Bundesaußenminister Heiko Maas hat sich gegen die Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Deutschland und ganz Europa ausgesprochen. In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur sagte er Widerstand in Deutschland gegen eine neue Atomaufrüstung voraus, falls der 30 Jahre alte INF-Vertrag zwischen Russland und den USA zum Verbot von Mittelstreckenwaffen platzen sollte.
Europa darf auf gar keinen Fall zum Schauplatz einer Aufrüstungsdebatte werden", sagte Maas. "Eine Stationierung neuer Mittelstreckenraketen würde in Deutschland auf breiten Widerstand stoßen."
Die USA werfen Russland vor, den INF-Vertrag mit dem Bau neuer Raketen zu brechen und haben deswegen mit der Aufkündigung gedroht. Im November haben sie Moskau eine letzte Frist von 60 Tagen zum Einlenken gesetzt, die Anfang Februar ausläuft.
Russland dementiert aber strikt alle Vorwürfe und wirft der NATO im Gegenzug vor, den Vertrag mit der Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Rumänien zu brechen, da die Abfangraketen ihrerseits nicht nur defensiv seien, sondern auch mit offensiven Sprengkörpern bestückt werden könnten.
Am Mittwoch hat die US-Regierung ihr Ultimatum an Russland noch einmal bekräftigt. Demnach werden die USA sich vom 2. Februar an nicht mehr an den Vertrag gebunden fühlen.
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Um vor dem Auslaufen des US-Ultimatums an Russland noch einmal im großen Kreis diskutieren zu können, soll es am Mittwoch kommender Woche in Brüssel ein Treffen des NATO-Russland-Rates geben. Zu diesem sind nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur die Botschafter der 29 Bündnisstaaten sowie Vertreter der russischen Regierung eingeladen.
Dass Russland noch einlenkt, gilt allerdings als ausgeschlossen. Die Vorwürfe aus Washington seien lediglich ein Vorwand, um das eigene Rüstungsprogramm voranzubringen. US-Militärs hatten sich bereits seit längerem darüber beklagt, dass der aus der Zeit des Kalten Krieges stammende INF-Vertrag nur Amerikaner und Russen, aber nicht aufstrebende Militärmächte wie China bindet.
Für Europa ist die Entwicklung brisant, weil es nach der Entwicklung neuer US-Waffen aller Voraussicht nach eine Diskussion über deren Stationierung in Europa geben würde. Nach Auffassung von Militärs lassen sich nämlich nur so langfristig ein strategisches Gleichgewicht und Abschreckung sichern.
Eine Kündigung des INF-Vertrages könnte ein neues Wettrüsten zur Folge haben. Der russische Präsident Wladimir Putin warnte kurz vor Weihnachten in seiner Jahrespressekonferenz vor der wachsenden Gefahr eines Atomkriegs:
Wenn, was Gott verhüte, so etwas passiert, kann das zur Vernichtung der ganzen Zivilisation führen, wenn nicht des ganzen Planeten."
Maas zeigte sich in dem dpa-Interview besorgt über die Entwicklung. "Nukleare Aufrüstung ist ganz sicher die falsche Antwort", sagte er. "Die Politik aus den 80er Jahren hilft nicht, um die Fragen von heute zu beantworten."
Er mahnte eine "neue Rüstungskontrollarchitektur" an. "Diese sollte nicht nur nukleare Waffen beinhalten, sondern auch moderne autonome Waffensysteme, die völlig außerhalb menschlicher Kontrolle töten, wie zum Beispiel Killer-Roboter." Für deren Ächtung werde sich Deutschland einsetzen. Deutschland ist ab dem 1. Januar für zwei Jahre Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, dem wichtigsten UN-Gremium, dem fünf ständige und zehn wechselnde Mitglieder angehören.
Über die Ächtung autonomer Waffensysteme, die ohne menschlichen Einfluss agieren, wird seit Jahren verhandelt. Besonders schwierig ist dabei, zu definieren, welche Systeme von einem solchen Vertrag erfasst werden sollen.
Die Grünen befanden es für "längst überfällig, dass Außenminister Maas mehr Engagement für Rüstungskontrolle und Abrüstung zeigt". Die Fraktionsvizevorsitzende Agniezska Brugger sagte:
Es ist höchste Zeit, dass Deutschland beim Thema Abrüstung aus dem fahrlässigen Dornröschenschlaf erwacht und seinen abrüstungspolitischen Schlingerkurs beendet. Die Bundesregierung muss endlich den Mut finden, die US-amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen und dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten."
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(dpa/rt deutsch)