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Libyen: Washington streut Gerüchte gegen Russland

Obwohl es kaum jemand mitbekommen hat, vollzieht sich im Schatten des NATO-Gipfels von London ein Schlagabtausch zwischen dem Westen und Russland. Dabei geht es um nichts Geringeres als die schwierige Lage in Libyen.
Libyen: Washington streut Gerüchte gegen RusslandQuelle: Reuters © Ayman Al-Sahili

von Arkadi Shtaev

Seit Anfang April dieses Jahres stehen die Truppen des Warlords Chalifa Haftar aus dem ostlibyschen Bengasi vor den Toren der Hauptstadt Tripolis, die sich nie vom Sturz Gaddafis erholt hatte. Ob sich hier die uralte Spaltung des Landes in die historischen Provinzen Tripolitanien und der Kyrenaika manifestiert, kann zur Stunde nur unzureichend beantwortet werden. Dieser historische Gegensatz zwischen dem weltlichen Tripolitanien mit der Hauptstadt Tripolis im Nordwesten und der Kyrenaika im Osten – dem Land südlich der Hafenstadt Bengasi mit ihren uralten Bindungen ans benachbarte Ägypten und einer historisch starken islamischen Senussi-Bruderschaft, die auch an der Macht war, bis sie 1969 von Gaddafi gestürzt wurde – vertiefte sich in den letzten Jahren auf jeden Fall dramatisch.

Der damalige französische Präsident Nicolás Sarkozy, der Gaddafi 2011 nach mehrmonatigem Bürgerkrieg eiskalt buchstäblich ans Messer lieferte (der libysche Herrscher wurde ja auf eine Weise ums Leben gebracht, die eher an archaische Rituale erinnerte als an all das Gerede von Menschenrechten und Demokratie), hatte dem umstrittenen Herrscher zuvor den roten Teppich ausgerollt und ihn bei den anderen EU-Staatschefs hoffähig gemacht, flankiert von der Aussicht auf lukrative Geschäfte und wirtschaftliche Vorteile.

Gaddafi über Sarkozy: "Er ist nur wegen meiner finanziellen Unterstützung Präsident geworden"

Rückblickend erscheint der abrupte Wandel in der Beziehung zwischen Sarkozy und Gaddafi erstaunlich und wirft Fragen auf. Kurze Zeit nach seinem Einzug in den Élyseé-Palast schloss Sarkozy Handelsabkommen mit Libyen und empfing Gaddafi mit allen militärischen Ehren, andere Hauptstädte und Staatsoberhäupter der EU folgten unmittelbar.

"Er ist nur wegen meiner finanziellen Unterstützung Präsident geworden", pflegte Gaddafi regelmäßig zu behaupten, wenn die Rede auf den damaligen französischen Präsidenten kam. Auch noch – oder gerade – kurz nach Beginn des Aufstandes in Libyen. Sarkozys Begründung für die westliche Intervention in Libyen war damals schon abenteuerlich genug.

Der französische Mode-Philosoph Bernard-Henri Lévy, in der Bussi-Szene von Paris auch als BHL bekannt, soll Sarkozy damals bedrängt haben, seine angeblichen Freunde in Bengasi vor Gaddafis Truppen zu schützen. Lévy, einst eine Ikone der französischen 68er-Bewegung, nahm später die Pseudo-Fortschrittlichkeit der linken Intelligenz ins Visier und verdammte den "marxistischen Totalitarismus". Doch seine Menschenrechtsdoktrin erinnert in ihrer Rigorosität und Fortschrittsgläubigkeit an seine verblassten marxistischen Dogmen früherer Tage, ein Phänomen, das ja nicht nur in Frankreich zu beobachten ist.

Der Sturz Gaddafis führte schließlich zu einem "failed state" am Mittelmeer, vor den Toren Europas. Libyen ist heute im Grunde in seine aus der Antike bekannten geographischen Bestandteile zerfallen, in Tripolitanien und die Kyrenaika.

Wo blieben Gaddafis Miliarden?

Nach dem Ende der Gaddafi-Herrschaft, auf die unmittelbar das Auseinanderbrechen Libyens folgte, begann die hektische Suche nach den Milliarden, die der langjährige Herrscher im Laufe seiner Herrschaft angehäuft hatte. Ein Jahr später, 2012, schien diese Suche schon am Ende angekommen zu sein. Gerüchte über einen Goldschatz, der angeblich in der Wüste des nordafrikanischen Landes vergraben worden war, machten die Runde.

