Die vier am Normandie-Format beteiligten Staatschefs haben bei einer Pressekonferenz am Montagabend die Ergebnisse des diesjährigen Gipfels bekanntgegeben und Fragen der Journalisten beantwortet. Der Gipfel zur Umsetzung der Minsker Abkommen, mit dem Ziel der Befriedung des Konflikts im ukrainischen Bürgerkrieg, fand erstmals seit drei Jahren statt.
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Bei der Pressekonferenz ließ es sich der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij nicht nehmen, an einem wichtigen Grundsatz des Abkommens zu rütteln: Er will, dass die Kontrolle über die Grenze zwischen Russland und den Volksrepubliken Donezk und Lugansk noch vor den Kommunalwahlen übergeben wird – anstatt nach diesen, wie im Abkommen festgelegt. Eine solche Übergabe ist im Minsker Abkommen als Teil des Friedensprozesses vorgeschrieben.
Gleichzeitig gab Selenskij zu, dass er nicht weiß, wie die Waffenruhe durchzusetzen ist, die in den letzten Jahren "oft verkündet und dutzendfach verletzt wurde". Von wem die Waffenruhe verletzt wurde, ließ er schuldbewusst unter den Tisch fallen. Überhaupt wirkte Selenskij bei der Pressekonferenz ziemlich unsicher.
Russlands Staatschef Wladimir Putin hingegen sieht sich gänzlich dem Minsker Abkommen verpflichtet. Insbesondere auch dem Punkt zur Kontrollübergabe über die Grenze. Ohnehin soll diese, dem Abkommen zufolge, nach den Kommunalwahlen gerade einmal beginnen – und erst nach Abschluss des im Abkommen vorgeschriebenen Friedensprozesses zu Ende geführt werden, erinnerte der Präsident.
Eine weitere Frage im Rahmen der Pressekonferenz betraf den Gastransit von Russland durch die Ukraine nach Europa.
Diese wurde in der Tat neben dem Gipfel bilateral von Putin und Selenskij besprochen. Journalisten gegenüber stellte Putin die Möglichkeit deutlich besserer Erdgastarife für die Ukraine in Aussicht, sobald sich das Land als vertragstreuer Handelspartner erweist.
Angesprochen wurde außerdem der Mord an einem georgischen Staatsbürger – dem militanten Islamisten Selimchan Changoschwili – im Berliner Stadtteil Kleiner Tiergarten. Dieser Fall, bei dem ein russischer Staatsbürger momentan der Hauptverdächtigte ist, schlägt derzeit hohe Wellen. So erklärte die Bundesregierung aufgrund eines angeblichen Mangels an Zusammenarbeit der russischen Regierung und Sicherheitsorgane zwei russische Diplomaten zu unerwünschten Personen. In Russlands Namen wies Außenminister Sergei Lawrow am Rande des 26. Ministerrats der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am Donnerstag in Bratislava vor Journalisten diese Vorwürfe zurück und warf Deutschland seinerseits vor, die für solche Fälle vorgesehenen Kommunikationskanäle nicht zu nutzen: "Russland und Deutschland haben Kanäle für die Kommunikation zwischen den Strafverfolgungsbehörden eingerichtet, auch um Fragen anzusprechen, die mit einer Verletzung der Gesetze eines Landes verbunden sind. Diese Kanäle müssen verwendet werden. Wenn unsere deutschen Partner sagen, dass sie glauben, dass Russland nicht genügend zusammengearbeitet hat, weiß ich nicht, worauf sie solche Schätzungen stützen."
Wladimir Putin kündigte bei der Pressekonferenz analoge Schritte an, weil der diplomatische Usus dies erfordert. Erfreulich sei dies indes nicht, so Putin.
Ferner zeigte sich der russische Präsident angesichts der Aufforderung deutscher Ermittlungsorgane zu einer Zusammenarbeit verwundert. Russland gegenüber sei diese verweigert worden, als es um die Auslieferung des mittlerweile Ermordeten nach Russland ging, der dort für mehrere Terroranschläge mit Dutzenden Toten verantwortlich war.
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Zudem wurde die Frage nach der politischen Voreingenommenheit der Welt-Anti-Doping-Agentur gegenüber russischen Sportlern gestellt, die von der WADA in Sippenhaft genommen werden. Ebenso wie im Fall des Tiergarten-Mordes sei hier die Einhaltung der Unschuldsvermutung der korrekte Verfahrensweg, merkte Putin an.
Anmerkung der Redaktion: In der vorigen Version dieses Artikels hieß es, die russischen Diplomaten seien lediglich aufgrund des Verdachts einer russischen Spur ausgewiesen worden. Dies war eine unzulässige Vereinfachung. Wir bitten dafür um Entschuldigung.
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