von Nebojša Malić. Übersetzt aus dem Englischen.
An der Spitze der türkischen Invasion stehen neben den Türken die "Freie Syrische Armee" und andere "moderate" Militante, die von den westlichen Mainstream-Medien seit Jahren als Opfer des "völkermordenden Monsters" Baschar al-Assad in Damaskus dargestellt und mit Propaganda gefördert werden. Jetzt sind die ach so edlen "Rebellen" jedoch die eindeutigen Übeltäter, und Assad ist Teil der rettungsbringenden Kräfte – zumindest wenn es um die Kurden geht. Dafür beklagen die Medien den "Verrat" des US-Präsidenten Donald Trump an den kurdischen Verbündeten. Da bekommt man ja Kopfschmerzen!
Gute und böse Terroristen
"Wenn türkische Streitkräfte gegen die Kurden kämpfen, nennt man sie in den Medien völkermörderische Wahnsinnige und IS-Helfer", tweetete der Politikprofessor und Autor Max Abrahms. "Wenn Verbündete der türkischen Truppen gegen Assad kämpfen, nennen die Medien sie Rebellen und Revolutionäre."
Medien wie die Washington Post beschreiben jetzt genau die gleichen Terrormilizen als "verrückt und unzuverlässig", die sie nur wenige Monate zuvor als "moderate Rebellen" verteidigt haben, betonte der Journalist Aaron Maté:
Seit vielen Jahren sind linksgerichtete Journalisten und andere Schmierenkampagnen und Angriffen ausgesetzt, weil sie auf das hingewiesen haben, was jetzt offen anerkannt wird: Mörderische Milizen – auch bekannt als 'moderate Rebellen' –, die früher einen von den USA/den Golfstaaten/der Türkei unterstützten Stellvertreterkrieg in Syrien führten, 'sind verrückt und unzuverlässig'.
Er verweist auf den Bericht der Washington Post, in dem es heißt:
Auch wenn der hochrangige Regierungsbeamte erklärte, 'die Türken haben uns Garantien gegeben', dass US-Kräfte keinen Schaden nehmen, seien die mit ihnen verbündeten syrischen Milizen dabei, 'die Straßen rauf und runter zu rennen, Hinterhalte aufzustellen und Fahrzeuge zu beschießen.' Die als die Freie Syrische Armee bekannten Milizen seien 'verrückt und unzuverlässig'.
"Es gibt sicher einige Apologeten der Stellvertreterkriege, die vorher die FSA bejubelten – jetzt aber angesichts derer an syrischen Kurden verübten Grausamkeiten ziemlich gequält wirken", tweetete Maté. Sie sollten jedoch erst dann ernst genommen werden, schrieb der Journalist, wenn sie sich bei denjenigen entschuldigt haben, die sie zuvor als "Assadisten" verschrien – einzig und allein dafür, dass sie die ganze Zeit recht hatten.
Einsicht ohne Reue
Entschuldigt hat sich zwar niemand, doch gab es viel verzweifeltes Haareraufen bei den westlichen Journalisten. Hier zum Beispiel ein Tweet von Danny Gold von PBS NewsHour, der die Entdeckung beklagt, dass ein militanter Regierungsgegner, in dessen Einheit er einst für Vice als Embedded Journalist arbeitete, nun an der Invasion der Türkei in Nordsyrien teilnimmt:
Habe Facebook geöffnet – und gesehen, dass ein Kämpfer, in dessen Einheit ich 2013 embedded war, in einer der von der Türkei unterstützten Gruppen aktiv ist, die gerade Nordostsyrien angreifen. Er stammt aus Raʾs al-ʿAin, war ursprünglich in einer gemischten kurdisch-arabischen FSA-Gruppe, die dort 2013 gegen die YPG kämpfte.
Verrat, Terror und Völkermord und ihre wahren Opfer
Wenn man diese Woche die westliche Mainstream-Presse so liest, könnte man meinen, dass sie die wahren Opfer der Entwicklungen der letzten Woche sind – und nicht etwa die syrischen Kurden, deren Schicksal sie beklagen –, weil das Narrativ, das sie seit 2011 erarbeitet und gepflegt haben, nun auseinanderfällt. Der türkische Einmarsch enthüllte nicht nur die wahre Natur der "gemäßigten Rebellen": Er diente auch als Anlass zum allgemeinen Rückzug der USA aus Syrien und einem Deal zwischen den Kurden und der syrischen Regierung, den Washington zuvor jahrelang blockierte.
Dieselben Journalisten, die Assad jahrelang als völkermörderischen Kriegsverbrecher verteufelten und Trump eine ganze Woche lang beschuldigten, die Kurden dem türkischen "Völkermord" auszuliefern, arbeiten sich nun daran ab, dass die Syrisch-Arabische Armee zur Verteidigung der Kurden vor dem Angriff der Türkei in deren Siedlungsgebiete eingerückt ist.
Es erübrigt sich fast zu sagen: Die Sache läuft nicht so gut.
"Trump hat die Kurden in die Arme Russlands getrieben", twitterte Edward Luce, Chefkolumnist der Financial Times. Er beschrieb die aktuelle Entwicklung in Syrien als eine Katastrophe von globalem Ausmaß, als eine Entflechtung der Weltordnung gar, die nur dem Kreml zugutekomme.
"Ich weiß nicht, ob es zu spät ist, den guten Leumund, den Amerika in den meisten Teilen der Welt hatte, wiederherzustellen", erklärte Luce am Montag auf Twitter. Der Journalist schrieb dazu weiter:
Hervorzuheben ist das Ausmaß der Katastrophe, die Trump in der Woche seit seinem Anruf bei Erdoğan ausgelöst hat. 1. Den IS wiederbelebt. 2. Assads Griff um Syrien gefestigt. 3. Russland ein weiteres Mal geopolitischen Rückenwind verliehen. 4. Die Kurden verraten. 5. Die Macht der USA unermesslich beschädigt.
Der Journalist Max Blumenthal beschrieb Luces Tweets als Ausdruck der "Panik über das Schwinden eines Imperiums". Man beachte: Es sind dort wenige oder gar keine Sorgen um das Wohlergehen der Syrer festzustellen, die seit über acht Jahren unter Stellvertreterkriegen und dem IS-Terror leiden, ja nicht einmal Mitgefühl mit den Kurden, deren Leid ja der ursprüngliche Anlass für all das Haareraufen war – bis genau zu dem Zeitpunkt, als sie den Deal mit Damaskus eingingen.
Es ist schon schwer zuzugeben, dass man falsch gelegen hat – deshalb tun die meisten Journalisten das auch nie. Viel einfacher ist es, Russland zu beschuldigen – wie sie es seit den US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 tun. Schon das Brexit-Referendum zeigte, wie schrecklich weit sie sich von ihren eigenen Gesellschaften entfernt hatten. Und was Syrien gezeigt hat, ist das Ausmaß, in dem dies auch für die internationale Berichterstattung gilt. Auf eine Entschuldigung ihrerseits kann man allerdings lange warten – sie sind doch die wahren Opfer bei der ganzen Sache, schon vergessen?
Nebojša Malić ist ein serbisch-US-amerikanischer Journalist und politischer Kommentator.
RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
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