Für die umfängliche Studie wurden weltweit Menschen befragt, mit Ausnahmen – aber dazu weiter unten mehr. Besonders hoch war die Unzufriedenheit demnach in Großbritannien und den USA. "Überall auf der Welt befindet sich die Demokratie in einem Zustand des Unbehagens", so der Autor des Berichts, Roberto Foa. Die Studie des Centre for the Future of Democracy der Universität Cambridge dokumentiert die Ansichten zur Demokratie seit 1995 – wobei die Zahlen für 2019 zeigen, dass der Anteil der Unzufriedenen insgesamt von 47,9 Prozent auf 57,5 Prozent gestiegen ist – dem höchsten registrierten Niveau.
"Wir stellen fest, dass die Unzufriedenheit mit der Demokratie im Laufe der Zeit zugenommen hat und insbesondere in den 'entwickelten Ländern' einen weltweiten Höchststand erreicht hat", erklärte Dr. Foa. Die Forschung, die 154 Länder auf der ganzen Welt umfasst, basiert auf der Frage, ob die Menschen mit der Demokratie in ihrem eigenen Land zufrieden oder unzufrieden sind. Die Daten für einige Länder gehen bis in die 1970er Jahre zurück. Das langfristige Bild zeigt einen stetigen Aufwärtsschwung des Pendels hin zu mehr Zufriedenheit mit der Demokratie in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Dies war die Ära der großen Umbrüche in Ost- und Mitteleuropa, inklusive Mauerfall in Deutschland.
Doch im letzten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends gibt es einen Trend hin zu mehr Unzufriedenheit. Die Studie deutet darauf hin, dass die politischen und sozialen Auswirkungen der Finanzkrise von 2008 und die Flüchtlingskrise von 2015 sowie Entwicklungen in der Außenpolitik hierbei eine große Rolle spielen. Laut der Studie, die vor einem Vertrauensverlust in die Demokratie warnt, ist der sogenannte "Populismus" weniger eine Ursache als vielmehr ein Symptom.
In Großbritannien, so die Studie, sei die Zufriedenheit mit der Demokratie seit den 1970er Jahren kontinuierlich gestiegen – und habe in den Jahren nach der Jahrtausendwende einen Höhepunkt erreicht. Doch seit 2005 geht es wieder abwärts. In Deutschland ist die Unzufriedenheit in etwa gleichgeblieben. Nach einem Anstieg der Unzufriedenheit zwischen den Jahren 2000 und 2005 senkte sich die Kurve bis 2015 wieder auf das Niveau von 2000 und stagniert seitdem mehr oder weniger.
In Großbritannien lässt sich offenbar auch der Einfluss des Brexit auf die Unzufriedenheit mit der Demokratie nachweisen. Im Jahr 1995 betrug der Anteil derer, die mit der Demokratie in Großbritannien noch unzufrieden waren, 47 Prozent. Im Jahr 2005 erreichte der Wert seinen Tiefststand von 33 Prozent. Dann, in Umfragen vor der Parlamentswahl im Dezember 2019, schnellte er auf 61 Prozent hoch.
In den USA gab es zwischen 1996 und 2005 eine große Zustimmung zur Demokratie mit bis zu 75 Prozent – doch dann kam der Absturz auf mittlerweile unter 50 Prozent. Die stellt laut Dr. Foa, eine "tiefgreifende Veränderung im Selbstverständnis der USA" dar. Laut der Studie hat sich die Zufriedenheit nach dem Finanzcrash mit der politischen Polarisierung und dem sich vertiefenden Misstrauen verschlechtert. Aber es gibt auch Gegentrends: In Dänemark, der Schweiz, Norwegen und den Niederlanden ist die Zustimmung zur Demokratie höher als je zuvor. Auch in Asien zeichnet sich ein anderes Bild: Vor allem in Südostasien ist die Zufriedenheit deutlich höher als in anderen Regionen.
Leider irritiert die Studie aber auch mit einer Grafik, die ganz den überheblichen, westlichen Narrativ in puncto "demokratisch" oder eben "nicht demokratisch" widerspiegelt.
So werden die Türkei, Venezuela und Russland kurzerhand als "nicht mehr demokratisch" in einen Topf geworfen. Länder wie zum Beispiel Kuba und Thailand landen ebenfalls in demselben Körbchen unter "keine Daten" respektive "war nie demokratisch".