Tagelang blieb die US-Regierung von Donald Trump bei der Aussage, dass von Soleimani eine unmittelbare Bedrohung ausging und er deshalb ausgeschaltet werden musste. Auch die deutsche Bundesregierung folgte ohne Bedenken dieser Begründung, als in der Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses am 9. Januar Bundesaußenminister Heiko Maas erklärte, dass der Drohnenmord nicht völkerrechtswidrig war.
Erst als herauskam, dass sich der Kommandeur der al-Quds-Einheit der Iranischen Revolutionsgarde auf diplomatischer Mission befand, zeigte die offizielle Erklärung aus dem Weißen Haus erste Risse. Laut dem irakischen Ministerpräsidenten Adil Abd al-Mahdi sollte er am Tag nach seiner Ankunft in Bagdad eine Antwort der iranischen Regierung auf eine geheime Initiative Saudi-Arabiens übermitteln, die darauf abzielte, Spannungen in der Region abzubauen. Auch in Washington war man in diesen Prozess zumindest teilweise involviert, weil man von dort die irakische Regierung bat, sich als Vermittlerin anzubieten.
Am Ende war es Verteidigungsminister Mark Esper selbst, der das Narrativ eines angeblich unmittelbar bevorstehenden Angriffs auf US-Botschaften im Nahen Osten zum Einsturz brachten. Bei seinem Auftritt in der Sendung "Face The Nation" von CBS News sagte er, dass er persönlich keine spezifischen Beweise "gesehen" habe, dass der Iran überhaupt irgendwelche Angriffe auf US-Botschaften geplant hatte. Ganz zu schweigen davon, dass diese Angriffe "unmittelbar" stattfinden sollten, wie es US-Präsident Donald Trump behauptet hatte.
Ein weiteres Indiz, das gegen die These der unmittelbaren Bedrohung von US-Botschaften spricht, ist jegliches Ausbleiben von Warnungen des Außenministeriums an die betreffenden Botschaften in der Region. Nach CNN-Angaben habe man aus Washington zwar eine Warnung an alle Botschaften weltweit kurz vor dem eigenen Drohnenangriff herausgegeben, allerdings gab es zuvor keinerlei Warnungen über angeblich bevorstehende Angriffe für spezifische US-Botschaften im Nahen Osten.
Um die Diskussion über die Rechtfertigung des Mordanschlags in eine andere Richtung zu lenken, änderte das US-Außenministerium nun die Strategie. Bei einer Rede am Montag in der "Hoover Institution on War, Revolution, and Peace", einer Denkfabrik an der renommierten Stanford University, sprach Mike Pompeo nicht mehr von einer unmittelbaren Gefahr, sondern davon, dass dieser Mord Teil einer "größeren Strategie" ist. Die USA haben damit das Ziel zur "Wiederherstellung der Abschreckung" verfolgt, sagte er. Und diese sei nicht nur auf den Iran beschränkt.
In sämtlichen Fällen müssen wir Feinde abschrecken, um die Freiheit zu verteidigen. Darum geht es bei der Arbeit von Präsident Trump, unser Militär so stark wie noch nie zuvor zu machen.
Demnach ging dann also keinerlei unmittelbare Gefahr von Qassem Soleimani aus, sondern es sollte Teheran – und allen anderen Seiten – klargemacht werden, dass man in Washington bereit ist, auch vor Staatsterrorismus nicht zurückzuschrecken, um die Ziele der USA durchzusetzen. Dafür riskierten die USA aktuell sogar einen Krieg, der eine ganze Region hätte in Flammen setzen können. Mit dieser Strategie entwickeln sich die USA aber immer weiter zu einem irrationalen Akteur auf der politischen Weltbühne, der zur Gefahr für Freund wie Feind gleichermaßen wird. Zugleich unterstrich die US-Regierung erneut und in unmissverständlicher Deutlichkeit, dass allgemein anerkanntes Völkerrecht für die USA bei der Verfolgung ihrer Interessen keine Rolle spielt.
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