Die italienische Politikwissenschaftlerin Nathalie Tocci ist Direktorin des Istituto Affari Internazionali in Rom und Honorarprofessorin an der Universität Tübingen. Und sie ist Sonderberaterin von Federica Mogherini, der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Wenn sie mit Medien über außenpolitische Themen spricht, dann kann man davon ausgehen, dass sie diese Sichtweise auch bei Mogherini vertritt.
In einem RT-Interview mit Sophie Schewardnadse, der Enkelin des ehemaligen sowjetischen Außenministers und georgischen Präsidenten, sagte Tocci, dass Trump "in eine ganz andere Richtung geführt" wurde als jene, die er womöglich ohne Boltons Politik eingeschlagen hätte. Bei der Frage, warum sie den Beteuerungen von Trump keinen Glauben schenkt, dass er keinen Regimewechsel im Iran anstrebt, meinte Tocci, dass John Bolton ganz klar eine andere Position einnimmt. Und er scheint derjenige zu sein, der die Regierungspolitik für den Iran schreibt.
Leider sieht es im Moment für mich so aus, dass die Iran-Politik der USA einen sehr klaren Autor hat, und dieser Autor ist nicht der Präsident der Vereinigten Staaten.
Nathalie Tocci merkte an, dass Boltons Enthusiasmus für einen Regierungssturz im Iran "viel weiter" zurückreicht als Trump, zur "Bush-Administration und sogar noch weiter". Deshalb empfahl sie:
Vielleicht sollte (Trump) es versuchen und seinen nationalen Sicherheitsberater auswechseln, der ganz klar eine ganz andere Position zu diesem (Thema) einnimmt.
Mogherinis Sonderberaterin zeigte auch Verständnis für die Schritte, die der Iran bezüglich des vor dem Aus stehenden Atomabkommens unternommen hat. "Wenn ich der Iran wäre, dann würde ich wahrscheinlich auch nicht im JCPOA bleiben, weil es in der Tat so ist, wie ich es gesagt habe, der Gesellschaftsvertrag nur dann eingehalten werden kann, wenn sich beide Seiten dazu verpflichtet fühlen", sagte Tocci weiter.
Ähnlich äußerte sie sich auch in einem Interview mit der britischen BBC, wo sie klarstellte, dass die Spannungen zwischen den USA und dem Iran aufgrund der "Verletzung" des Atomabkommens durch Washington stattfinden.
Doch nicht nur Tocci sieht den Ausgangspunkt der Probleme bei dem widerrechtlichen Ausstieg der USA aus dem mühsam ausgehandelten Atomabkommen mit dem Iran. Auch Christoph Heusgen, deutscher Botschafter bei den Vereinten Nationen, kritisierte Washington deswegen bei einer Veranstaltung der Körber-Stiftung im Auswärtigen Amt in Berlin vergangenen Mittwoch (12. Juni).
Ganz offen sprach Heusgen aus, dass der oft als "Rückzug" der USA aus dem JCPOA-Vertrag bezeichnete Vorgang ein "Bruch von internationalem Recht" war. Und er finde es bedenklich, dass sich "die Einstellung verbreitet, internationales Recht ohne Konsequenzen zu brechen". Allerdings ließ er unerwähnt, welche Konsequenzen den Vereinigten Staaten von Amerika drohen und wer diese einfordern sollte. Die Bundesregierung wird das aber wohl nicht sein.
Stattdessen muss Berlin hilflos mit ansehen, wie die USA seit 2002 die europäische Sicherheitsstruktur Stück für Stück auseinandernehmen, angefangen mit der Aufkündigung des ABM-Vertrages durch US-Präsident George W. Bush.
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