DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency), eine Behörde des US-Verteidigungsministeriums, die Forschungsprojekte für das Ministerium finanziert, sucht seit der ersten Januarwoche im Rahmen eines Forschungsprogramms namens MicroBRAIN (MicroScale Biomimetic Robust Artificial Intelligence Networks (also, die Natur imitierende Künstliche-Intelligenz-Netzwerke im Mikromaßstab) nach Möglichkeiten, kleinste Computersysteme für die Nutzung in Künstlicher Intelligenz zu konstruieren. Dafür sollen die neuronalen Systeme von "sehr kleinen fliegenden Insekten" als Vorbild dienen. Dabei geht es nach Angaben der Behörde bei der Nachahmung der "beeindruckenden Rechenfähigkeiten sehr kleiner fliegender Insekten" unter anderem um Daten- und Energieeffizienz.
Das Verständnis hochintegrierter Sinnes- und Nervensysteme bei Miniaturinsekten und die Entwicklung prototypischer Rechenmodelle (...) könnte auf geeignete Hardware übertragen werden, um ihre beeindruckende Funktion zu emulieren", heißt es in der Ausschreibung.
Als Beispiel wird in der Ausschreibung die Megaphragma mymaripenne genannt, eine mikroskopisch kleine Wespe. Bis zu 1 Million US-Dollar stellt die Behörde erfolgreichen Bewerbern zur Verfügung, um ein physikalisches Modell der Gehirne von Insekten zu erstellen, ihre Entwicklung vor allem in Hinblick auf verallgemeinerbare Adaptierungsmöglichkeiten zu untersuchen und die Nachahmung der neuronalen Strukturen in Form von Hardwareplattformen zu entwerfen, die die neuronale Struktur dieser Gehirne nachahmen.
Weiter Schritte in die Dystopie – Insekten als Vorbilder für militärische Nutzung
Wie RT Deutsch im vergangenen Jahr berichtete, schrieb das Forschungslaboratorium der US-Armee (Army Research Laboratory, ARL) Aufträge für Unternehmen zur Erforschung und Entwicklung von militärischen Kleinstdrohnen aus, die mit Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuert werden und sich in Schwärmen fortbewegen sollen – kriechend, fahrend oder fliegend.
"Die kleinsten Teileinheiten" der US-Streitkräfte wie Platoons und Squads sollen mit derartigen Geräten ausgerüstet werden, schrieb der ARL-Mitarbeiter Alexander Kott in einem Bericht. Dabei sollen sie über weite Strecken autonom vorgehen, mit nur minimaler menschlicher Einwirkung. Sie sollen nur von einer KI gesteuert werden, die auch die Aufgabe der Freund-Feind-Erkennung übernehmen soll – und somit die Entscheidung über Leben und Tod.
Neben Kampfdrohnen sollen auch einfache Sensoren und komplexere, nicht ausschließlich auf den Kampf ausgerichtete kybernetische Einheiten zu einem "Internet of Battle Things" (IoBT, Internet der Kampf-Dinge) entwickelt werden.
Kott selbst erwähnt einige der Schwachstellen. Und auch andere Kommentatoren sahen eine große Kluft zwischen dem Vorhaben und der Umsetzbarkeit, unter anderem die Selbstlernfähigkeit der KI, die Analyse visueller Informationen und die Anfälligkeit für Hacker oder die Abwehr durch radioelektronische Gegenmaßnahmen.
Doch abgesehen vom letzten Punkt scheint die aktuelle Forschungsausschreibung die Defizite bei der Entwicklung der unabhängigen Kleinstdrohnen anzugehen.
Im aktuellen Programm geht es nicht nur gezielt um bisher unerreichte Mikromaßstäbe:
Die Natur hat diesen kleinen Insekten eine drastische Miniaturisierung und Energieeffizienz aufgezwungen, einige haben nur wenige hundert Neuronen in einem kompakten Formfaktor, während die Grundfunktionalität erhalten bleibt", so die Ausschreibung.
Weiterhin ist der Manager des MicroBRAIN-Programms, Dr. Michael Fiddy, Experte im Feld der Optoelektronik und optischer Kommunikation. Zudem wird in der aktuellen Ausschreibung betont, dass es klar um die Nachahmbarkeit geht.
Der MicroBRAIN-Auftrag wird zudem im Rahmen der sogenannten "Artificial Intelligence Exploration" (AIE) der DARPA ausgeschrieben, einem breit angelegten Programm, dessen Ergebnisse in die Beförderung der "dritten Welle" Künstlicher Intelligenz einfließen sollen, welche nicht mehr geschult werden muss, sondern anhand von generalisiertem Denken und kontextuellem Bewusstsein in der Lage sein soll, die Welt besser zu verstehen, womit also die Selbstlernfähigkeit der KI vorangebracht wird.
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Wissenschaftler warnen vor Kriegsführung mit Insekten
Im vergangenen Jahr sorgte zudem ein anderes Forschungsprogramm mit Insekten für Besorgnis. Dabei ging es um möglichen Missbrauch für biologische Kriegsführung. Insekten sollten, ebenfalls von DARPA, im sogenannten "Insect Allies Programme" ("Alliierte/Verbündete Insekten") als Transportmittel für Pflanzenviren dienen und diese auf landwirtschaftliche Nutzpflanzen übertragen.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie sowie der Universitäten Freiburg und Montpellier warnten im Fachmagazin Science unter anderem davor, dass das DARPA-Forschungsprogramm relativ leicht manipuliert und als biologische Waffe eingesetzt werden könnte.
Bei dem geballten, martialischen Potenzial, welches die US-Militärforschung in Insekten erkennt, verwundert es vielleicht weniger, dass es Grillenmännchen aus der Natur waren, welche US-Diplomaten und Behörden als schwerwiegende Gefahr für Leib und Leben erschienen und reihenweise in die Flucht aus Havanna schlugen.
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