Vergangenen Freitag trafen sich in Wien die nach dem US-Ausstieg verbliebenen Vertragspartner des JCPOA-Abkommens. Nach der 12. Sitzung der Joint Commission, die die Umsetzung des Atomabkommens mit dem Iran kontrolliert, verkündeten die Vertreter von Deutschland, Frankreich und Großbritannien, dass die Zweckgesellschaft INSTEX endlich operationell ist. Damit ist das Gerüst nach langem Gezerre einsatzbereit, um mit dem seit Ende März eingerichteten iranischen Gegenstück STFI (Special Trade and Finance Institute) den Handel aufzunehmen.
Dabei fungieren die Zweckgesellschaften, an denen die Gründerstaaten beteiligt sind (INSTEX wird für EU- und Nicht-EU-Staaten offen sein), als eine Art Tauschbörsen. Es ist ein kompliziertes Verfahren, bei dem es zu keinen finanziellen Transaktionen zwischen Europa und dem Iran kommen wird, wonach sich Banken vor US-Sanktionen fürchten. Die italienische Bank Unicredit steht vor einer 900 Millionen US-Dollar Strafzahlung an das US-Finanzministerium, weil sie Überweisungen von und nach den Iran vorgenommen hatte. Dass Banken solche Strafen zahlen und damit de facto die US-Gesetzgebung als übergeordnetes Gesetz anerkennen, zeigt, welche Macht die Vereinigten Staaten von Amerika nach wie vor über Europa ausüben.
Genau aus diesem Grund betrachten die USA das europäische Projekt INSTEX als ersten Schritt, sich aus dieser Umklammerung zu lösen. Entsprechend schrill sind auch die Töne, die Washington in Richtung Europa feuert. In einem Brief vom 7. Mai an INSTEX-Präsident Per Fischer warnte der US-Staatssekretär für Terrorismus im Finanzministerium, Sigal Mandelker, dass jeder, der mit INSTEX in Zusammenhang gebracht wird und einen Handel mit dem Iran unter Umgehung von US-Sanktionen betreibt, mit "schweren Konsequenzen" rechnen müsse. Diese könnten einen "Ausschluss vom Zugang zum US-Finanzsystem" bedeuten. RT fragte bei der Bundespressekonferenz nach und wollte wissen, wie die Bundesregierung deutsche Unternehmen vor US-Drohungen schützen will, und erhielt eine äußerst schwammige Antwort darauf.
Wo die USA ihren Führungsanspruch mit finanzieller Gewalt durchsetzen wollen, hat INSTEX bisher eher symbolischen Charakter. Obwohl bisher lediglich Geschäfte im pharmazeutischen, medizinischen und landwirtschaftlichen Bereichen über die neuen Zweckgesellschaften abgewickelt werden sollen, sieht der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif durchaus den strategischen Wert dahinter:
Obwohl es nicht den Forderungen der Islamischen Republik entspricht, (oder) den Verpflichtungen der Europäer, … hat es einen strategischen Wert (in dem es zeigt), dass die allernächsten Alliierten der Vereinigten Staaten sich selbst von Amerika in ihren wirtschaftlichen Beziehungen distanzieren. … Das wird mit Sicherheit langfristige Effekte haben.
Nicht alle im Iran teilen diese Sichtweise von Sarif. Denn nur mit den vorerst vorgesehenen Bereichen lassen sich die Auswirkungen der US-Sanktionen nicht abfedern. Deshalb fordert Ölminister Bijan Namdar Zanganeh, dass auch die iranischen Ölexporte über INSTEX abgewickelt werden. "Ohne Öl-Deal ist es sehr klar, (dass) INSTEX nicht funktionieren wird", sagte er in einem Interview dem Nachrichtensender Bloomberg.
Während die EU sich weiter darum bemüht, eine Lösung für den Export von niedrig angereichertem Uran und Schwerwasser aus dem Iran zu finden, nachdem die USA diesem Bestandteil des Atomabkommens die Erlaubnis entzogen hatten, wird sich die Frage um einen Öl-Deal in den nächsten Wochen und Monaten noch weiter zuspitzen. Denn damit INSTEX überhaupt funktionieren kann, braucht es ein Handelsgleichgewicht in diesem Tauschsystem.
Sollten sich weitere EU-Staaten und Nicht-EU-Staaten an INSTEX beteiligen und das Handlungsfeld erweitern, wird es zwangsläufig ein Ungleichgewicht geben, welches mit iranischen Ölexporten ausgeglichen werden kann. Bis das nicht der Fall sein wird, kann man davon ausgehen, dass Teheran den Druck auf die EU-Vertragspartner des JCPOA weiterhin hochhalten wird.
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