Deutsche US-Botschafterin: Energiesicherheit und Wohlstand nur mit Nord Stream 2

Washington stört sich seit Langem an der Gaspipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Europa. Die deutsche Botschafterin in den USA versuchte, in einem Brief Verständnis für die deutsche Position zu wecken. Derweil bewegt sich Europa rapide auf die US-Interessen zu.

Die Frage nach der europäischen Energieversorgung ist mit dem Projekt Nord Stream 2 zum Zankapfel zwischen Washington und Berlin geworden. Die US-Administration hat seit Langem massive Kritik an der im Bau befindlichen Gaspipeline von Russland nach Deutschland geübt, die Ende 2019 fertig werden soll, nicht zuletzt, weil die USA selbst Deutschland mit ihrem Flüssiggas (LNG) beliefern und sich so Einfluss sichern wollen.

Nun befürchtet Berlin offenbar, dass Washington die Pipeline durch weitere US-Sanktionen gegen Russland torpedieren könnte. Die deutsche Botschafterin in Washington, Emily Haber, hat deshalb im März dieses Jahres in einem Brief an US-Senatoren dargelegt, welche Bedeutung Nord Stream 2 für die europäische Energiesicherheit hat, die durch weitere Sanktionen gegen Moskau gefährdet würde.

Wir sind besorgt, dass der Kongress derzeit erwägt, zusätzliche Energiesanktionen gegen Russland zu verhängen. Solche Sanktionen könnten sich auch auf die Energiesicherheit Europas auswirken.

Dabei könne es Wohlstand in Deutschland und Europa nur mit einer kostengünstigen und zuverlässigen Erdgasversorgung geben, so Haber. Ganz Diplomatin, geht Haber auch auf die vorrangigen US-Interessen bei diesem Streit ein und schreibt, dazu "brauchen wir sowohl LNG (amerikanisches Flüssiggas) als auch russisches Pipeline-Gas".

Haber betont außerdem, dass alle EU-Staaten sich mittlerweile für das Projekt ausgesprochen haben, selbst jene, die möglicherweise zunächst kritisch eingestellt waren.

Import an US-Flüssiggas um fast 300 Prozent gestiegen

Doch die Europäische Union hat nach einem Deal mit US-Präsident Donald Trump im Handelsstreit ihren Import an US-Flüssiggas seit Juli vergangenen Jahres um 272 Prozent gesteigert. Diese Zahl nannte die EU-Kommission am Donnerstag bei einer Konferenz in Brüssel mit dem Titel "1st EU-U.S. Energy Council B2B energy forum".

Die enorme Steigerung der US-Gasexporte in die EU bezog die Kommission auf eine Vergleichszahl für den gesamten Zeitraum von Anfang 2016 bis zu Junckers Treffen mit Trump im Juli 2018: Bis dahin waren insgesamt rund drei Milliarden Kubikmeter aus den USA in die EU verschifft worden; seither kamen etwa 7,4 Milliarden Kubikmeter hinzu. Insgesamt waren es also seit Anfang 2016 rund 10,4 Milliarden Kubikmeter.

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US-Energieminister Rick Perry betonte bei dem Energieforum dennoch erneut die US-Kritik an dem bereits streckenweise fertiggestellten Pipeline-Projekt zwischen Russland und Europa. Seiner Ansicht nach mache Nord Stream 2 Europa abhängig von russischem Gas und erlaube Moskau, Druck auf europäische Staaten auszuüben. Perry äußerte sich vergleichsweise zurückhaltend und lobte die Entscheidung der Bundesregierung, mehr Flüssiggas aus den USA zu importieren und zwei neue Anlandeterminals finanziell zu unterstützen.

LNG zu teuer und ökologisch inakzeptabel

Umweltschützer hingegen protestieren, weil das US-Gas mit der umstrittenen Fracking-Methode gewonnen wird. Auch deutsche Gaskunden hätten nichts davon, denn das US-Gas sei vergleichsweise teuer, so Experten.

Auf dem vorläufigen Höhepunkt des Handelsstreits mit gegenseitigen Strafzöllen war EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Juli 2018 zu Trump gereist und hatte eine Art Waffenstillstand ausgehandelt. Unter anderem sagte Juncker zu, dass die EU mehr US-Flüssiggas abnimmt.

Perry räumte ein, dass US-Flüssiggas teurer ist als russisches Erdgas. Doch könne es nicht nur um den Preis gehen, machte er Anspielungen auf den Automobil-Sektor und beschuldigte Moskau, möglicherweise weniger zuverlässig zu sein als Washington:

Wenn man sich nur darum kümmert, wie billig das Angebot ist, dann wird man womöglich keinen BMW oder Mercedes Benz kaufen oder ein anderes der schönen Automobile aus der Europäischen Union", sagte Perry. "Man kann vielleicht woanders billiger kaufen, aber das ist vielleicht nicht zuverlässig. Mit russischem Gas ist es dasselbe."

Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Claudia Kemfert, meinte zwar, eine Diversifizierung von Zulieferern sei generell sinnvoll, betonte aber auch die preislichen und ökologischen Nachteile von LNG aus den USA.

"Es ist durchaus sinnvoll, stärker auf Flüssiggas zu setzen, aber das amerikanische Frackinggas ist sehr teuer und umweltschädlich, und das widerspricht den Umweltzielen Europas", sagte Kemfert der Deutschen Presse-Agentur. "Auf dem freien Markt gibt es zahlreiche Anbieter, und die sind auch häufig preiswerter."

Große LNG-Exporteure sind nach EU-Angaben zum Beispiel Katar, Nigeria oder Algerien. Insgesamt gebe es auf dem Gasmarkt ein Überangebot, sagte Kemfert:

Aus diesem Grund suchen die Amerikaner offensichtlich Absatzmärkte und sie nutzen Gas als politisches Druckmittel. Das widerspricht ja den Zielen eines freien Marktes. Gas ist hier zur politischen Waffe geworden.

Das große Angebot werde zwar zu insgesamt sinkenden LNG-Preisen führen. "Das gilt aber nicht für gefracktes Gas, Fracking ist vergleichsweise teuer", so die Expertin.

Beim Fracking wird Gas oder Öl mithilfe von Druck und Chemikalien aus Gesteinsschichten herausgeholt, was Gefahren für die Umwelt in sich birgt. Umweltschützer kritisieren auch die Verflüssigung durch starkes Abkühlen, weil diese bis zu 25 Prozent des Energiegehalts des Gases kostet. Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte das Brüsseler Treffen und warnte, wachsende Gasimporte seien insgesamt mit den Klimazielen nicht vereinbar.

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