen wie Emergency Committee for Israel, StandWithUs, AIPAC und viele andere tatsächlich Erfolge vorweisen. In 42 von 51 US-Bundesstaaten wurden Anti-BDS Gesetzesvorlagen eingebracht, die es in 28 Bundesstaaten zum Gesetz geschafft haben. In Staaten wie Kentucky, Louisiana, Maryland oder New York haben es die Gouverneure per Verfügung zum Gesetz erklärt, um etwaigen juristischen Problemen oder demokratischen Ungewissheiten aus dem Wege zu gehen.
Der Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, war der erste, der am 5. Juni 2016 die Verfügung unterzeichnete. Bei der dafür eigens von der Conference of Presidents of Major American Jewish Organizations durchgeführten Zeremonie, erklärte Cuomo:
Wenn Du Israel boykottierst, wird dich New York boykottieren. Wenn du Einnahmen aus Israel abzweigst, wird New York Einnahmen von dir abzweigen. Wenn du Israel sanktionierst, wird New York dich sanktionieren. Punkt.
Nachdem auch Ido Aharoni, der damalige israelische Konsul in New York, an dieser Zeremonie teilnahm, meldete sich auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu über Twitter zu Wort. Kurz und knapp erklärte er:
Ich salutiere Ihnen, Gouverneur Cuomo.
Lange Zeit wurde vermutet, dass nicht nur die zahlreichen Lobbyorganisationen in den USA bei der Erstellung der Gesetzesvorlagen involviert waren, sondern auch Israel selbst. Beweise dafür gab es bis vergangenen Mittwoch allerdings nicht. Es sollte niemand geringeres als Netanjahu selbst sein, der den Schleier gelüftet und zugegeben hat, dass sich Israel in die Gesetzgebung der "meisten" US-Bundesstaaten eingemischt hat. In einem Tweet erklärte Netanjahu:
Wer uns boykottiert, wird boykottiert. Der UN-Menschenrechtsrat ist ein parteiisches Organ, das keinen Einfluss hat. Nicht umsonst habe ich bereits den Abbruch der Beziehungen angeordnet. Es war auch nicht umsonst, dass die amerikanische Regierung diesen Schritt gemeinsam mit uns getan hat. In den letzten Jahren haben wir in den meisten US-Bundesstaaten Gesetzesvorhaben unterstützt, die vorschreiben, dass entschieden gegen jeden vorgegangen werden muss, der versucht, Israel zu boykottieren.
Die Reaktionen auf dieses Eingeständnis fielen entsprechend eindeutig aus. Viele Nutzer wiesen darauf hin, dass der israelische Ministerpräsident aktiv den Ersten Zusatzartikel der US-Verfassung zur Meinungs- und Redefreiheit ausgehebelt habe. Oder dass es nicht Russland ist, das sich in die inneren Angelegenheiten der USA einmischt, sondern Israel.
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