Mit Initiativen, die für andere Länder auch im Mittleren Osten seit Langem Alltag sind, aber für Saudi-Arabien fortschrittlich erscheinen, poliert Mohammed bin Salman (bisweilen auch kurz MBS genannt) das Image des Golfstaats auf.
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Vor allem setzt er auf die Frauenkarte. Dank ihm dürfen Frauen seit Sommer 2019 Auto fahren, und nach der Ernennung einer der ersten weibliche Botschafterin in den USA, Prinzessin Rima bint Bandar, vor rund einem Jahr ist am Dienstag Prinzessin Haifa al-Mogrin zur ständigen Vertreterin Saudi-Arabiens bei der vergleichsweise einflusslosen Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) ernannt worden.
Seit 2018 ist sie Mitarbeiterin des stellvertretenden Ministers für G20-Angelegenheiten im Ministerium für Wirtschaft und Planung und ist so wohl auch beschäftigt, um in diesem Jahr die mehr als einhundert geplanten Treffen in Saudi-Arabien und anderen Ländern vorzubereiten, denn Saudi-Arabien ist das erste arabische Gastgeberland des G20-Gipfels.
Und kürzlich erst wurde der spanische Fußball-Supercup in Saudi-Arabien ausgetragen, bei dem für einige Tage eine Art "fiktive Normalität" gespielt wurde, wie die spanische Zeitung El Mundo schreibt.
Angesichts seiner einflussreichen Partnerschaften und solch prestigeträchtigen Veranstaltungen scheint sich die Golfmonarchie jedoch im Alltag weiterhin jeglichen Mindeststandards von Menschenrechten zu entziehen, sogar solchen, die es sich selbst gesetzt hat. Noch im Jahr 2018 kündigte der zeitweise als Modernisierer gepriesene Kronprinz MBS selbst an, die Hinrichtungsrate baldmöglichst und "im großen Stil" zu reduzieren.
37 Menschenleben an nur einem Tag
Doch sogar für saudische Maßstäbe hat der Golfstaat im Jahr 2019 eine Art Höchststand erreicht und 184 Menschen hingerichtet, darunter 88 saudische Staatsbürger, 90 Ausländer und sechs Personen unbekannter Nationalität, hieß es in einer von der britischen Menschenrechtsorganisation Reprieve veröffentlichten Erklärung unter Berufung auf die Nachrichtenagentur Saudi Press Agency. Am 23. April 2019 hat das Königreich 37 Personen hingerichtet, darunter mindestens drei, die zum Zeitpunkt ihrer angeblichen Straftaten Kinder waren. Angehörige der Toten wurden laut Reprieve erst nach deren Hinrichtungen informiert, aber von den Behörden angewiesen, keine Trauerfeiern abzuhalten.
Dies ist ein weiterer düsterer Meilenstein für Mohammed bin Salmans Saudi-Arabien. Die Herrscher des Königreichs glauben eindeutig, dass sie völlig ungestraft das internationale Recht missachten können, wenn es ihnen passt", so die Direktorin von Reprieve Maya Foa.
Die Organisation, die auch die Menschenrechtsverstöße in Guantanamo anprangert, beschreibt, wie Angeklagte in Saudi-Arabien durch Folter zu Geständnissen gebracht und dann beispielsweise als "Terroristen" hingerichtet werden, wenn sie sich für mehr Freiheiten in dem ultrakonservativen Land eingesetzt haben.
Die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierung (WGAD) prangerte erst im November an, dass die Inhaftierung eines mittlerweile hingerichteten Mannes willkürlich und unrechtmäßig war und unter anderem gegen sein Recht auf einen fairen Prozess, sein Recht auf Freiheit von Folter und sein Recht auf Leben verstoßen hat.
Ein Land, das Kinder foltert und hinrichtet, sollte ein Pariastaat sein und sich nicht auf das nächste G20-Treffen vorbereiten", meint Foa.
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Während sich Riad im Rahmen der Vorbereitungen auch mit Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft (C20) schmückt, haben am Montag drei prominente Organisationen öffentlich erklärt, dass sie selbst nicht daran teilnehmen werden und auch anderen davon abraten. Laut der Menschenrechtsgruppe Amnesty International, der Antikorruptionsorganisation Transparency International und der in Johannesburg ansässigen Organisation Civicus wird die Teilnahme der C20 instrumentalisiert, um die grauenhafte Menschenrechtsbilanz der Golfmonarchie zu beschönigen.
Der C20 soll eine Plattform für zivilgesellschaftliche Stimmen aus der ganzen Welt bieten, um Einfluss auf die G20-Agenda nehmen zu können. Da Saudi-Arabien die meisten der unabhängigen Aktivisten im Land eingesperrt hat, werden die einzigen anwesenden einheimischen Organisationen mit der Regierung verbunden sein – was den gesamten Prozess zum Gespött macht", so Netsanet Belay von Amnesty International.
Der G20-Gastgeber Saudi-Arabien habe versucht, sein Image als modernes Land zu fördern, und Millionen von Dollar für teure westliche PR-Berater ausgegeben, während es in der Realität auf vielerlei Weise gegen Menschenrechte verstoße, hieß es in der Erklärung.
Als führende zivilgesellschaftliche Organisationen, die in den meisten Ländern der Welt (bemerkenswerterweise jedoch nicht in Saudi-Arabien) präsent sind, können wir uns nicht an einem Prozess beteiligen, der versucht, einem Staat internationale Legitimität zu verleihen, der praktisch keinen Raum für die Zivilgesellschaft bietet.
Der Linksfraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch hatte sich dafür ausgesprochen, eine Teilnahme der Bundesregierung am G20-Gipfel von der saudischen Haltung zum Jemen-Krieg abhängig zu machen, in dem rund 100.000 Menschen, darunter mehr als 3.500 Kinder, getötet und viele weitere chronisch verletzt und traumatisiert wurden.