Die Enthüllungsplattform WikiLeaks veröffentlichte neue interne Dokumente der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW). Daraus geht hervor, dass Mitglieder des OPCW-Teams, die mit der Untersuchung des angeblichen Chemieangriffs in Duma beauftragt waren, gegen den Abschlussbericht der Organisation über den Vorfall protestiert hatten. Ihrer Meinung nach verfälschte der Bericht ihre eigenen Schlussfolgerungen.
In einem Schreiben an OPCW-Generaldirektor Fernando Arias erklärte ein Wissenschaftler, der an der sogenannten Fact Finding Mission (FFM) der OPCW in Syrien teilgenommen hatte, dass es etwa 20 Inspektoren gibt, die ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck brachten, wie die OPCW ihre Ergebnisse zu dem angeblichen syrischen Chemieangriff präsentierte. Dem Schreiben zufolge spiegelt der Abschlussbericht der Organisation nicht die Ergebnisse der FFM wider, die in ihrem Zwischenbericht vorgestellt wurden, der auch Teil der von WikiLeaks veröffentlichten Dokumente ist.
Die neuen Dokumente verstärken die bereits bestehenden Zweifel an dem Abschlussbericht der OPCW zum Vorfall in Duma. Laut dieser Version vom April 2018 sollen in der syrischen Stadt Duma Dutzende Zivilisten durch einen Chemieangriff, der angeblich durch die syrischen Regierungskräfte durchgeführt wurde, getötet worden sein. Dieser angebliche Chemieangriff wurde von den Vereinigten Staaten und mehrerer ihrer NATO-Verbündeten als Vorwand genutzt, um Luftangriffe gegen syrische Militärstellungen durchzuführen. Die OPCW wurde später mit Untersuchung des Vorfalls beauftragt. Der Abschlussbericht der Organisation stützte die These, dass die syrische Regierung tatsächlich Chemiewaffen eingesetzt habe.
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Im Schreiben heißt es aber, dass der Abschlussbericht "nicht die Ansichten aller Teammitglieder widerspiegelt, die in Duma eingesetzt wurden". Tatsächlich wurde das OPCW-Team vor Ort in Duma offenbar weitgehend von der Erstellung des Abschlussberichts ausgeschlossen.
Nur ein Mitglied der FFM, ein Sanitäter, trug direkt zum Abschlussbericht bei. Das endgültige Dokument wurde stattdessen von einer anderen Gruppe verfasst, die von "Land X" aus operiert hatte. Es wird angenommen, dass es sich dabei um die Türkei handelt, die seit dem Jahr 2011 einen radikalen Kurs gegen die syrische Regierung verfolgt.
Der Konsens innerhalb des FFM-Teams war, dass es Hinweise auf schwerwiegende Inkonsistenzen bei den Ergebnissen gab. Die Schlussfolgerungen scheinen völlig in die entgegengesetzte Richtung gedreht worden zu sein.
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Die Ergebnisse des Teams, die in ihrem Vorbericht dargestellt sind, veranschaulichen einige dieser Inkonsistenzen. So äußerte das Team beispielsweise Unsicherheit über die Herkunft der Flaschen, die angeblich zur Freisetzung von Chlor verwendet wurden. Washington und seine Verbündeten behaupten dagegen, dass die Zylinder von der Luft aus eingesetzt wurden und deuteten das als Beweis für die Täterschaft der syrischen Regierung.
Im ursprünglichen Zwischenbericht hieß es jedoch, dass es keine starken Beweise für diese Theorie gebe. Tatsächlich kam eine weitere Untersuchung zu dem Schluss, dass es wahrscheinlicher war, dass die Zylinder per Hand platziert und nicht von einem Flugzeug aus eingesetzt wurden.
Nachdem diese Schlussfolgerungen nicht in den Abschlussbericht aufgenommen wurden, versuchte ein FFM-Teammitglied, die Analyse der Zylinder in einem sicheren Register, dem sogenannten Documents Registry Archive (DRA), zu archivieren. Laut dem Journalisten Peter Hitchens befahl ein leitender OPCW-Beamter aber seinen Mitarbeitern, "alle Spuren" der Befunde aus dem Archiv zu entfernen.
Somit verhärtet sich der Verdacht, der bereits durch mehrere Leaks wiederholt wurde: Dass es sich bei dem angeblichen Chemiewaffenangriff der syrischen Regierung in Duma um ein Fake handelt.
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