Wer den westlichen Medien folgt, könnte meinen, Doping sei eine Art russischer Volkssport, ist doch seit Jahren über allerhand Skandale in diese Richtung berichtet worden.
Nicht nur die für ihre Schmiertiraden und oft unwahren Behauptungen bereits hinlänglich bekannte Bild titelte in typischer Überschrift-statt-Inhalt-Manier zum Beispiel "Do swidanja, ihr Doping-Russen!" Auch die seriöser anmutende, sich selbst als Intellektuellen-Blatt ernst nehmende Zeit ließ es sich nicht nehmen, das Land, seine Leute und die Regierung unter Generalverdacht zu stellen und der Manipulation zu bezichtigen, als sie im Juli 2016 die Schlagzeile "Doping in Russland- Im Reich der Manipulation" druckte und einen besorgten Artikel um die Frage strickte, ob Russland denn aufgrund des nun bewiesenen Staatsdopings auch wirklich von Olympia ausgeschlossen werden würde. In dieselbe Kerbe schlugen zahlreiche andere deutsche und internationale Medienkanäle.
Denn die internationale Behörde, die weltweit Maßnahmen gegen Doping im Leistungssport organisiert und auf die sich solche "Berichterstattung" gern bezieht, die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), hat entsprechende Maßnahmen vor allem gegen russische Teilnehmer erlassen.
Nach den Olympischen Winterspielen in Sotschi im Jahr 2014, als Russland wegen der Ukraine-Krise auch politisch an den Pranger gestellt wurde, suspendierte die WADA den russischen Leichtathletik-Verband (ARAF/RUSAF) und die Russische Anti-Doping-Agentur (RUSADA).
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Laut eines vom kanadischen Juristen Richard McLaren im Auftrag der WADA verfassten Berichts wurde in Russland systematisches, staatlich gesteuertes Doping betrieben. Im McLaren-Bericht hieß es, auf diese Weise seien zwischen 2011 und 2015 die Leistungen von über 1.000 Sportlern manipuliert worden. Der Bericht führte zum Ausschluss des russischen Leichtathletik-Teams von den Olympischen Sommerspielen in Rio 2016. In weiterer Folge kam es auch zu Russlands vollständigem Ausschluss von den Winterspielen im Pyeongchang 2018. Selbst russische Sportler, die gar nicht belastet wurden, durften nicht unter russischer Flagge teilnehmen, und auch Paralympics-Sportler wurden nach dem gleichen Schema dazu verdonnert, unter neutraler Flagge und ohne Hymne teilzunehmen.
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Auch im Hinblick auf die im Juni beginnende Fußballweltmeisterschaft in Russland waren die international anerkannte Anti-Doping-Instanz, WADA-Sonderermittler Richard McLaren, und alle ihm blind folgenden Medien im Jahr 2017 überzeugt, dass es ein "Vertuschungssystem für russische Fußballer" gebe, in das "russische Funktionäre" involviert waren, um verdächtige Dopingtests zu entwerten.
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Zunehmend bröckelten die scheinbar in Stein gemeißelten Mythen über vorrangig russische Dopingsünden und die Glaubwürdigkeit von Sonderermittler McLaren.
Doch nun bestätigt sogar der WADA-Bericht für das Jahr 2016 (auf den sich die oben zitierte Bild-Schlagzeile bezieht), dass Russland bei weitem nicht zu den erstrangigen Dopingsündern gehört. Aus der am 25. April veröffentlichten Auflistung von Doping-Verstößen der WADA geht hervor, dass Russland es nicht einmal in die Top Fünf der meisten Sportler mit Dopingverstößen geschafft hat.
Dem Bericht zufolge sind in dem Jahr insgesamt 1.595 Verstöße gegen Anti-Doping-Bestimmungen (Anti-Doping Rule Violations - ADRVs) bestätigt worden, begangen von Sportlern aus 117 Ländern und in 122 Sportarten. Die Gesamtanzahl beinhaltet sowohl 1.326 analytische, also durch positive Resultate der Urin- oder Blutproben bestätigte Fälle, als auch Vertuschung und damit verbundene Vorgänge.
Im Jahr 2016 waren es demnach in Italien 147 Sportler, die gegen Anti-Doping-Vorgaben verstoßen hatten, in Frankreich 86 Sportler und in den USA 76 Sportler. Erst auf dem sechsten Platz - mit 66 Sportlern - landete Russland, zusammen mit Indien.