Laut einer Studie der Genfer "Globalen Initiative gegen das transnationale organisierte Verbrechen" (GI TOC) ist Mosambik zu einem der wichtigsten Durchgangsorte des internationalen Heroinschmuggels zwischen Afghanistan und Europa geworden, nachdem der Handel über die "nördliche Route" über den Iran, die Türkei und den Balkan wegen Unruhen und verschärften Kontrollen fast zum Erliegen gekommen ist.
Seit einigen Jahren hat die Menge des aus Afghanistan über ein Netz von Seerouten in Ost- und Südafrika verschifften Heroins erheblich zugenommen. Während der größte Teil dieses Heroins für den westlichen Markt bestimmt ist, gibt es einen wachsenden Spin-off-Handel für den lokalen Konsum.
Es hat sich ein regionaler Kriminalitätsmarkt entwickelt, der von der politischen Entwicklung in der Region geprägt ist", heißt es in der Studie.
Die Erkenntnisse der Studie basieren unter anderem auf Gesprächen der drei Autoren mit 240 ehemaligen Drogenschmugglern, Experten und anderen Beteiligten über einen Zeitraum von vier Monaten.
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Langer Weg zwischen Angebot in Afghanistan und Nachfrage in Europa
Sicherlich ist der Markt neben der lokalen politischen Entwicklung auch von der Nachfrage in Europa und dem Angebot in Afghanistan geprägt. Das Projekt ENACT (Verbesserung der Reaktion Afrikas auf die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität) schätzt, dass jährlich 40 Tonnen Heroin durch die Region transportiert werden und fünf Tonnen vor Ort bleiben, wobei die tatsächlichen Mengen höher sein könnten.
Der größte Teil des Rauschgifts, welches Ost- und Südafrika passiert, ist für Märkte in Europa bestimmt, wo es weitaus höhere Profite einbringt. Während ein Gramm Heroin in Kenia zwischen 20 und 60 Dollar kostet, bringt es beispielsweise in Großbritannien oder in Dänemark ca. 213 Dollar.
Die lange Reise des Heroins beginnt in Afghanistan, wo Mohnpflanzen auf Hunderttausenden riesigen Ackerflächen angebaut werden. Die aus dem Mohn gewonnene Opiumpaste wird nach Pakistan transportiert und dort zu Heroin veredelt. Über Balutschistan wird es per Schnellboot auf andere Boote verlagert und an verschiedene Stationen an der afrikanischen Ostküste verschifft, teils per Landweg, teils per Seeweg.
So wird das Rauschgift von Somalia mit dem Auto, aber auch mit Booten weiter nach Kenia gebracht, oft zusammen mit anderen Schmuggelwaren. Der dortige Schwarzmarkthandel, hauptsächlich mit Zucker, Holzkohle, gefälschten elektronischen Waren und Waffen, wird von den kenianischen Streitkräften und deren somalischen Verbündeten kontrolliert, die die Waren besteuern - legal und illegal.
In Kenia, das laut der Studie eine "hochdynamische und aktive Matrix illegaler Aktivitäten" beherbergt, wird der Handel durch die moderne Infrastruktur sowie durch die Nähe zu den konfliktbasierten kriminellen Ökonomien am Horn von Afrika und in Zentralafrika begünstigt. Viele Schmuggelwaren gehen über Mombasa ins Innere sowie umgekehrt von dort aufs Meer. Heroin gelangt zudem auf verschiedenen Wegen in den Süden nach Tansania.
Der Heroinhandel findet entlang der Küste Tansanias sowie auf den zu Sansibar gehörenden Inseln Pemba, Unguja und Menuthras, die auch Mafia Island genannt wird, statt. Der Hafen von Sansibar ist ein Umschlagplatz für Schmuggler und hat seit dem 19. Jahrhundert eine Geschichte als Warendurchgangsort.
Auch die Stadt Arusha, ein wichtiger Ort für die ostafrikanische Diplomatie und das bedeutendste Reiseziel vor allem für Besucher, die den Kilimandscharo besteigen wollen, ist eine Drehscheibe für den Heroinmarkt.
Die Autoren der Studie konnten diese Stadt bisher leider nicht weiter untersuchen, dabei wäre die Koexistenz oder möglicherweise der Zusammenhang zwischen diplomatischen und Schmuggler-Aktivitäten von Interesse. Tansanische Netzwerke scheinen den Autoren zufolge einen großen Teil des sekundären Heroinmarktes in der Region zu kontrollieren oder zu koordinieren.
Eliten in Mosambik in den Handel verstrickt
Von Tansania gelangt das Heroin nach Sambia und schließlich weiter nach Südafrika, möglicherweise zum Teil über Simbabwe und Mosambik. Das ehemalige Bürgerkriegsland hat sich zu einem der wichtigsten Durchgangsorte des internationalen Heroinschmuggels entwickelt.
Auch die Eliten sind durch Verbindungen zu bedeutenden Kartellen verstrickt, darunter die regierende Partei FRELIMO. Diese Verbindungen gehen laut der Studie auf den Präsidenten Joaquim Chissano zurück, der das Land zwischen 1986 und 2005 regierte und an der Gründung der FRELIMO beteiligt war. Er wurde zwar mit hochdotierten Preisen für seine Regierungsarbeit ausgezeichnet, etwa dafür, dass er zur Beendigung des Bürgerkrieges beigetragen, die Demokratisierung und die wirtschaftliche Entwicklung vorangetrieben habe, hat aber laut den lokalen Interviewpartnern der Autoren der Studie eher Korruption und Schmuggel im Land vorangebracht.
Der Heroinhandel bringt dem Land geschätzte 600 bis 800 Millionen US-Dollar pro Jahr, der Frankfurter Rundschau zufolge entspricht das ungefähr den Deviseneinnahmen durch das Hauptexportgut Kohle.
Die Einnahmen kommen jedoch wohl nicht der Bevölkerung zugute, zumal beispielsweise die regierende Partei einigen der involvierten "Handelsunternehmen" Steuerbefreiungen gewährte und im Gegenzug Geld von diesen erhielt. Angeblich wurden auch Agenten von Mosambiks Geheimdienst (SISE) verdeckt im Hafen als Zollbeamte installiert.
Vorzeigeland statt Problembewältigung
Einer von Wikileaks veröffentlichten Depesche der US-Botschaft in der Hauptstadt Maputo aus dem Jahr 2009 ist zu entnehmen, dass zahlreiche andere internationale Drogenrouten durch Mosambik verlaufen, darunter für Kokain aus Brasilien, das mit dem Flugzeug über Johannesburg, Lissabon oder Luanda nach Maputo gelangt und über den Landweg, nicht selten per Maultier, nach Südafrika geschmuggelt wird.
Die Depesche zeugt zudem davon, dass die US-amerikanische Botschaft und das Außenamt in Washington seit langem über den Rauschgifthandel informiert sind, auch über die Namen der größten Händler pakistanischen Ursprungs.
Joseph Hanlon, Journalist, Sozialwissenschaftler und Dozent mit Fokus auf Mosambik, kritisiert, dass die internationale Gemeinschaft jedoch ein Auge zugedrückt und das Land als entwicklungspolitisches Vorzeigemodell dargestellt habe.
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