von Zlatko Percinic
Stünde es nicht schwarz auf weiß in einem 248-seitigen Dokument mit dem Namen "Army Special Operations Forces Unconventional Warfare", würde man die Informationen, die es preisgibt, vermutlich als Verschwörungstheorie abtun. Vergleicht man aber Ereignisse wie aktuell gerade in Venezuela oder zuvor in vielen anderen Ländern wie in Syrien, in Libyen, im Jemen, im Iran oder auch in der Ukraine, dann wird klar, dass all diese Ereignisse die Handschrift dieses Handbuchs tragen.
Obwohl es vom Hauptquartier der US-Armee stammt, macht das Dokument unmissverständlich klar, dass die Armee ein explizites Instrument der US-Regierung ist, um die Interessen Washingtons auf der Welt durchzusetzen. Das bedeutet nicht, dass die Armee immer irgendwo einmarschieren muss, ganz im Gegenteil. Washington kann auf eine breite Palette von "Instrumenten der nationalen Macht der Vereinigten Staaten" zurückgreifen, um die strategischen Ziele zu erreichen. Was das für Instrumente sind, wird in dem Dokument ausführlich beschrieben.
Wie die Römer vor zweitausend Jahren, haben auch die USA die Teile der Welt, die sie dominieren oder dominieren wollen, in eine Art Provinzen aufgeteilt. Nur heißen diese Gebiete nicht Provinzen, sondern Combatant Commands. Die Aufgabe des Oberkommandierenden Generals eines solchen regionalen Kommandos ähnelt denn auch jenen des antiken römischen dux limitis. Er teilt sich die Macht mit den US-Botschaftern in den einzelnen Ländern, mit denen die US-Regierung diplomatische Beziehungen unterhält. Offiziell lautet die Stellenbeschreibung des Geographic Combatant Commanders (GCC) wie folgt:
GCCs sind für die Integration der militärischen Aktivitäten in die diplomatischen Aktivitäten in ihrem Verantwortungsgebiet verantwortlich. Der US-Botschafter und das entsprechende Country Team (des regionalen Combatant Commands/Anm.) betreuen normalerweise die diplomatisch-militärischen Aktivitäten im Ausland.
Instrumente der nationalen Macht der Vereinigten Staaten
Zu den wichtigsten Instrumenten der US-Regierung zur "Erreichung der strategischen Ziele" gehört die Möglichkeit Washingtons, Einfluss auf globale Handels- und Finanzströme zu nehmen. Dazu heißt es in dem Dokument:
ARSOF (Army Special Operations Forces) ist der Meinung, dass eine gut integrierte Manipulation wirtschaftlicher Macht eine Komponente der UW (Unkonventionelle Kriegsführung/Anm.) sein könnte und sollte. Die Vereinigten Staaten können einen verwalteten Zugriff auf den US-Wirtschaftsbeitrag nutzen, um Druck auf die Politik und Kooperation von staatlichen Regierungen auszuüben. Durch wirtschaftliche Anreize und Abschreckung – reale, implizierte oder einfach identifizierte – können internationale Koalitionen aufgebaut und unterhalten werden, die unkonventionelle Kriege der USA führen oder unterstützen.
Als Ziele dieser wirtschaftlichen "Waffe", wie es weiter heißt, gelten nicht nur Gegner, sondern auch Alliierte der USA. Denn so ließe sich das unerwünschte "Verhalten" auf allen Ebenen modifizieren. Die USAID (United States Agency for International Development) wird als eine Möglichkeit genannt, um den Hebel der wirtschaftlichen Anreize gerade in Ländern anzuwenden, die noch nicht vollumfänglich in das von den USA angeführte westlich-kapitalistische System eingegliedert sind.
Eine weitere und noch viel effizientere Möglichkeit zur Einflussnahme und gleichzeitig Ausübung der globalen Hegemonie, ist die "Manipulation der finanziellen US-Stärke". Als maßgebliche Instrumente dienen Washington hier vor allem die Weltbank, der Internationale Währungsfonds (IWF), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit- und Entwicklung (OECD) und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS), wie aus dem Handbuch hervorgeht.
Außerdem könne "staatliche Manipulation" von Steuern, Zinsen und weiteren "legalen und bürokratischen Maßnahmen" wie etwa unilaterale Sanktionen der USA Finanzströme "öffnen, modifizieren oder schließen", um das gewünschte Verhalten anderer Regierungen zu erzwingen. Zudem kann Washington seine Macht in den genannten Institutionen auch dazu nutzen, die "Verfügbarkeit und Bedingungen von Darlehen, Fördergelder oder andere finanzielle Unterstützung" für andere Staaten zu beeinflussen.
Während diese Instrumente zur Ausübung der US-amerikanischen Macht der Beeinflussung von anderen Regierungen dienen, muss auch die jeweilige Bevölkerung entsprechend auf US-Linie gebracht werden. Das geschieht grundsätzlich auf zwei Arten: durch Medien und die sogenannte Public Diplomacy, die als Öffentlichkeitsarbeit von US-Botschaftern in Gastländern beschrieben werden kann.