Abdullah as-Senussi, einst Geheimdienstoffizier von Gaddafis Gnaden, entfachte diesen Goldrausch durch von ihm lancierte Gerüchte. Bis heute konnte dieses arabische El Dorado aber nicht geortet werden. Ferner bot im gleichen Jahr ein ehemaliger libyscher Minister in Wien seine Hilfe beim Aufspüren des verschwundenen Vermögens an. Allerdings schwamm dieser Minister dann mit dem Kopf nach unten in der Donau, der Mord wurde bis heute nicht aufgeklärt. Auch Chefspion Senussi gab am Ende nicht preis, wo genau das angebliche Gold vergraben sei.

Zahlreiche Medien berichteten Anfang 2018 im Rahmen der Enthüllungen der sogenannten Panama Papers, dass der langjährige Herrscher seit dem Sturz der libyschen Monarchie im Jahr 1969 – der Gaddafi an die Macht brachte – durch ein Geflecht aus geheimen Briefkastenfirmen, geheimen Konten und undurchsichtigen Firmenbeteiligungen ein Vermögen beiseite geschafft hatte. Das Öl hatte Libyen und Gaddafi reich gemacht. Zwischen 100 und 200 Milliarden Dollar soll er am Ende besessen haben.

Die UNO verfügte nach dem Tod Gaddafis, dass das libysche Geld im Ausland eingefroren wird, bis sich das Land stabilisiert hat. Dann werde es dem libyschen Volk zur Verfügung gestellt. Inzwischen ist Libyen instabiler als zu Zeiten Gaddafis. Um das Vermögen Gaddafis ranken sich noch immer Legenden. Obwohl ein Teil des Geldes eingefroren wurde, fließen Monat für Monat Millionen an unbekannte Empfänger im Ausland. 

Haftars Vormarsch stockt

Das Politikportal Politico fand im Rahmen einer investigativen Recherche heraus, dass alle Zinsen, Dividenden und sonstigen Erträge, die auf das ursprüngliche Vermögen anfallen, von den Sanktionen nicht betroffen sind.

Wer erhält diese Gelder? Der ehemalige CIA-Agent Robert Baer wies in einem Interview darauf hin, dass der Staatsfond der Libyischen Investitionsbehörde (Libyan Investment Authority, LIA) der Hauptempfänger der Gelder in Millionenhöhe ist, was auch die Recherchen von Politico bestätigen.

Die LIA wurde 2006 noch von Gaddafi selbst gegründet. Wer aber dort konkret auf das Geld zugreifen kann, ist bisher nicht ermittelt worden, schon aufgrund der anhaltenden innenpolitischen Wirren im Lande. Inzwischen ist Haftars Vormarsch allerdings zum Stillstand gekommen. Der 76-Jährige lebte jahrzehntelang in den USA und hat auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Von Washington wurde er gezielt gegen Gaddafi aufgebaut, weshalb er erst nach dessen Sturz in seine Heimat zurückgekehrt ist.

USA suchen weitere Vorwände für Sanktionen gegen Russland

Moskau wies unterdessen amerikanische Vorwürfe zurück, dass in Libyen russische Söldner eingesetzt werden. Kremlsprecher Dmitri Peskow ließ diesbezüglich verlautbaren, viele Länder haben nicht das moralische Recht, über die Destabilisierung Libyens zu sprechen, nachdem sie das Land 2011 durch Handlungen zerstört haben, die gegen internationales Recht verstoßen.

Ferner sprach Peskow von "falschen Gerüchten" und "reinen Erfindungen". Die von Washington lancierten Gerüchte sehen ein russisches Sicherheitsunternehmen am Werk, das Söldner an alle Welt vermietet und im Westen "Wagner-Gruppe" genannt wird. Die von den USA ausgehenden Gerüchte drehen sich bisher im Wesentlichen um ein mehr oder weniger privates russisches Sicherheitsunternehmen, das zahlungsfähigen Kunden in aller Welt Söldner vermietet. Doch damit nicht genug. Inzwischen behaupten einflussreiche Stellen im US-Außenministerium, dass Moskau zur Unterstützung Haftars reguläre Streitkräfte in Libyen stationiert. Das alles, ohne Beweise zu liefern. Dafür hat man schon ein Gesetz zur Hand, das unter dem Namen "Libya Stabilization Act" fungiert und mit dem Sanktionen verhängt werden können, um dem angeblichen russischen Einfluss in Libyen entgegenzuwirken.

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