Nächste Woche findet in der finnischen Hauptstadt Helsinki das wohl wichtigste politische Ereignis in diesem Jahr statt. Wenn sich am 16. Juli die Präsidenten zweier geopolitischer Erzrivalen treffen, wird ihnen die Aufmerksamkeit der ganzen Welt gewiss sein. Dass es überhaupt zu so einem Treffen kommen konnte, wird angesichts der Eiszeit zwischen Washington und Moskau bereits als ein Erfolg gewertet. Die Erwartungen werden also eher nierdig angesetzt, was auch gut so ist. Würde man die Erwartungen hochschrauben, wäre ein Debakel vorprogrammiert, das nur zu noch größerer Verstimmung in den jeweiligen Lagern führen würde.
Was für ein heißes Eisen dieses Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin tatsächlich ist, zeigte sich bereits im Vorfeld am Besuch von sieben US-amerikanischen Senatoren und einer Kongressabgeordneten in Moskau vergangene Woche. Insbesondere der vermeintliche Schmusekurs der Republikaner, die zuvor am lautesten gegen Russland gepoltert haben, irritiert viele Menschen. So sagte beispielsweise Senator Richard Shelby, der die US-Delegation nach Russland anführte, beim Treffen mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow:
Wir haben angespannte Beziehungen. Aber wir könnten bessere Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland haben, weil es einige gemeinsame Interessen auf der Welt gibt, wo wir hoffentlich zusammenarbeiten können. Wir könnten Konkurrenten sein, (und) wir sind Konkurrenten. Aber wir müssen nicht zwangsläufig Gegner sein.
Ein weiterer Teilnehmer der Delegation, Senator Ron Johnson, konnte sich in Moskau mit eigenen Augen davon überzeugen, dass die Sanktionen gegen Russland ganz offensichtlich nicht den gewünschten – oder erhofften – Effekt erzielt haben. Statt einer in die Knie gezwungene Bevölkerung erlebte er ein ganz anderes Russland. Hunderttausende ausländische Besucher weilten im Land und feierten eine rundum gelungene Fußball-Weltmeisterschaft, bei der es ihnen an nichts fehlte. Die Läden waren voll mit Gütern und Lebensmitteln. Johnson meinte, dass die Sanktionen "offensichtlich keinen wirklich schrecklichen Effekt haben, und erst recht nicht in Moskau". Und das passte ihm ganz und gar nicht.
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Johnson ist zwar davon überzeugt, dass Russland "praktisch den Einflussbereich wiederherstellen will, den es zur Zeit der Sowjetunion hatte" und die USA deshalb mit "Stärke und Entschlusskraft" diese vermeintliche Entwicklung zurückdrängen müssen, dass dies "aber nicht bedeutet, dass wir Feinde sein müssen". Auch die Reaktion des US-Kongresses nach der angeblichen russischen Einmischung in den amerikanischen Wahlkampf sieht er mittlerweile kritisch:
Ich sagte ziemlich offen, dass die Einmischung in die Wahlen, so ernst und inakzeptabel sie auch war, nicht die größte Bedrohung für unsere Demokratie ist. Wir haben sie über alle Maßen aufgebauscht, als ob sie die größte Bedrohung für die Demokratie wäre. (…) Wir müssen wirklich ehrlich auswerten, was tatsächlich passiert ist, was für einen Effekt es hatte, und was für einen Effekt eigentlich unsere Sanktionen haben, positive oder negative.
Dass die achtköpfige US-Delegation überhaupt während des Unabhängigkeitstags am 4. Juli ausgerechnet in Russland weilte, versetzte viele Amerikaner in Rage. Clint Watts, ein Spezialist für Informationskriegsführung am Foreign Policy Research Institute mit regelmäßigen Auftritten vor Ausschüssen des Kongresses zu vermeintlichen russischen Operationen zur Einflussnahme in den USA, meinte dazu:
Kann nicht glauben, dass die GOP, früher einmal die Partei, die standhaft gegen die Sowjets stand und nur vor einem Jahrzehnt versuchte, den Mittleren Osten demokratisieren, jetzt so töricht vor Putin und der Kleptokratie des Kremls kapituliert, nur zwei Jahre nachdem Russland sich in die Wahlen einmischte.
