Kritische Stimmen mahnen seit langem, Deutschland leiste den Vereinigten Staaten bei möglicherweise völkerrechtswidrigen Drohneneinsätzen unter anderem im Jemen, in Pakistan oder Afghanistan bereitwillig und kostengünstig Hilfe.
Jährlich protestiert die Bewegung "Stopp Ramstein" mit dem Ziel, die Bevölkerung über die zentrale Rolle von Ramstein in der NATO-Kriegsführung aufzuklären - vor dem Militärflugplatz der United States Air Force in Ramstein, der größten US-Luftwaffenbasis auf deutschem Boden.
In einem aktuellen Bericht erklärt jetzt auch Amnesty International, dass es
deutliche Anzeichen dafür [gibt], dass die Bundesregierung wissentlich Völkerrechtsverstöße der US-Regierung unterstützt. Deutsche Geheimdienstinformationen tragen möglicherweise zu Drohnenangriffen bei.
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USA können Signale wegen Erdkrümmung nicht direkt senden
Seit Jahren unternimmt die Bundesregierung demnach zu wenig, um sicherzustellen, dass sie keine Beihilfe leiste zu US-Drohnenangriffen, die das humanitäre Völkerrecht verletzten.
Aus Sicht von Amnesty International schöpft die Bundesregierung ihren Handlungsspielraum gegen völkerrechtswidrige Drohnenangriffe der USA nicht aus: Sie muss dringend Safeguards entwickeln, mit denen sichergestellt wird, dass die Bundesregierung keine wissentliche Beihilfe zu Völkerrechtsbrüchen leistet", so Maria Scharlau, Völkerrechtsexpertin bei Amnesty International in Deutschland.
Die Bundesregierung dulde, dass das US-Militär den Stützpunkt Ramstein auf deutschem Boden nutzt, um mithilfe des Kommunikationssystems GILGAMESH Signale für die Drohnenpiloten in die Einsatzstaaten weiterzuleiten. Da eine direkte Steuerung der Drohneneinsätze vom US-Boden aus aufgrund der Distanz und der Erdkrümmung nicht möglich wäre, seien die USA für ihren umstrittenen Drohneneinsatz auf die Nutzung von Ramstein angewiesen, und das sei der Bundesregierung bekannt.
Jahrelang hat die Bundesregierung sich darauf berufen, nicht genau zu wissen, welche Rolle Ramstein in der Ausführung der Drohnenangriffe spielt, und damit eine eigene Mitverantwortung abgelehnt. Spätestens im August 2016 informierte die US-Botschaft das Auswärtige Amt aber über die entscheidende Rolle von Ramstein. Mit diesem Wissen muss die Bundesregierung endlich dafür sorgen, dass keine völkerrechtswidrigen US-Drohnenangriffe von deutschem Boden aus unterstützt werden", sagt Scharlau.
Darüber hinaus gäben deutsche Behörden geheimdienstliche Informationen wie zum Beispiel Handynummern und E-Mail-Adressen an die USA weiter, von denen nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie die Lokalisierung von Personen und damit gezielte tödliche Drohnenangriffe erst ermöglichen.
Amnesty International: "Berlin macht es sich leicht und agiert realitätsfremd"
"Die Bundesregierung macht es sich zu leicht", erklärt Scharlau weiter. "Seit Jahren dokumentieren Amnesty International, Human Rights Watch, das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und UN-Sonderberichterstatter, dass die USA durch ihre Drohnenangriffe regelmäßig gegen Völkerrecht verstoßen."
Denn die USA setzten Drohnen auch außerhalb von bewaffneten Konflikten wie in Syrien, Somalia oder dem Irak ein. Dabei nähmen sie die "Tötung auch von einer großen Zahl von Zivilisten in Kauf" und leisteten keine Aufklärung oder Entschädigung nach derartigen Angriffen, heißt es weiter bei Amnesty International.
In dem Bericht mit dem Titel "Deadly Assistance: The role of European states in US Drone Strikes" gehen die Menschenrechtler auch auf die Rolle anderer europäischer Staaten in den Drohnenkriegen ein, darunter jene Großbritanniens, der Niederlande und Italiens.
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Insbesondere vor dem Hintergrund der Ankündigung des US-Präsidenten Donald Trump, das Drohnen-Programm noch weiter auszubauen, gewinne deren Unterstützung für die Drohneneinsätze zunehmend an Brisanz.
Das Drohnenprogramm ist massiv ausgebaut worden, wir gehen daher von einer deutlichen Zunahme der Völkerrechtsverstöße aus. Sich trotzdem auf die Zusage der USA zu verlassen, sie hielten das Völkerrecht ein, ist realitätsfremd", so Scharlau.
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