Durchbruch im transatlantischen Handelsstreit: Bei einem Krisentreffen in Washington verständigten sich US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker überraschend auf einen konkreten Plan zur Beilegung des Handelskonflikts. Sie wollen nun Gespräche über die Abschaffung von Zöllen auf Industriegüter beginnen. Mögliche hohe US-Strafabgaben auf Autos sind nach Auffassung der EU vorerst vom Tisch. Dafür machte Brüssel aber auch Zugeständnisse. Die EU wird mehr Sojabohnen und Flüssiggas aus den USA kaufen.
Trump, der die EU kürzlich noch einen "Gegner" in Handelsfragen nannte, spricht plötzlich von einer neuen Phase "enger Freundschaft, starker Handelsbeziehungen, in denen wir beide gewinnen werden". Später hat er auf Twitter sogar ein Foto verbreitet, wie Juncker ihm einen dicken Männerkuss auf die Wange drückt.
Für Jean-Claude Juncker ist dies ein riesiger Erfolg
Beide Seiten vereinbarten unter anderem, bei Industriegütern über die Abschaffung von Zöllen, Handelsbeschränkungen und Subventionen zu verhandeln. Juncker sagte, während laufender Gespräche würden keine neuen Strafabgaben verhängt. Er meinte damit die von Trump angedrohten US-Zölle auf Autos, die besonders deutsche Autobauer getroffen hätten. Trump erklärte, man werde das Problem der von den USA verhängten Stahl- und Aluminiumzölle ebenso lösen wie das der EU-"Vergeltungszölle".
Für Juncker ist das ein riesiger Erfolg - der vielleicht größte seiner bisherigen Amtszeit. Der Luxemburger stand zuletzt erheblich unter Druck. Sogar Rücktrittsforderungen waren laut geworden, nachdem ein Video aufgetaucht war, das ihm beim NATO-Gipfel minutenlang schwankend und auf mehrere Staats- und Regierungschefs gestützt zeigte.
Nun ist dem Kommissionschef gelungen, einen drohenden Handelskrieg abzuwenden, was ihm kaum jemand zugetraut hatte. Noch größer ist der Erfolg allerdings für Trump: Er hat sich offensichtlich mit seiner Taktik durchgesetzt, Handelspartner mit stetig wachsendem Druck zu Zugeständnissen zu zwingen. Vor dem Treffen hatte er gespottet, nach seiner Drohung mit den Autozöllen hätten die Europäer sofort um Gespräche gebeten. "Sie sagten, wann können wir vorbeikommen? Wäre morgen okay?"
Welche Gegenleistungen kommen von den USA?
Nach dem, was bekannt ist, bekommt die EU nach der Übereinkunft vom Mittwoch keine substanziellen Gegenleistungen von den USA - außer eben der Aussicht, dass die höheren Autozölle vorerst ausbleiben und die auf Stahl- und Aluminium überprüft werden. Beide Abgaben hatte die EU ohnehin als unvereinbar mit Regeln der Welthandelsorganisation WTO qualifiziert. Brüssel sagte hingegen zu, mehr Flüssiggas aus den USA importieren zu wollen - womit Trump in Konkurrenz zu der von ihm heftig kritisierten Gas-Pipeline Nord Stream 2 treten will, die Deutschland gemeinsam mit Russland vorantreibt.
Trump sagte außerdem: "Die Europäische Union wird fast sofort damit anfangen, viele Sojabohnen zu kaufen" - und zwar vor allem von Landwirten im Mittleren Westen der USA, die wichtige Unterstützer Trumps sind. Wie die EU das genau machen möchte, ist unklar. Klar ist aber, dass Trump wegen der vor allem als Futtermittel genutzten Sojabohnen unter wachsendem Druck steht. Nicht nur mit Brüssel hat Trump einen Handelsstreit vom Zaun gebrochen, sondern auch mit wichtigen Ländern wie China, dem weltweit größten Importeur von Sojabohnen.
Sojabohnen sind eine große Sache", sagte Trump am Mittwoch. "Ich danke Dir dafür, Jean-Claude."
Außenminister Maas begrüßt die Ergebnisse
Bundesaußenminister Heiko Maas hat die Ergebnisse des EU-USA-Gipfels als Erfolg europäischer Einigkeit gewertet.
Gestern hat Europa bewiesen, dass es sich nicht spalten lässt. Und wir haben gesehen: Wenn Europa geeint auftritt, hat unser Wort Gewicht", sagte er am Donnerstag während seiner Asien-Reise in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul.
Mehr zum Thema - Angebot mit vorgehaltener Pistole: US-Flüssiggas für Europa (Teil I)
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe gezeigt, "dass es eben am Ende nicht darum geht, wer die größten Buchstaben bei Twitter benutzt, sondern darum, ob man reale Lösungen anzubieten hat oder nur starke Sprüche".
Maas sagte zu den Ergebnissen des Treffens: "Amerika und Europa sind keine Gegner. Ich hoffe, dass diese Erkenntnis auch im Weißen Haus wieder zu dem wird, was sie bis vor kurzem war: eine Selbstverständlichkeit." Die EU und Die USA seien Partner und Verbündete mit gemeinsamen Werten und Interessen, so Maas.
Wagenknecht sieht in den Vereinbarungen einen "miesen Deal"
Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, übte indes scharfe Kritik am Einlenken der EU.
"Aus Angst vor Zöllen auf Automobile kaufen wir den USA jetzt genmanipuliertes Soja und dreckiges Fracking-Gas und mehr Waffen ab? Das ist kein 'Erfolg Europas' wie Außenminister Maas meint, sondern ein mieser Deal auf Kosten von Umwelt und Verbrauchern!"
(dpa/rt deutsch)