"Nein!" … "Doch!" … "Oh!" – Konfusion in Washington über Netanjahus Annexionspläne

Kaum war der "Friedensplan" für den Israel-Palästina-Konflikt in Washington von US-Präsident Donald Trump vorgestellt, beeilte sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit der Ankündigung von Annexionsplänen für Siedlungen. Das sorgte für Durcheinander und Unmut in der US-Regierung.

Die US-Regierung war bemüht zu betonen, dass der "Friedensplan" lediglich eine "Vision für Frieden" und Ausgangspunkt für ein Abkommen sei. Dass die dafür nach Washington D.C. eingeladenen Gäste aus Israel (Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sein schärfster Herausforderer Benny Gantz) diesen Plan annehmen würden und die nicht eingeladenen – und auch gar nicht gefragten – Palästinenser ablehnen, dürfte wenig überraschend sein.

Überrascht und etwas verstimmt reagierte die Trump-Regierung allerdings, als kurz nach der Präsentation Netanjahu über seinen Sprecher verlauten ließ, dass am Wochenende formell das Militärrecht in der West Bank aufgehoben wird. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass die Siedlungen dann offiziell annektiert, der israelischen Souveränität und damit dem Zivilrecht unterstellt werden sollen.    

Auch Israels Verteidigungsminister Naftali Bennett drängte auf eine umgehende Annexion, und zwar nicht nur der Siedlungen, sondern des gesamten Gebietes bis zum Jordan.

Gestern Abend klopfte die Geschichte an unsere Türe und gewährte uns eine einmalige Möglichkeit, das israelische Gesetz auf alle Siedlungen in Judäa und Samaria und das Jordantal anzuwenden. Es ist eine Möglichkeit, das Jordantal zur westlichen Grenze Israels zu machen, es ist eine Möglichkeit zu definieren, was Teil unseres Landes ist...

Als das Regierungskabinett eine Abstimmung in dieser Frage vertagte, weil es Streitigkeiten darüber gab, ob man das gesamte Gebiet annektieren sollte oder "nur" 30 Prozent der West Bank, wie es etwa der US-Plan vorsieht, ruderte Bennet zurück. Er akzeptiert auch die 30 Prozent, aber nur, solange Netanjahu jetzt handelt und nicht erst auf die Wahlen im März wartet. 

Netanjahus Eile bei den Annexionsplänen sorgte derweil für ein Durcheinander in Washington. Am Mittwoch wurden US-Außenminister Mike Pompeo sowie Trumps Schwiegersohn – und einer der maßgeblichen Architekten des "Friedensplans" – Jared Kushner" zu den israelischen Absichten befragt. Ihre Antworten zeigen, dass es offensichtlich keine klare Vorgabe aus dem Weißen Haus gibt, wie mit der Situation umzugehen ist.

Der israelische Journalist Barak Ravid sprach mit Pompeo, wobei dieser keine Probleme mit den Absichten Netanjahus zu haben schien, solange die Annexion im Einklang mit dem "Friedensplan" stattfindet.

Kushner sprach hingegen mit Ian Bremmer, Politikwissenschaftler und Vorsitzender des Beratungsunternehmens Eurasia Group, zu der auch der Medienarm GZERO Media gehört. Laut Kushner unterstütze die US-Regierung keine umgehende Annexion der Siedlungen durch Israel. Stattdessen sei mit Netanjahu vereinbart worden, dass ein "technisches Team" gebildet wird, das die "konzeptionelle Karte studiert" und klar definiert, welche Gebiete annektiert werden sollen.

Diese sehr unterschiedlichen Äußerungen vom Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika einerseits und andererseits vom Schwiegersohn des US-Präsidenten, der offiziell lediglich dessen Berater ist, werfen die Frage auf, welche Position nun eigentlich die US-Regierung vertritt und wer dazu tatsächlich etwas zu sagen hat. Auch Kushner scheint zumindest in diesem Interview davon auszugehen, dass er stellvertretend für die Regierung spricht.  

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