Der Streit zwischen Ankara und Washington um den eigentlich bereits abgeschlossenen Kaufvertrag von russischen S-400-Luftabwehrsystemen nimmt immer größere Dimensionen an. Obwohl am Wochenende die Präsidenten beider Staaten eher versöhnliche Töne angestimmt hatten, sprachen anonyme türkische Regierungsvertreter jetzt von einem potentiell explosiven Schritt für die Beziehungen zwischen beiden NATO-Staaten.
Die türkische Regierung werde sich demnach nach Alternativen umschauen müssen, sollte sie im Rahmen von US-Sanktionen wegen des Ankaufs von russischen S-400-Systemen aus dem F-35-Programm der Vereinigten Staaten ausgeschlossen werden. Dabei schloss sie nicht aus, auch russische Kampfjets anzuschaffen. Zugleich werde in diesem Fall die Türkei auch anstreben, eigene Kampfflugzeuge und Raketen zu entwickeln, wie die Beamten gegenüber dem US-Wirtschaftsportal Bloomberg erklärten.
Ein derartiger Schritt hätte ernsthafte und lang anhaltende Folgen für die Beziehungen zwischen den zwei NATO-Verbündeten. Zuletzt sanktionierten die USA das türkische Militär für einige Jahre nach der türkischen Invasion Zyperns im Jahr 1974.
Noch vor wenigen Tagen waren beide Seiten auf dem G20-Gipfel in Japan sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht. So hatte US-Präsident Donald Trump Verständnis für den türkischen Wunsch geäußert, sich russische S-400-Systeme anzuschaffen, da die Vorgängerregierung in Washington unter Barack Obama Ankara verwehrt habe, US-Patriot-Systeme zu kaufen. Er wolle die Türkei "bald" besuchen, um die Beziehungen zum NATO-Verbündeten zu stärken. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sprach sogar davon, dass Trump ihm gegenüber erklärt habe, die Türkei müsse keine Sanktionen befürchten.
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