US-Geheimkriege toben weiter in Afrika - Anzahl der US-Spezialkräfte trotz Verlusten nicht reduziert

Entgegen Ankündigungen des Pentagon, nach einem Vorfall im Oktober 2017 die Spezialkräfte in Niger zu reduzieren, blieb die Anzahl gleich hoch, wie ein neuer Bericht von The Intercept sagt. Damit sind es in Afrika mehr als anderswo auf der Welt, außer im Nahen Osten

Presseberichten zufolge wurde die Zahl der US-Sondereinsatzkräfte in Afrika angeblich reduziert, nachdem es im Oktober vergangenen Jahres zu einem Vorfall kam. Damals wurden bei einem Angriff auf eine Militärpatrouille im Südwesten Nigers zwei Kräfte der US-Eliteeinheit Green Berets und zwei weitere Soldaten getötet, auch nigerianische Soldaten kamen ums Leben.

Im März dieses Jahres veröffentlichte der sogenannte Islamische Staat ein Video, das die Tötung zeigen soll und damit mehr Informationen über das Ereignis und den Einsatz verbreitete, als US-Behörden in den Monaten zuvor preisgaben.

Debatte über Einschränkung der US-Einsätze nach tödlichem Vorfall

Der Vorfall zog eine Debatte über den Einsatz der US-Kräfte in Afrika nach sich, da Vielen erst durch den Tod der Soldaten bewusst wurde, dass US-Kräfte in dem Land im Einsatz sind. Und zwar sowohl in den Vereinigten Staaten als auch im Niger, wo sogar Abgeordnete bis dahin nicht darüber informiert waren. Und auch in der deutschen Öffentlichkeit gab es so gut wie keine Information über die genauen Aktivitäten der US-Streitkräfte, obwohl sich auch AFRICOM, der Sitz des Regionalkommandos Afrika der US-Streitkräfte, in Deutschland befindet, nämlich bei Stuttgart.

Im Frühjahr gab es Berichte, wonach die umstrittene Truppenpräsenz reduziert würde. So hieß es im Wall Street Journal

Die USA reduzieren die Präsenz amerikanischer Kommandos an der Front Afrikas, eine Wendung, von der US-Offiziere glauben, dass sie die Truppen weniger anfällig für die Art eines militanten Angriffs machen werden, bei dem im vergangenen Herbst vier US-Soldaten in diesem westafrikanischen Land getötet wurden."

Auch sollte eine "umfassende Überprüfung" der Sondereinsätze des Pentagon auf dem Kontinent zu drastischen Einschnitten bei der Zahl der dort operierenden Kommandos führen. Laut der investigativen Nachrichtenseite The Intercept wurde das Regionalkommando Afrika (AFRICOM) offenbar gebeten, die Auswirkungen einer Reduzierung der Green Berets, der Navy SEALs und anderer Kommandos um 25 Prozent über 18 Monate und um 50 Prozent über drei Jahre zu berücksichtigen.

Armeenahe Analysten hatten die vorgeschlagenen Kürzungen bereits in Frage gestellt oder kritisiert, und scheinbar haben sich diese Stimmen am Ende durchgesetzt.

Denn auch mehr als neun Monate nach dem Debakel, bei dem medienwirksam neben nigerianischen auch US-Soldaten betroffen waren, ist die Anzahl der US-Truppen unverändert.

Das Pentagon macht keine Angaben dazu, wie viele Kommandos noch im Niger stationiert sind.

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Nach Angaben des U.S. Special Operations Command werden 16,5 Prozent aller Kommandos in Übersee speziell in Afrika eingesetzt. Dies entspricht etwa dem gleichen Prozentsatz an Spezialkräften, die bereits im Jahr 2017 nach Afrika entsandt wurden. Die Anzahl stellt einen erheblichen Anstieg gegenüber den Einsätzen in den ersten zehn Jahren des "Krieges gegen den Terror" nach dem 11. September dar.

Doch seither gab es einen deutlichen Anstieg. Im Jahr 2006 gab es nur 70 Spezialkräfte, die in ganz Afrika im Einsatz waren, im Jahr 2014 gab es 700 Elitetruppen auf diesem Kontinent. So befanden sich im Jahr 2006 beispielsweise nur 1 Prozent aller in Übersee eingesetzten US-Kommandos in Afrika - weniger als im Nahen Osten, im Pazifik, in Europa oder in Lateinamerika. Bis 2010 stieg die Zahl nur "leicht" auf 3 Prozent.

Mittlerweile aber befinden sich in Afrika mehr US-Kommandotruppen als in jeder anderen Region weltweit, außer im Nahen Osten.

