Mit aller Macht versuchen Gegner des britischen Oppositionsführers der Labour-Partei, Jeremy Corbyn, ihn mit Anschuldigungen und Schmierkampagnen zu stoppen. Insbesondere der Vorwurf des Antisemitismus wurde in den vergangenen Monaten mit einer solchen Vehemenz geführt, die an vergangene Zeiten der Hexenjagd erinnern. Die organisierte Energie und Qualität hinter diesen Angriffen, gibt einen Hinweis darauf, wie gefährlich Corbyn für den Status Quo eingestuft wird. Eine Untersuchung zu den angewandten Methoden gegen den Labour-Vorsitzenden durch die London School of Economics and Political Science (LSE) ergab:
Unsere Analyse zeigt, dass Corbyn als politischer Akteur von dem Moment an völlig delegitimiert wurde, als er ein prominenter Kandidat, und noch mehr, als er mit einem starken Mandat zum Parteivorsitzenden gewählt wurde. Dieser Prozess der Delegitimierung geschah auf verschiedene Weisen: 1) durch Mangel an oder Verzerrung seines Standpunktes; 2) durch Spott, Verachtung und persönliche Angriffe; und 3) durch Assoziation vor allem mit Terrorismus. All dies wirft unserer Ansicht nach eine Reihe dringender ethischer Fragen bezüglich der Rolle der Medien in einer Demokratie auf. Natürlich brauchen Demokratien ihre Medien, um die Macht anzufechten und eine solide Debatte zu führen, aber wenn dies zu einem Antagonismus führt, der legitime politische Stimmen untergräbt, die es wagen, den gegenwärtigen Status quo in Frage zu stellen, dann ist es nicht die Demokratie, der gedient wird.
Die Debatte um angeblich grassierenden Antisemitismus in der Labour-Partei ist dabei lediglich ein Ablenkungsmanöver, um nicht zu sagen eine Scheindebatte, um von den tatsächlichen Motiven abzulenken. Natürlich geht es dabei immer um Macht, sehr viel Geld und Interessen, die nichts mit dem Allgemeinwohl der Bürgerinnen und Bürger eines Landes zu tun haben. Corbyns Sympathie mit dem durch Israels Besatzung und Unterdrückungspolitik verursachten Leid der Palästinenser führte dazu, dass die in Großbritannien einflussreiche israelische Lobby aktiv wurde. Der schnellste Weg, einen politischen Widersacher auszuschalten, ist normalerweise, ihn als Antisemit zu beschimpfen.
Das hat nichts genutzt, er wurde trotzdem zum Vorsitzenden der Labour-Partei gewählt. Also wurde nun die ganze Partei des Antisemitismus beschuldigt. Der nicht nur in Großbritannien und den USA angewandte Prozess, Antizionismus mit Antisemitismus gleichzusetzen, sollte die Anschuldigungen noch unterstreichen. Sogar der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu stimmte in diese Verleumdungskampagne ein und attackierte Corbyn scharf. Der Grund für diese Attacke hat nichts mit der falschen Behauptung des Ministerpräsidenten zu tun, sein potenzieller Amtskollege habe "Israel mit den Nazis" verglichen, sondern damit, dass sich das Exekutivkomitee der Labour-Partei geweigert hat, antiisraelische oder antizionistische Aussagen mit Antisemitismus gleichzusetzen.
Jeremy Corbyn hat diesen Vergleich Israels mit den Nazis nie geäußert, wie es Netanjahu behauptet hat. Er war lediglich Veranstalter eines Holocaust-Gedenktages im britischen Unterhaus im Jahr 2010, wo der aus Bielefeld stammende Auschwitz-Überlebende Dr. Hajo Meyer als Hauptredner auftrat. Meyer, selbst ein Jude, konnte sich mit der israelischen Politik – die zudem in Anspruch nimmt, für alle Juden auf der Welt zu sprechen – immer weniger identifizieren. In seinem 2005 erschienenen Buch "Das Ende des Judentums. Der Verfall der israelischen Gesellschaft" verglich er die israelische Politik gegenüber den Palästinensern mit den Anfängen der Judenverfolgung der Nazis. Und diesen Vergleich stellte Dr. Meyer beim Holocaust-Gedenktag fünf Jahre später erneut auf.
Um den Oppositionsführer in Großbritannien nun doch irgendwie mundtot zu machen, haben Labour-interne Gegner die renommierte Anwaltskanzlei "W Legal" angeheuert, um zu überprüfen, ob man Corbyn in den USA anschwärzen kann. Und die Kanzlei hat tatsächlich einen Weg gefunden, wie die Regierung von Donald Trump Sanktionen gegen den Briten verhängen könnten. In einem Memo heißt es dazu, dass er aufgrund seiner Kontakte und Bemerkungen mit und über die Hamas und Hamas-nahestehende Personen – eine im Gazastreifen herrschende Organisation, die in den USA als Terrororganisation eingestuft ist – auf die US-Sanktionsliste gesetzt werden könnte.
Bezeichnend ist vor allem, wie W Legal das begründet. Die US-Regierung "könnte es konstruieren", dass Jeremy Corbyn mit der Hamas "andersartig assoziiert" wird und man deshalb verlangen könnte, ihn auf die Sanktionsliste zu setzen. Dieses "irgendwie assoziiert" ist ein direkter Bezug zur entsprechenden Stelle in der Präsidentenverfügung 13224 vom 23. September 2001. Darin wird eine ganze Reihe von Handlungen klar und deutlich definiert, wann eine nicht in den USA wohnhafte Person aufgrund von "Terrorunterstützung" auf die US-Sanktionsliste gesetzt werden kann. Aber eben auch diese völlig vage Bezeichnung "andersartig assoziiert", die dem politischen Missbrauch Tür und Tor öffnet.
Erst einmal auf dieser Liste gelandet, wird nicht nur jeglicher Besitz in den USA beschlagnahmt, sofern natürlich überhaupt welcher vorhanden ist, sondern US-Banken dürfen dann auch keinerlei finanzielle Transaktionen an und von Corbyn mehr durchführen. W Legal geht auch davon aus, dass sogar britische Banken keine Finanztransaktionen von und für Corbyn durchführen würden, aus Angst vor möglichen Rückwirkungen auf ihre Geschäfte in den USA. Und es könnte sogar so weit gehen, dass die Banken nicht einmal mehr Zahlungen von und an die Labour-Partei durchführen könnten, weil ihr Vorsitzender auf der Sanktionsliste der Vereinigten Staaten von Amerika steht. Mit dem einzigen gegen ihn verwendeten Vorwurf "andersartig assoziiert".