US-Präsident weigert sich Putin als "Feind" zu beizeichnen
Richard Blumenthal, demokratischer Senator in Connecticut, meinte ebenfalls, ins gleiche Horn blasen zu müssen, indem er twitterte: "Sie sind Feinde und Gegner, (die) uns angreifen." Auch US-Präsident Donald Trump wurde geradeheraus gefragt, ob Wladimir Putin ein Freund oder ein Feind ist. Für ihn ist Putin ein "Mitbewerber", aber kein Feind.
Und dass sie ihre Wählerinnen und Wähler nicht zuvor über diese Reise informiert haben, sondern dass sie "diese Nachricht ausgerechnet aus russischen Medien" erhalten haben, macht viele offenbar ziemlich sauer. Auf die Nachricht von Julia Davis, Journalistin und "Expertin" beim zivilen Thinktank der NATO, dem Atlantic Council, dass russische Medien die veränderte Rhetorik der Politiker nach deren Ankunft in Russland aufgegriffen haben, reagierten viele User besonders sensibel.
Wie dem auch sei. Ganz offensichtlich hat die US-Delegation in Russland den richtigen Ton getroffen und sich mit ihren Gastgebern auf eine Art Fahrplan für das Gipfeltreffen in Helsinki einigen können. Die wichtigsten Themen werden dabei natürlich die Kriege in Syrien und der Ukraine sowie die angebliche russische Einmischung in die US-Wahlen sein, wenn man den Leaks aus Washington an einige US-Medien Glauben schenken darf.
Syrien könnte ein Thema sein, bei dem sich auch tatsächlich etwas Konkretes ergeben könnte. Mit dem Siegeszug der syrischen Truppen und den syrischen Alliierten, darunter natürlich Russland und der Iran, gegen Rebellen und Dschihadisten gleichermaßen könnte eine Einigung zwischen Trump und Putin sogar zu einer gesichtswahrenden Formel für die Amerikaner werden, damit die US-Intervention in Syrien nicht in einem ähnlichen Debakeln wie im Irak oder in Afghanistan endet. Und der Umstand, dass Präsident Trump gerne auf der Gewinnerseite steht, wird dieser Möglichkeit ein nicht zu unterschätzendes Gewicht verleihen. Zumal auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am 11. Juli, noch vor dem Treffen in Helsinki, nach Moskau reist, um mit Putin die Vorgehensweise in Syrien abzustimmen.
Laut russischen Berichten soll das Weiße Haus sogar den Vorschlag des Kremls für ein Abschlusskommuniqué akzeptiert haben, ein zweiseitiges Dokument, dem zufolge man den "Dialog zwischen russischen und amerikanischen Regierungsmitgliedern, Diplomaten, militärischen- und Sicherheitsdiensten aufrechterhalten" möchte. Des Weiteren soll die Entwicklung wirtschaftlicher Beziehungen und der Kontakt zwischen beiden Nationen beworben werden. Als einer der Stabilitätsfaktoren für die globale Sicherheit soll die bilaterale Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Russland gelten. Knackpunkt könnte laut russischen Quellen werden, dass Washington irgendeine Konzession von Moskau zum Thema "russischer Einmischung in den Wahlkampf" haben möchte, damit Trump seinen Hardlinern zu Hause zeigen kann, dass er sich nicht hat über den Tischen ziehen lassen.
Meinungsumfrage vor dem Trump-Putin-Treffen
Das russische Meinungsforschungsinstitut VTSIOM befragte die Bevölkerung zu ihren Erwartungen vor dem Gipfeltreffen von Trump und Putin in Helsinki und dem generellen Zustand der Beziehungen zwischen Russland und USA.
71 Prozent der Befragten glauben, dass beide Präsidenten in Helsinki den Versuch unternehmen werden, die eigenen Positionen jeweils auf Kosten des anderen zu stärken. 62 Prozent sind der Meinung, dass Wladimir Putin versuchen wird, eine Lösung im Konflikt mit Washington zu finden und die Beziehungen der beiden Länder zu verbessern. Hingegen erwarten 54 Prozent diese Verbesserung nicht innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre.
"Signifikante Resultate" des direkten Treffens der beiden Präsidenten erwarten 33 Prozent der Befragten in Russland, 56 Prozent erwarten keine "signifikanten Resultate", während ein Prozent denkt, dass es überhaupt keine Veränderungen in den Beziehungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten von Amerika geben wird.
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