Es geht um die Information, die als "strategische Ressource" verstanden wird und dementsprechend von enormer Bedeutung für die nationale Sicherheit ist. Die "Dominanz der Informationsumgebung" sei eine "Realität", die sich auch auf die US-Streitkräfte auf allen Ebenen ausweitet.
Wo es keinen oder nur geringen Konflikt zwischen Staaten gibt, versuchen die Vereinigten Staaten, die Bevölkerung anderer Staaten durch PD (Public Diplomacy) zu beeinflussen.
Deshalb kommt einem US-Botschafter eine doppelte Aufgabe zu: Zum einen muss er sich um die Regierung des Gastlandes und dessen Beziehungen zu den USA kümmern, zum anderen aber auch um die Bevölkerung und die politische Opposition. Dazu dienen die Richtlinien und Mittel des Office of Policy Planning and Resources for Public Diplomacy and Public Affairs, das dem US-Außenministerium unterstellt ist. Genauso wie das Bureau of International Information Programs, das Workshops und Seminare für die Zielbevölkerung und insbesondere NGOs im betreffenden Land organisiert und Artikel für offizielle Magazine vorbereitet. Dabei geht es immer um das eine: die Bevölkerung soll dazu gebracht werden, die "US-Politik zu verstehen".
Damit dass auch etwas unabhängiger von der US-Botschaft geschieht, sorgen Medienprogramme wie Voice of America, Radio Free Europe/Radio Liberty, Radio Farda (für den Iran) oder Radio Sawa (für arabische Länder) für die Übermittlung der von der US-Regierung gewünschten Botschaft. Sie alle unterstehen der U.S. Agency for Global Media, dessen neunköpfiger Vorstand aus dem jeweiligen US-Außenminister und acht weiteren Personen besteht, die direkt vom US-Präsidenten ernannt werden.
Konnten die bisherigen Mittel wie Propaganda, Einmischung der US-Botschafter, Sanktionen oder "Anreize" wie Kredite und wirtschaftliche Unterstützung ein Land nicht davon überzeugen, sich dem US-Willen zu beugen, kommen die Militärs ins Spiel. Aber auch hier gilt in aller Regel, dass der unkonventionellen Kriegsführung der Vortritt vor tatsächlichen kriegerischen Auseinandersetzungen gelassen wird. Die Liste der anzuwendenden Strategien und Taktiken ist lang.
Je nach Land spielen verschiedenste Faktoren eine Rolle dafür, welche Mittel eingesetzt werden. So kann Washington zwischen Informationsoperationen, strategischer Kommunikation, psychologischer Kriegsführung, aber auch Aufständen, Terrorismus oder transnationalen kriminellen Aktivitäten wie Drogen- oder illegalen Waffenhandel wählen, um die Regierungen im Zielland in Bedrängnis zu bringen. Das Ziel ist dabei immer dasselbe: Die Regierung soll entweder dazu gebracht werden, der US-Linie zu folgen, oder aber gestürzt werden.
Die Priorität wird dabei auf die US-Geheimdienste und -Spezialkräfte gelegt, die mit kleinen, hochprofessionellen und gut ausgerüsteten Teams die Zielländer "infiltrieren". Sie sollen beim Aufbau, der Ausbildung und Führung von Aufständischen helfen, die sich dann gegen die aus US-Sicht nicht genehme Regierung wenden sollen. Umgekehrt lassen sich diese Spezialkräfte natürlich auch zur Unterstützung einer mit Washington befreundeten Regierung einsetzen, die sich mit einem Volksaufstand konfrontiert sieht.
Damit das aber auch alles reibungslos über das internationale politische Parkett gehen kann, sind die USA trotz oder vielleicht auch gerade wegen ihrer Macht auf die Unterstützung anderer Länder angewiesen:
Legitimität ist der wichtigste Faktor im Aufbau und Erhaltung internationaler und interner Unterstützung. Ohne diese Unterstützung können die Vereinigten Staaten die Hilfe für irreguläre Kräfte nicht aufrechthalten. Ohne anerkannte Legitimität und Glaubwürdigkeit erhalten militärische Operationen nicht die Unterstützung der einheimischen Bevölkerung, der US-Bevölkerung oder der internationalen Gemeinschaft.
Hat man dann endlich alle Ziele in einem Land umgesetzt, kommt der aus US-Sicht schwierigste Teil: der Übergang zum Frieden. Die Planung für diese Zeit sollte laut dem Handbuch bereits in dem Moment beginnen, in dem "die US-Regierung sich entscheidet, eine irreguläre Organisation zu sponsern". Dann kommen zivile US-Einrichtungen und weitere internationale Organisationen "wie die UN" zum Zuge, die aber weiterhin von den Spezialkräften der Vereinigten Staaten abhängig sind, weil sich diese mit "dem Terrain und den Kräften" auskennen, die sie unterstützt haben.
So ist es dann am Ende auch die "Art und Weise", wie dieser Übergang stattfindet, der darüber entscheidet, wie die betroffene Bevölkerung und auch die neue Regierung zu den USA stehen werden. Die größte Gefahr läge darin, dass ehemalige "Widerstandskämpfer" sich gegen die neue Regierung wenden könnten und sich nicht in die neuen Strukturen eingliedern lassen.