Obwohl eine UN-Resolution juristisch nicht bindend ist, war es für russische Diplomaten die letzte Hoffnung, die USA mit einer UN-Mehrheit vom angedrohten Ausstieg aus dem INF-Vertrag über das Verbot von Kurz- und Mittelstreckenraketen abzuhalten. Am 21. Dezember stimmte die UN-Vollversammlung über die von Russland und zehn weiteren Staaten eingereichte Resolution ab. Die Abstimmung brachte jedoch keine Mehrheit für die Resolution.
Gegen das Dokument stimmten 46 Länder, 43 stimmten dafür, während sich 78 enthielten. War das abzusehen? Keineswegs, denn die Resolution wurde in einer betont neutralen Sprache verfasst, ohne auf die Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland einzugehen, und damit auch unter Verzicht auf Schuldzuweisungen. Über die beiden größten Atommächte hieß es, sie sollten "den konstuktiven Dialog wieder aufnehmen und zusätzliche Maßnahmen der Zusammenarbeit erarbeiten", um weiteren falschen Auslegungen und Missverständnissen entgegenzuwirken. Alle Unterzeichnerstaaten des Vertrages sollten bedingungslos alle Vorgaben einhalten und die Konsultationen dazu wieder aufnehmen, zitiert die russische Zeitung Kommersant aus dem Dokument.
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Doch vor allem die NATO- und die EU-Staaten konnte das nicht umstimmen. Das Abstimmungsergebnis zur vorgeschlagenen Resolution könne nur Enttäuschung hervorrufen, hieß es in einer Erklärung der Informationsabteilung des russischen Außenministeriums.
Damit wurde der Architektur der internationalen Sicherheit und Stabilität ein neuer Schlag versetzt. Mit dem Zusammenbruch des INF-Vertrags können nun mehrere Regionen der Welt in ein Wettrüsten oder sogar in eine direkte Konfrontation gestürzt werden", warnte das Ressort.
Moskau zufolge "haben diese Länder mit ihrer Untätigkeit oder gedankenlosen Beschwichtigung Washingtons Verletzung des Vertrages de facto abgesegnet". Dieses Verhalten sei widersprüchlich, denn ebenso heben gerade jene NATO-Staaten die Wichtigkeit des INF-Vertrages hervor.
Sind ihnen die Folgen des Ausstiegs bewusst? Können sie auch alle negativen Folgen des unbedachten Schrittes der USA, der das Fundament der strategischen Stabilität und globalen internationalen Sicherheit untergräbt, mittragen?", fragt das Außenministerium.
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Doch warum haben diese Länder gegen die Resolution gestimmt? Kommersant schreibt unter Berufung auf eine diplomatische Quelle eines EU-Staates, es sei unmöglich, für eine Resolution zu stimmen, die von einem Land eingebracht worden sei, das den INF-Vertrag verletze. Den USA ist es also gelungen, ihre Partner - darunter auch Deutschland - von der angeblichen Verletzung des Vertrages durch Russland zu überzeugen. Washington forderte Moskau auf, die Rakete vom Typ 9M729 (NATO-Code: SSC-8) aufzugeben oder dieses System derart zu modifizieren, dass seine Reichweite nicht gegen den Vertrag verstoße. Diese Rakete ist nach Darstellung Washingtons imstande, die zugelassene Reichweite von 500 Kilometern zu überschreiten.
Aus Moskaus Überzeugung basiert dieser Vorwurf auf Unkenntnis. Deswegen weist Russland jegliche der Anschuldigungen zurück und ruft die USA zur gemeinsamen Klärung des angeblichen Problems auf. Der Besuch des Nationalen Sicherheitsberaters des US-Präsidenten John Bolton in Moskau im Oktober hat jedoch nichts gebracht. Vielmehr hat Bolton zu verstehen gegeben, dass die USA an dem geplanten US-Ausstieg festhalten würden. Mehrere Wochen später folgte de facto ein Ultimatum: Mike Pompeo hatte am 4. Dezember erklärt, dass Russland zwei Monate Zeit habe, um "zur Erfüllung des INF-Vertrages zurückzukehren". Ansonsten werde Washington aus dem Vertrag aussteigen.
Der Leiter des Projektes "russische atomare Ausrüstung", Pawel Podwig, sagte Kommersant, dass es bei derartigen Meinungsverschiedenheiten über die Einhaltung des Vertrages vor allem auf den politischen Willen ankomme. Dieser sei aber nicht gegeben. Der russische außenpolitische Experte Wladimir Schapowalow wies im Gespräch mit RT auf den erheblichen Druck seitens der USA auf seine NATO-Partner und eine Reihe unentschlossener Staaten in Lateinamerika, Afrika oder Ozeanien hin. Diese seien von den USA politisch und wirtschaftlich abhängig, was sich auch in der Abstimmung zur von Russalnd initiierten Resolution geäußert habe.
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