Auf dem Treffen der NATO-Außenminister wurde unter anderem darüber diskutiert, was das transatlantische Militärbündnis zusätzlich tun könne, um auf die als aggressiv wahrgenommene Politik des Kremls zu reagieren. Konkret soll es dabei um sogenannte "hybride Bedrohungen" gehen. Darunter werden zum Beispiel Cyberattacken und die gezielte Verbreitung falscher oder irreführender Informationen verstanden.
Strategiepapier des Atlantic Council beschwört "russische Desinformation"
Passend zum Vorhaben, das "aggressive" Medienverhalten Russlands gemeinsam zu bekämpfen, erschien bereits im Februar 2018 ein von der NATO finanziertes Strategiepapier des Atlantic Council mit dem reaktiven Titel "Democratic Defense Against Disinformation". In diesem spielt auch der neue deutsche Außenminister Heiko Maas samt seines "Netz-DG" eine prominente Rolle.
Ausgangsargument für die Notwendigkeit, dem nach transatlantischer Lesart von Russland ausgehenden Medienkrieg mit adäquaten Mitteln zu begegnen, ist die bis heute unbewiesene Einmischung Russlands in die US-Präsidentschaftswahlen 2016. Auf Grundlage dieser "Erkenntnis" auf tönernen Füßen wird in der Hochglanzbroschüre die Schlussfolgerung gezogen, dass "Präsident Wladimir Putins Russland" danach strebe,
(…) westliche Demokratien und liberale Werte zu diskreditieren und eine postfaktische Welt zu kreieren (…).
Das Papier fokussiert sich dabei auf die Werkzeuge, mit denen "die Vereinigten Staaten und Europa" dem globalen und aggressiven Treiben Moskaus Einhalt gebieten sollten. Der zu entwickelnde Instrumentenkoffer könne dann von EU und NATO genutzt werden. Im Zentrum des "wertebasierten" und "demokratischen" Strebens steht demnach die Schaffung einer entsprechenden Koalition der Willigen:
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Wir empfehlen die Schaffung einer "Counter-Disinformation Coalition", einer informellen Gruppe von gleichgesinnten Regierungen und Nichtregierungsorganisationen.
Den Verteidigern journalistischer Ethik gehe es dabei vor allem um die Gefahr, die von russischen Medien wie "RT, Sputnik und weiteren mit dem Kreml verbundener Medienerzeugnisse" ausgehe. Doch der Kreml nutze bekanntlich auch "Bots, Trolle und die Kombination aus Mensch und Bot – den "Cyborg" –, um sein Demokratie und Freiheit zersetzendes Gift in die Welt zu tragen. Besonders perfide sei die russische Taktik, da diese sich nicht nachweisen lasse.
Wie die Anhörungen des Kongresses im Oktober 2017 ergaben, war der Umfang der russischen Infiltration breiter, anspruchsvoller und subversiver als von den meisten Experten erwartet. Viele Aktivitäten konnten nicht aufgedeckt werden, weil sie nicht Russland zugeschrieben werden konnten, z.B. die Internet Research Agency (IRA) - die russische Trollfarm (…)", heißt es in dem Strategiepapier.
Registrierung von RT als "ausländischer Agent" ein erster Schritt
Nun sei es also höchste Zeit, der immensen Gefahr und dem russischen Vorsprung in Sachen Destabilisierungs-Taktiken mit der Entwicklung eigener Instrumente zu begegnen. Ein "erster Schritt", den die USA in diesem Sinne unternahmen, war die Brandmarkung von RT als "ausländischer Agent" im Namen des "Foreign Registration Act (FARA)" am 13. November 2017.
Doch es sei noch zu schwierig, die dadurch gegen RT zur Verfügung stehenden Druckmittel auch vollumfänglich einzusetzen. Die entsprechenden legislativen Notwendigkeiten sollten daher nun geschaffen werden.
Von besonderer Dringlichkeit sei demnach ebenso, der "Informationsaustausch zwischen Social-Media-Plattformen und der Gemeinschaft der Nachrichtendienste, um aufkommende Bedrohungen zu identifizieren".
