Pompeo über britischen Oppositionschef: USA würden Corbyn stürzen

Und wieder wurde US-Außenminister Mike Pompeo heimlich mitgeschnitten. Dieses Mal bei einem jüdisch-amerikanischen Treffen, als ihm die Frage gestellt wurde, was die USA zum Schutz für Juden in Großbritannien im Falle eines Wahlsieges von Jeremy Corbyn tun würden.

Eigentlich ging es bei dem Treffen hinter verschlossenen Türen zwischen US-Außenminister Pompeo und Vertretern der Conference of Presidents of Major American Jewish Organizations um die Besprechung des "Jahrhundertdeals" für Israel und die Palästinenser. Dabei zeigte sich Pompeo alles andere als überzeugt von den Plänen, die Jared Kushner, der Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, ausgearbeitet hatte. "Er hat zwei gute Dinge und neun schlechte Dinge, ich bin raus", hörte man Pompeo in einer heimlichen Aufnahme sagen.

Wie erst jetzt bekannt wurde, fragten die jüdisch-amerikanischen Vertreter den Außenminister auch, ob er "bereit wäre, mit uns zusammenzuarbeiten, um aktiv zu werden, sollte das Leben für Juden in Großbritannien schwierig werden". Mit ihren Befürchtungen brachten sie explizit eine mögliche Wahl von Labour-Chef Jeremy Corbyn zum Ministerpräsidenten als vermeintliche Gefahr für britische Juden in Verbindung. Seit Monaten schon läuft gegen Corbyn und seine Partei eine Hetzkampagne, mit dem Vorwurf, antisemitisch zu sein.

Pompeo antwortete mit klaren Worten auf diese Frage:

Es kann sein, dass es Herrn Corbyn gelingt, den Spießrutenlauf zu überstehen und gewählt zu werden. Es ist möglich. … Sie sollten wissen, wir werden nicht auf ihn warten, bis er solche Dinge tut, um (ihn) zurückzudrängen. Wir werden unser Bestmöglichstes tun.

Damit stellte der US-Außenminister klar, dass die Vereinigten Staaten von Amerika nicht zögern werden, sich aktiv in die britische Politik einzumischen, um Corbyn aus dem Amt zu jagen, bevor überhaupt irgendetwas geschieht. Welche vermeintliche Gefahr von Corbyn für die jüdische Gesellschaft in Großbritannien ausgehen sollte, benannte Pompeo nicht. Er sprach lediglich von "solchen Dingen".

Hingegen macht der US-Regierung die sozialistische Haltung von Jeremy Corbyn gewiss viel größere Sorgen. Er hatte bereits Kontakte zu Alexandria Ocasio-Cortez geknüpft, der linken Kongressabgeordneten der Demokraten und Mitglied der Democratic Socialists of America (DSA), die als mögliche Präsidentschaftsanwärterin für 2024 gilt. Für Donald Trump – und viele andere Profiteure des Turbokapitalismus – steht hingegen fest, dass "Amerika niemals ein sozialistisches Land sein wird" und dass deshalb sogar Politiker wie Bernie Sanders, Ocasio-Cortez und eben auch Jeremy Corbyn schon als Bedrohung wahrgenommen werden müssen.

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Was für Ausmaße die Hetzjagd gegen den Labour-Vorsitzenden in Großbritannien bereits angenommen hat, zeigt ein Vorfall am 19. Mai bei einer Konferenz des Board of Deputies of British Jews (BoD), der bedeutendsten Organisation der britischen Juden. Die gesamte Konferenz konnte man mit einem Livestream verfolgen. Sie verlief bis zum Auftritt des ehemaligen Präsidenten der Organisation, Lionel Kopelowitz, ohne besondere Vorkommnisse. In seiner Rede ging Kopelowitz dann auf die Haltung des BoD gegenüber Corbyn ein und meinte, dass sie "Applaus verdient" habe. Doch er ging noch einen entscheidenden Schritt weiter:

Vielleicht haben sie vergessen, noch das zu sagen: Das Wort Corbyn passt sehr gut zu ihm, denn Corbyn bedeutet auf Hebräisch 'korban', was eine Opfergabe ist. Und ich denke, wir sollten ihn opfern, für all den Ärger, den er verursacht hat.

Da die Konferenz als Live-Stream über das Internet verbreitet wurde, fühlte sich Marie Van Der Zyl als gegenwärtige BoD-Präsidentin genötigt, eben darauf noch explizit hinzuweisen:

Ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie live gesendet werden.

Da es außer diesem Hinweis keinerlei sonstige Reaktion der Präsidentin zu diesem hässlichen Vorfall gab, äußerte sich Jenny Manson, Ko-Vorsitzende der Organisation Jewish Voice for Labour (JVL) gegenüber The Canary dazu:

Es ist, als ob es in einigen Zirkeln eine offene Saison, sogar eine fast freudige Erregung für die Benutzung von Drohungen gibt, die Hass gegen Jeremy Corbyn anstiften könnten. Im Extremfall könnte es gefährlich werden: Man denkt da zum Beispiel an den schrecklichen Mord an Jo Cox. JVL wird das an das Büro der Präsidentin (von BoD) weitergeben und darauf hinweisen, dass sie es erwägen sollten, diesen Vorfall der Polizei zu melden.

Die britische Labour-Partei bestritt stets vehement jegliche Anschuldigungen über angeblichen Antisemitismus. Die Partei ist "vollkommen der Unterstützung, Verteidigung und Religionsausübung der jüdischen Gemeinschaft verpflichtet", sagte ein Sprecher. Und er verurteilte die US-Regierung in scharfer Form:

Die Versuche von Präsident Trump und seinen Beamten zu entscheiden, wer der nächste Premierminister von Großbritannien sein wird, stellt eine vollkommen inakzeptable Einmischung in die britische Demokratie dar.

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