Reza Khaasteh, der aus Teheran über aktuelle politische Ereignisse mit Iran-Bezug berichtet, ist Managing Editor und Analyst des populären Nachrichtenportals “Iran Front Page” (auf Persisch: Safhe-ye Avval). Das Portal ist eine der wenigen privaten und unabhängigen iranischen Nachrichten-Webseites mit englischsprachigem Publikum.
RT Deutsch: Trump stoppt das Atomabkommen mit dem Iran. Was sind die unmittelbaren Folgen für den Iran und seine Bevölkerung im Besonderen?
Reza Khaasteh: Der Rückzug könnte sofort zu schwerwiegenden Auswirkungen auf die iranische Wirtschaft, insbesondere auf die Devisen- und Goldmärkte, führen. Aber die iranische Regierung sagte, sie werde ihre endgültige Entscheidung nach einigen Wochen der Gespräche mit Europa erklären, und somit werden sich die möglichen Konsequenzen ergeben, sobald die Verhandlungen abgeschlossen sind. Das bedeutet, dass die Atmosphäre der Zweideutigkeit noch mindestens zwei Wochen lang bestehen bleibt.
Im Moment scheint die einzige unmittelbare Folge eine Enttäuschung über die jahrelange harte Arbeit und das Vertrauen in die USA zu sein. Hinzu kommt die öffentliche Empörung über Trumps Entscheidung.
Frankreich und Deutschland betonten, dass sie das Atomabkommen wegen des wirtschaftlichen Interesses beibehalten wollen.
Glauben Sie, Macron und Merkel können sich durchsetzen?
Die beiden Länder und sogar das Vereinigte Königreich auf einer niedrigeren Ebene scheinen entschlossen zu sein, das Abkommen aufrechtzuerhalten und weiterhin seine wirtschaftlichen Vorteile zu nutzen. Dies wiederholte Präsident Macron in seinem jüngsten Telefongespräch mit seinem iranischen Amtskollegen am Mittwoch.
Diese Positionen signalisieren eine positive Atmosphäre für die Teheran-E3-Gespräche in den kommenden Wochen, aber wir sollten abwarten, ob die drei Länder dem Iran die "Garantie" geben können, die Teheran für den Fortbestand des Abkommens wünscht. Was das Ergebnis dieser Gespräche betrifft, so muss man sehr optimistisch sein, aber es ist unwahrscheinlich, dass europäische Unternehmen und Banken angesichts der primären und sekundären Sanktionen der USA, die in 90 und dann 180 Tagen wieder eingeführt werden, mit ihren iranischen Kollegen weiterhin zusammenarbeiten können.
Gibt es einen Plan B in Form von wirtschaftlichen Integrationsprojekten für den Iran, wenn auch Europa scheitert?
Die Äußerungen von Ayatollah Chamenei am Mittwoch haben gezeigt, dass es keine Einigung geben wird, wenn Europa dem Iran nicht genügend Zusicherungen gibt. Ohne ein Abkommen würde der Iran sein Kernenergieprogramm wieder aufnehmen, und die EU würde ihre Sanktionen gegen die Islamische Republik erneut verhängen. Ein Plan B scheint also unwahrscheinlich zu sein.
Israel und Saudi-Arabien haben sich seit der Unterzeichnung des Atomabkommens gegen das Abkommen gewandt. Wie könnten beide Länder vom Scheitern der Vereinbarung profitieren?
Sowohl Riad als auch Tel Aviv waren empört über die engen Beziehungen zwischen dem Iran und den europäischen Ländern, die nach dem Atomabkommen zunehmend gefördert wurden. Wenn der Iran konstruktive Beziehungen zum Rest der Welt unterhält und der Weltöffentlichkeit ein friedliches Bild von sich vermittelt, wird seine Kritik an Israel und Saudi-Arabien ernster genommen.
Die Investitionen der europäischen Länder im Iran und die zunehmenden Exporte der Islamischen Republik in andere Teile der Welt stärken die Wirtschaft und die globale Position des Landes, was wiederum die regionale Macht Teherans fördern wird. Das bedeutet aber auch, dass Saudi-Arabien und Israel ins Hintertreffen kommen.
Ein isolierter Iran ist die beste Option für Riad und Tel Aviv. Israel greift regelmäßig iranische Truppen in Syrien an.
Warum hält sich der Iran mit Reaktionen zurück und wie könnten diese im konkreten Fall gegen Israel aussehen?
Der Iran zeigt derzeit Selbstbeherrschung, da er der Welt inmitten der anhaltenden antiiranischen Propaganda keinen neuen Vorwand geben will. Aber sie wird definitiv auf die israelischen Luftangriffe reagieren, zumindest in kleinem Umfang.
Wir bedanken uns für das Interview.
Das Interview führte RT-Deutsch Redakteur Ali Özkök.