Die US-Regierung sollte ein Büro einrichten, das als Anlaufstelle für privatwirtschaftliche Unternehmen in Bezug auf diese Informationen dient. Diese Koordinierungsstelle soll die Verbindung und den Austausch von Informationen gewährleisten, zwischen dem Büro des Direktors des nationalen Geheimdienstes (ODNI), dem Department of Homeland Security (DHS), dem GEC und den zuständigen Aufsichtsgremien des Kongresses", rät das Strategiepapier.
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Um das Sammelsurium an anti-russischen Maßnahmen gebührend "zu gestalten, zu koordinieren und zu planen", bedarf es jedoch auch der Hilfe des FBI, der CIA des Verteidigungsministeriums, des bereits genannten DHS und "anderer relevanter Institutionen".
Selbstredend stehen auch allerlei finanzielle Sanktionen gegen "russische Bot-Fabriken und Troll-Farmen", aber auch "Personen und Gesellschaften, die diese finanzieren" im Raum der vermeintlich defensiven transatlantischen Maßnahmen.
Auch Europa solle seinen Teil dazu beitragen, der russischen Medien-Aggression Herr zu werden. Dabei gelte es jedoch, die Gefahr der "Zensur" nicht aus den Augen zu verlieren.
EU und NATO können in Abstimmung mit den nationalen Regierungen eine direkte Rolle bei der Bekämpfung der russischen Propagandaorgane spielen", sind sich die Strategen der US-Denkfabrik sicher.
Heiko Maas als europäischer Vorzeigepolitiker
Besonderes transatlantisches Lob erfährt dabei als einziger verantwortlicher EU-Politiker der deutsche Außenminister Heiko Maas. Das von Maas ins Werk gesetzte "NetzDG" sei dabei ein durchaus nützliches Instrument:
(…) Das NetzDG, als welches die Maßnahme weithin bekannt ist, beinhaltet eine weitreichende Vorschrift, um zweifelhafte Inhalte jenseits offensichtlicher Hassreden zu regulieren", heißt es zuversichtlich.
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Staaten wie Frankreich würden demnach bei der Implementierung ähnlicher Regelwerke noch hinterherhinken, auch aufgrund der Kritik, dass dadurch möglicherweise die freie Meinungsäußerung gefährdet sei. Letztendlich jedoch bedürfe der "Sieg im neuen Informationskrieg" ohnehin einen "gesamtgesellschaftlichen Ansatz".
Die Speerspitze des Atlantic Council im Kampf gegen die vermeintliche "russische Desinformation" ist Ben Nimmo, seines Zeichens Leiter des Digital Forensic Research Labs der insbesondere in Washington und London gut vernetzten US-Denkfabrik. Diese betreibt auch eine Onlineplattform mit dem ebenso eingängigen wie orwellschen Namen "#TrollTracker". Hauptaufgabe der Initiative: das digitale Aufspüren angeblicher "russischer Trolle", die im Internet ihr Unwesen trieben.
Wer sich etwa kritisch zu den sogenannten "Weißhelmen" in Syrien oder den Mainstreammedien äußert, wird prompt als russischer Troll gebrandmarkt. Dabei erwischt es bislang offensichtlich vor allem unbescholtene britische Bürger.
Vor diesem Hintergrund ist es offensichtlich, aus welcher Richtung der Wind bei dem NATO-Treffen in Brüssel wehte.
Maas verspricht Verteidigungsausgaben anzuheben
Weitere Themen des Treffens waren die Lage in Afghanistan und die Fortschritte der Beitrittskandidatenländer Georgien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. Zudem waren auch die Planungen für den neuen Ausbildungseinsatz im Irak ein Thema. Dieser soll beim NATO-Gipfel in Juli offiziell gestartet werden.
Bei der NATO-Zusammenkunft ging es auch wieder einmal um das Thema der Verteidigungsausgaben. Die USA fordern vor allem von Deutschland, mehr Geld auszugeben.
Für die Bundesregierung war Außenminister Heiko Maas zu dem NATO-Treffen gereist. Dort versprach er dann, die deutschen Verteidigungsausgaben von derzeit 1,24 "schrittweise" auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Bei dieser Gelegenheit verwies er darauf, dass die Bundesregierung bereits in der letzten Legislaturperiode, in der er Justizminister war, mehr in Rüstung investiert habe.