Die Ankunft von zwei russischen strategischen Tu-160-Bombern Anfang dieses Monats in Venezuela hat eine nervöse Reaktion Washingtons ausgelöst und zu einem kurzen, hitzigen Austausch zwischen US-amerikanischen und russischen Amtsträgern geführt. Dies könnte der Auftakt zu einem ehrgeizigeren Unterfangen gewesen sein, verriet die russische Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta (NG) unter Berufung auf militärische und diplomatische Quellen.
Die Quellen berichteten dem Blatt, dass Moskau bestrebt sei, eine semi-permanente Basis für die russische Langstreckenluftfahrt auf einer der venezolanischen Inseln in der Karibik zu errichten, während es sich auf die "langfristige militärische Präsenz" im "Hinterhof" der USA vorbereite.
Die Basis sollte angeblich auf der Karibikinsel Orchila, etwa 160 Kilometer von der venezolanischen Hauptstadt Caracas entfernt, errichtet werden. Die Insel beherbergt einen venezolanischen Flugplatz sowie eine Marinebasis und wurde bereits vor zehn Jahren vom russischen Militär besucht. Der verstorbene venezolanische Staatschef Hugo Chávez habe Russland bereits 2008 angeboten, dort eine Luftwaffenbasis einzurichten, berichtete die NG und fügte hinzu, dass Moskau zu diesem Zeitpunkt gezögert habe, eine solche Entscheidung zu treffen.
Zehn Jahre später befinden sich die Beziehungen zwischen Russland und den USA wohl an ihrem Tiefpunkt seit dem Kalten Krieg. Washington versucht, sich von wichtigen Rüstungskontrollvereinbarungen zurückzuziehen, einschließlich des "Intermediate Range Nuclear Forces Treaty" (INF), der alle Kurz- und Mittelstreckenraketen verbietet. Die Pläne der USA provozierten eine heftige Reaktion aus Moskau. So wolle man "Maßnahmen ergreifen", sollten neue amerikanische Raketen, die die Sicherheit Russlands bedrohen, in Europa stationiert werden.
Ein Weg hin zur Stabilität oder zur Krise?
Eine Luftwaffenbasis in Venezuela, die in der Lage ist, russische strategische nuklearfähige Langstreckenbomber aufzunehmen, könnte durchaus eine Gegenmaßnahme darstellen, glauben Experten. "Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass wir, wenn alle Vereinbarungen [aus dem INF-Vertrag] aufgegeben werden, sowohl symmetrische als auch asymmetrische Schritte unternehmen müssen, um Stabilität zu gewährleisten", sagte Andrej Koschkin, der Leiter des Lehrstuhls für Soziologie und Politikwissenschaften an der russischen Plechanow-Universität für Wirtschaft, gegenüber RT und fügte hinzu, dass eine solche Basis, aus diesem Blickwinkel betrachtet, eine gute Option wäre.
Der Austritt aus dem INF-Vertrag würde es den USA potenziell ermöglichen, Atomraketen nach Europa zu entsenden und zu stationieren, was eine Bedrohung für Russland darstellt, warnten Experten und suggerierten, dass der Einzug in den "Hinterhof" der USA die einzige praktikable Antwort für Russland sein könnte. Mit erhöhtem Einsatz rückt das Gespenst einer militärischen Konfrontation jedoch immer näher.
"Dies könnte zu einem Auftakt zu etwas Ähnlichem wie einer Karibikkrise werden", erklärte Konstantin Siwkow, ein pensionierter Marineoffizier und Militäranalyst, gegenüber RT.
Absichten und Hürden
Die Situation ist noch immer alles andere als sicher. Russische Amtsträger haben sich zu diesem Thema bisher noch nicht geäußert – und Caracas hat Berichte über eine mögliche "russische Basis" auf venezolanischem Boden offen bestritten.
Venezolanische Beamte deuteten jedoch an, dass sie mehr als bereit seien, eine solche Option in Betracht zu ziehen. "Ich wünschte, es wäre wahr, aber das ist es nicht", sagte der Präsident der Verfassungsgebenden Nationalversammlung Venezuelas Diosdado Cabello vor Journalisten, als er nach dem Stützpunkt gefragt wurde.
Caracas hat auch klar seine Absicht bekundet, die militärische Zusammenarbeit mit Russland "auszuweiten" und "effektiver zu gestalten".
"Wir wollen über die übliche militärisch-technische Zusammenarbeit hinausgehen", sagte der venezolanische Verteidigungsminister Vladimir Padrino López bereits im April zu seinem russischen Amtskollegen Sergei Schoigu und fügte hinzu, dass beide Länder "die Zusammenarbeit auf operativer Ebene entwickeln sollten".
Ein Haupthindernis ist, dass die venezolanischen Gesetze keine ständige ausländische Präsenz auf dem Territorium des eigenen Landes zulassen, aber Moskau und Caracas scheinen einen Weg gefunden zu haben, sie zu überwinden. Die russischen Bomber sollen nach Angaben der NG-Quelle turnusmäßig auf der Insel eingesetzt werden – statt einer dauerhaften Stationierung.
Schoigu hat bisher nur bestätigt, dass das russische Militärflugzeug weiterhin nach Venezuela fliegen wird, während auch die russischen Marineschiffe seine Häfen nutzen könnten.
So weit weg vom russischen Territorium gelegen, bräuchte Moskau allerdings wahrscheinlich eine vollwertige militärische Einrichtung, erklärte Siwkow und fügte hinzu, dass eine kleine Anlage nicht ausreichen würde, um die russischen Operationen in der Region zu unterstützen. "Es könnte zunächst auf eine begrenzte Präsenz auf der Ebene eines Eingreifgeschwaders oder eines Flugregiments reduziert werden", sagte er und fügte hinzu, dass Russland dann wahrscheinlich seine Präsenz erhöhen würde, indem es Treibstoff- und Munitionsdepots bauen, Luftverteidigungssysteme in dem Gebiet einsetzen und die Anlage in Venezuela möglicherweise ähnlich der russischen Basis Hmeimim gestalten würde.
Die Ankunft von nur zwei strategischen russischen Tu-160-Bombern für Übungen in Venezuela hat bereits die Nerven der Regierung in Washington auf die Probe gestellt und eine Welle der Hysterie in den westlichen Medien ausgelöst. Einige haben den potenziellen Standort sogar anhand von Satellitenaufnahmen genau untersucht und nannten ihn "eine beispiellose strategische Bedrohung für das Festland der Vereinigten Staaten auf der westlichen Hemisphäre".