Gegenüber The Intercept bestätigte Sheryll Klinkel, Sprecherin des Pentagons, dass im Juli 800 "Mitarbeiter" des Verteidigungsministeriums in dem westafrikanischen Land im Einsatz seien, was einem Bruchteil der Gesamtstärke entspreche. Zudem gibt es immer wieder rotierende Einsatzkräfte.

The Intercept geht davon aus, dass derzeit etwa 1.370 Green Berets, Navy SEALs oder andere Elitetruppen in Afrika im Einsatz sind, da durchschnittlich 8.300 Kommando-Angehörige in einer Woche in Übersee eingesetzt werden.

Wiederholt verweisen Sprecher des Regionalkommandos und des Pentagons gern auf die passive Rolle der Truppen, die lediglich im Hintergrund der afrikanischen Sicherheitskräfte agierten, um lokal erstarkende Dschihadistengruppen zu bekämpfen. Solch einen vermeintlich weniger anstößigen Zweck des Einsatzes der US-Truppen in Afrika betonte auch der stellvertretende Verteidigungsminister für internationale Sicherheitsfragen, Robert S. Karem, während einer Pressekonferenz im Mai im Pentagon, bei der es um die Untersuchung des tödlichen Hinterhalts im Oktober ging:

Keine dieser Sondereinsatzkräfte sind für direkte Kampfeinsätze vorgesehen."

Einsatz der US-Kräfte nicht von direktem Kampf zu unterscheiden

Offiziell nicht vorgesehen, aber faktisch sind sie mindestens doch sehr nahe an Kampfeinsätzen. Auch Nick Turse, Autor mehrerer Bücher, unter anderem zu den US-Stellvertreterkriegen und Geheimoperationen in Afrika, schreibt auf The Intercept :

Trotz dieser offiziellen Politik, trotz der Todesfälle in Niger und trotz der angeblichen Eindämmung von Sondereinsätzen in Afrika, befinden sich die US-Kommandos dort immer wieder in Situationen, die vom Kampf nicht zu unterscheiden sind."

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Berichten zufolge haben Green Berets im Dezember 11 ISIS-Kämpfer in Niger in einem Feuergefecht getötet. Und derartige Einsätze beschränken sich keineswegs auf das Nachbarland Libyens.

So berichtete Politico kürzlich, dass seit mindestens fünf Jahren Green Berets, Navy SEALs und andere Spezialkommandos - die unter einer wenig transparenten Haushaltsbehörde namens "Section 127e" operieren - an Aufklärungs- und auch an "Direct Action"-Kampfangriffen mit lokalen Kräften in Kamerun, Kenia, Libyen, Mali, Mauretanien, Niger, Somalia und Tunesien beteiligt sind.

Wie die New York Times im März berichtete, gab es zwischen 2015 und 2017 mindestens 10 bisher nicht gemeldete Angriffe auf amerikanische Truppen in Westafrika. 

Und der damalige Chef des US-Sondereinsatzkommandos in Afrika, Donald Bolduc, gab laut The Intercept in einem Briefing im Jahr 2015 an, dass die amerikanischen Kommandos nicht nur "Hilfs-" und "kombinierte" Operationen durchführten, um gewalttätige Extremisten zu bekämpfen, sondern auch "selbständige" Missionen.

Da unter den Geheimkriegen auch das zivile Leben leidet, haben solche Einsätze unmittelbare Auswirkung auf Europa. Beispielsweise ist der Niger "ein wichtiger Knotenpunkt" in Afrika für Migranten, die nach Europa ziehen. Und so kündigte Italien im vergangenen Dezember an, 470 Soldaten, 30 Kampffahrzeuge und zwei Flugzeuge in das Land zu schicken.

Derweil ist also von Zurückhaltung auch der US-Verbündeten kaum eine Spur. 

Die Zahl der in Afrika eingesetzten Kommandos ist seit 2014 dennoch um 96 Prozent gestiegen und bleibt seit dem tödlichen Hinterhalt 2017 in Niger im Wesentlichen unverändert. US-Soldaten sind dabei auch in explosiven Regionen aktiv, wie die jüngsten Todesfälle von US-Einsatzkräften in Somalia zeigen. Im Juni wurde Sgt. Alexander Conrad getötet, im Mai des Vorjahres wurden der Navy SEAL Senior Chief Petty Officer Kyle Milliken getötet und weitere amerikanische Soldaten verletzt.

Der Leiter des U.S. Africa Command, General Thomas Waldhauser, fand derweil lobende Worte für diese Einsätze. Beim Briefing des Pentagons machte er auf die "Hochrisiko-Missionen" spezieller Operateure unter "extremen Bedingungen" in Afrika aufmerksam und befand:

Amerikas Kommandotruppen "machen einen fantastischen Job auf dem ganzen Kontinent."