In den vergangenen Tagen wurde Whistleblowern in prominenten deutschen Medien gehuldigt, schließlich riskieren sie nicht selten ihre gesamte Existenz dafür, dass die Öffentlichkeit von einer sie betreffenden Wahrheit erfährt. Zudem kommt der Film "Official Secrets" in die Kinos, der auf der wahren Geschichte der Britin Katharine Gun basiert. Gun erfuhr kurz vor der Irak-Invasion als Übersetzerin beim britischen Nachrichtendienst, wie der US-Geheimdienst NSA die britischen Partner auffordert, belastendes Material gegen UN-Delegierte zu sammeln, um diese damit zur Zustimmung der UN-Resolution für den Irakkrieg zu bewegen.
Während der Spiegel-Titelaufmacher zum Thema ausgerechnet Julian Assange überging, zeigt sich gerade an seinem Fall, dass Whistleblower grundlegende Menschenrechte aufs Spiel setzen, wenn sie sich entscheiden, unliebsame Staatsgeheimnisse preiszugeben.
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Darunter auch das Recht auf Privatsphäre, wie jetzt die italienische Enthüllungsjournalistin Stefania Maurizi in La Repubblica beschreibt.
Demnach wurde jahrelang nicht nur er selbst 24 Stunden am Tag ausspioniert, sondern auch jeder seiner Besucher. Zudem wurden alle Unterhaltungen in der ecuadorianischen Botschaft aufgezeichnet, in die der Gründer von WikiLeaks geflüchtet war.
Die Video- und Audioaufnahmen habe das Sicherheitsunternehmen Undercover Global S.L (kurz UC Global) an den US-Geheimdienst weitergeleitet. Sie liegen der Autorin vor, die selbst von den damit verbundenen Verstößen gegen Vertraulichkeit journalistischer Quellen betroffen war. Dabei wurden die Journalisten nicht nur durch die Aufzeichnungen ausspioniert, sondern auch ihre Mobiltelefone und USB-Sticks.
WikiLeaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson hatte bereits auf einer Pressekonferenz in London im Frühjahr von der Totalüberwachung gesprochen, die aufgefallen sei, nachdem jemand in Spanien versucht habe, Videos und Fotos von Assange für drei Millionen Euro zu verkaufen.
Die exzessive Überwachung wurde bestätigt, nachdem Richter José de la Mata vom spanischen Nationalen Gerichtshof (Audiencia Nacional) eine Untersuchung gegen das Sicherheitsunternehmen UC Global eingeleitet hatte, das seinen Sitz in Jerez de la Frontera in Südspanien hat. Die Untersuchung, darunter Durchsuchungen des Büros, lief unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Der Eigentümer des Unternehmens David Morales soll die Aufzeichnung der privaten Gespräche angeordnet und die gesammelten Informationen den Geheimdiensten der Vereinigten Staaten zugänglich gemacht haben. Er wurde verhaftet und inzwischen gegen Kaution freigelassen.
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Morales, ein Ex-Militär, soll mehreren seiner Mitarbeiter offenbart haben, dass erauch "für die Amerikaner" arbeite, obwohl er von der Regierung des damaligen ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa für die Gewährleistung der Sicherheit in der Botschaft angeheuert worden war. Besonderes Augenmerk verlangte er von ihnen im Hinblick auf Besuche "russischer und amerikanischer Bürger".
Die Überwachung wurde noch einmal verschärft, nachdem Lenín Moreno im Mai 2017 neuer Präsident Ecuadors wurde. Moreno war es, der Assange an die britischen Behörden auslieferte.
Mehrere Videokameras, die mit Audioaufzeichnungsfunktion ausgestattet waren, nahmen zwischen Dezember 2017 und März 2018 Dutzende von Treffen zwischen dem Gründer von WikiLeaks und seinen Anwälten und Besuchern auf, bei denen es auch um die rechtliche Strategie von Assanges Verteidigung ging.
Laut Maurizi wurde von den Aufzeichnungen, die von der Trump-Administration intensiviert wurden, nichts und niemand verschont. Selbst vor vertraulichsten und intimsten Situationen hätten die Spione nicht Halt gemacht: So wurden etwa medizinische Untersuchungen des halbnackten Assanges oder vertrauliche Gespräche seiner Anwälte, aber auch der ecuadorianische Botschafter Carlos Abad Ortiz und seine Mitarbeiter während eines diplomatischen Treffens aufgenommen. Der französische Anwalt Juan Branco veröffentlichte per Twitter einen kleinen Ausschnitt, in dem er selbst bei einem Treffen mit Assange gefilmt wurde. Er plant, juristisch gegen die Überwacher vorzugehen.
Das bin ich mit Assange. Und die Kamera ist die CIA. Zwei Jahre systematische Spionage nach Trumps Wahl, um seine Freilassung zu verhindern. Zwei Jahre Belästigung, Beschattung, versteckte Mikrofone, Einschüchterung, Infiltration.
Maurizi beschreibt weiter mitunter absurde Spionageoperationen. So hätten Spione gar geplant, die Windel eines Babys zu stehlen, das bei einem Besuch zu Assange in der Botschaft dabei gewesen war, um aus dem Kot per DNA-Test zu ermitteln, ob es sich um einen heimlichen Sohn Assanges handeln könnte.