New York Times: USA haben Cyberattacken gegen Russlands Stromnetz ausgeweitet

Wenige Tage nachdem der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Trump, John Bolton, Russland mit "ihr werdet dafür bezahlen" gedroht hatte, veröffentlichte die New York Times einen Artikel, der von Cyberangriffen auf das russische Stromnetz berichtet.

Noch vor wenigen Tagen sprach John Bolton bei einer Veranstaltung des Wall Street Journal darüber, dass "die Art und Weise, wie die Regierung der Vereinigten Staaten Entscheidungen über offensive Cyberoperationen trifft, grundlegend verändert" wurde. Gemeint ist damit eine präsidiale Direktive (National Security Presidential Memoranda 13) von Donald Trump, die er vor einem Jahr unterzeichnet hat, dessen Inhalt aber noch immer unter Verschluss gehalten wird.

Mit dieser Direktive wurden laut New York Times dem Cyber Command größere Machtbefugnisse erteilt, um im eigenen Ermessen offensive Cyberoperationen durchzuführen. Demnach müsste General Paul Nakasone, der Chef des United States Cyber Command, keine Genehmigungen bei Präsident Trump einholen, um solche Aktionen durchzuführen.

Somit hätten die USA Schadsoftware in Russlands Stromnetz platziert, allerdings noch nicht aktiviert. Man fürchtet die Reaktion aus Moskau, nachdem die eigene Infrastruktur als anfälliger für Gegenschläge bewertet wurde. Trotzdem freut man sich über die neu gewonnenen Freiheiten im Cyberraum, die die US-Regierung gewährt hat, wie ein anonymer Geheimdienstler erklärt:

Es ist viel, viel aggressiver seit dem vergangenen Jahr geworden. Wir tun Dinge in einer Größenordnung, die wir vor ein paar Jahren nie in Betracht gezogen haben.

Dabei laufen die Cyberoperationen gegen Russland bereits seit mindestens sieben Jahren, also noch während der Amtszeit von Barack Obama und zwei Jahre vor 2014, das als Wendepunkt in den Beziehungen zwischen West und Ost gilt. Schon damals haben die USA Überwachungsprogramme in Kontrollsysteme des russischen Stromnetzes eingesetzt, um die Grundlage für spätere Schadsoftware zu legen.

Ebenfalls unter die Regierungszeit von Obama fallen die Cyberangriffe gegen den Iran, wie zum Beispiel der Stuxnet-Virus, der erhebliche Schäden angerichtet hat. Eine weitere Operation, die lediglich auf Eis gelegt wurde, war Nitro Zeus. Mit dieser Operation sollte der Iran online ausgeschaltet werden, um "das Schlachtfeld vorzubereiten", wie es aus Pentagon-Kreisen hieß. Nitro Zeus hatte es auf die Lahmlegung des iranischen Stromnetzes und das Ausschalten des gesamten Kommunikationsnetzwerkes abgesehen.

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In dem Bericht der New York Times heißt es weiter, dass auch Russland ähnliche Schadsoftware in das US-Stromnetz platziert habe, aber bisher nie in die Tat umgesetzt hat. Deshalb wollte man jetzt eine Art strategische Parität mit Moskau erlangen oder "vorwärts verteidigen", wie es General Nakasone nannte. Er gehört zu jenen Stimmen in Washington, die schon lange für eine aggressivere Cyberpolitik werben und bei John Bolton auf offene Türen stießen. Bei seiner Bestätigungsanhörung vor dem Senat lamentierte er, dass "sie (die Russen/Anm.) uns nicht fürchten".

Es geht also auch um psychologische Kriegsführung, was in dem Artikel und auch aus Boltons Interview vergangene Woche deutlich wird. Denn bevor der Bericht veröffentlicht worden ist, wurde er von niemand geringerem als dem Nationalen Sicherheitsrat der USA freigegeben, dessen Vorsitz Bolton hat. Washington will als starker und mächtiger Akteur wahrgenommen werden, was sich auch in der Aussage bei seinem Gespräch mit dem Wall Street Journal widerspiegelt:

Wir werden euch so lange dafür bezahlen lassen, bis ihr das begriffen habt.

Ob tatsächlich eine Schadsoftware in das russische Stromnetz eingesetzt wurde oder nicht, bleibt abzuwarten. Zumindest wäre es per US-Gesetz als legal zu werten, nachdem der Kongress den Verteidigungshaushalt für 2019 abgesegnet hatte, in welchem explizit "heimliche Militäraktivität" im Cyberraum genannt wird, um "gegen Angriffe oder schädliche Cyberaktivitäten gegen die Vereinigten Staaten abzuschrecken, beschützen oder zu verteidigen."

Interessanterweise ist es ausgerechnet Donald Trump, der über Twitter diese Vorgänge gegen Russland in Abrede stellt. Er bezeichnet es sogar als "virtuellen Akt des Verrats" der New York Times, was diese natürlich umgehend mit dem Hinweis konterte, dass der Bericht doch "der Regierung vor der Veröffentlichung beschrieben wurde" und es keine Einwände dazu gab.

Dieser Austausch zwischen dem US-Präsidenten und einer der einflussreichsten Zeitungen der USA wirft nur weitere Fragen auf. Wusste Trump tatsächlich nichts über diese Cyberattacken gegen Russland, wie es etwa in dem Artikel durch nicht genannte Quellen behauptet wird? Oder wusste er davon, und es war ihm peinlich, dass es veröffentlicht wurde? Eine andere Möglichkeit wäre, dass die New York Times von US-Geheimdiensten und selbst Boltons Büro missbraucht wurde, um ein "Signal" an Russland zu senden, dass man es ernst meint.

Darauf bei einer Pressekonferenz am Montag angesprochen, meinte Dmitri Peskow, Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass, soweit er informiert ist, Trump diesen Bericht dementiert habe. Doch wenn man davon ausgehen würde, dass "einige Geheimdienste darin involviert sind, ohne den Präsidenten darüber zu informieren, dass diese Information gewiss auf eine hypothetische Möglichkeit hindeutet, dass, sagen wir, alle Zeichen eines Cyberkrieges und Cyberkriegsführung gegen Russland (deuten)."