Es ist nicht so, dass es gar keine Stimmen der Vernunft in den US-Politik gäbe. Es gibt sie sehr wohl, nur werden sie oft überhört und noch öfter erfolgreich zum Schweigen gebracht. Die Außenwelt erfährt in der Regel nur durch Leaks etwas davon, was sich tatsächlich im Inneren der Macht in Washington abspielt. So auch in diesem Fall, in dem sich eine Gruppe von Experten im Außenministerium und eine überparteiliche Gruppe von Kongressabgeordneten zusammengetan hatten, um die US-Unterstützung für den von Saudi-Arabien geführten Krieg im Jemen zu stoppen.
Während Deutschland gerade erst wieder neue Waffenlieferungen an die kriegführenden Länder auf der Arabischen Halbinsel genehmigt hat, sind es die hohen Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung im Jemen, die die beiden Gruppen zu ihren Aktivitäten bewogen haben. Nun kam aber heraus, dass eine andere Überlegung dazu geführt hat, dass sie von Außenminister Mike Pompeo überstimmt wurden. Die gleichen Überlegungen übrigens, die auch Berlin dazu veranlasst haben, neue Waffenlieferungen zu genehmigen: Geld. Sehr viel Geld.
Pompeo sollte dem Kongress Bericht erstatten, ob die Regierungen von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten genügend tun, um zivile Opfer und Beschädigung oder Zerstörung von ziviler Infrastruktur zu vermeiden. Angesichts der Tatsache, dass es jede Menge Berichte über Kriegsverbrechen der Saudis und der Emirate gibt und die UN immer wieder Presseerklärungen über zivile Opfer bei Angriffen abgibt, dann muss man sich fragen, wieso Pompeo dem Kongress einen Freifahrtschein für Riad und Abu Dhabi erteilt hat. Dort erklärte der US-Außenminister am 12. September:
… bestätigte ich dem Kongress gestern, dass die Regierungen von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten nachweisbare Maßnahmen ergreifen, um das Risiko von Schäden an Zivilisten und ziviler Infrastruktur infolge militärischer Operationen dieser Regierungen zu minimieren.
Eine Antwort auf diese Frage lieferten die Gegner dieses Vorgehens in Form eines Leaks an das Wall Street Journal. Laut einem internen Memo des US-Außenministeriums wurde Pompeo darauf aufmerksam gemacht, dass ein "Ausbleiben der Zertifizierung sich negativ auf ausstehende Waffentransfers auswirken wird" und dass "die Nichteinhaltung der Zertifizierung sich auch negativ auf künftige ausländische Militärverkäufe und direkte kommerzielle Verkäufe in der Region auswirken kann".
Bereits im Juni schrieb Senator Bob Menendez einen Brief an Außenminister Mike Pompeo und Verteidigungsminister James "Mad Dog" Mattis und forderte sie auf,
einen zwingenden, beweiskräftigen Fall (darzulegen), dass US-Waffenverkäufe dazu beitragen, die Zahl der Opfer in der Zivilbevölkerung zu reduzieren, und dass sie einen Hebel für eine umfassendere Strategie zur Verbesserung des humanitären Zugangs darstellen und den Krieg beenden.
Im März wies der Senat in einer Abstimmung mit 55:44 Stimmen einen Vorstoß von Abgeordneten ab, die die US-Armee aus dem Jemen holen wollten. Als Kompromiss wurde dann vereinbart, dass der Verteidigungsminister in periodischen Abständen vor dem Kongress bestätigt, dass Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate "nachweisbare Maßnahmen" ergreifen, zivile Opfer zu vermeiden.
Entsprechend enttäuscht über Pompeos Entscheidung zeigte sich Senator Chris Murphy auf Twitter:
Dieser Vorgang zeigt einmal mehr, wie wenig sich die US-Regierung in Wirklichkeit um Menschenrechte sorgt oder wie genau sie es mit der Verhinderung von humanitären Katastrophen nimmt. Das einzige, das zählt, ist die Gewinnmaximierung und Marktanteile. Denn ob sich im Jemen eine humanitäre Katastrophe ereignet oder nicht, interessiert die waffenexportierenden Länder nicht. Wenn die USA nicht liefern, werden es eben andere tun. Auch Deutschland.