Nach der Sondersitzung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zum Fall Skripal antwortete der britische Außenminister Boris Johnson auf die Frage, ob es Parallelen zwischen der Nazi-Olympia von 1936 mit der kommenden Fußball-WM in Russland gebe:
Ich denke, der Vergleich mit 1936 ist sicherlich richtig. Mir wird schlecht wenn ich daran denke, wie Putin durch dieses Sportereignis verherrlicht wird.
Auf die Frage, warum in diesem Fall Englands WM-Team nicht vom Turnier abgezogen wurde, sagte er, "es wäre falsch, die Nationalmannschaft zu bestrafen".
Ein solcher verbaler Ausfall sei "eines Leiters des diplomatischen Dienstes eines europäischen Staates unwürdig", unterstrich die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Sie fügte hinzu, dass es "beängstigend" sei, dass Johnson ein "Vertreter einer Atommacht" ist.
In seiner Tirade wies der britische Außenminister unmissverständlich Russland die Schuld für die jüngste Vergiftung des Doppelagenten Sergei Skripal zu und erklärte dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, dass der Angriff auf Skripal eine Botschaft an russische Überläufer sei:
Niemand kann dem langen Arm der russischen Rache entkommen.
Johnson gilt als einer der glühendsten Tory-Abgeordneten, die zurzeit Russland attackieren. Er beschuldigte sogar den russischen Präsidenten Wladimir Putin, die Vergiftung persönlich angeordnet zu haben.
Weiter führte er aus, dass das Nervenmittel A-234 (auch bekannt als Nowitschok) verwendet wurde, "um eine russische Unterschrift unter die Tat zu setzen, indem ein bestimmter Typ von Nervenmittel verwendet wurde, der in der Sowjetunion, in Russland, entwickelt wurde. Es war ein Zeichen, dass kein ehemaliger russischer Agent dagegen immun ist."
Johnson: Russische Wahlen waren Anlass für Attentat
Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten hörte außerdem, wie Johnson seine Überzeugung zum Ausdruck brachte, wonach der Zeitpunkt der Vergiftung wahrscheinlich mit den russischen Präsidentschaftswahlen am Wochenende zusammenhängt, die Putin überragend gewann.
Das Timing [des Angriffs von Salisbury] ist wahrscheinlich enger mit den jüngsten Wahlen in Russland verbunden", sagte Johnson. "Und wie es viele undemokratische Persönlichkeiten tun, wenn sie einer Wahl oder einem kritischen politischen Moment gegenübersehen, ist es oft attraktiv, in der öffentlichen Vorstellung den Begriff des Feindes heraufzubeschwören.
Laut Johnson soll der angebliche russische Angriff auf britischem Boden nicht gegen Großbritannien oder sogar Europa gerichtet gewesen sein. Dabei habe es sich stattdessen um eine Kraftprobe Putins gehandelt, die für das russische Publikum gedacht gewesen sei.
Ich glaube, Wladimir Putin will Ärger machen, wo immer er kann. Sein Hauptpublikum dafür sind nicht wir, sondern sein heimisches Publikum, das nach all diesen Demütigungen wieder das Gefühl haben will, dass Russland stark ist.
Johnson fuhr fort, dem Ausschuss zu erklären, dass die britische Regierung nicht versuche, einen modernen Kalten Krieg auszulösen:
Ich will ganz klar sein – wir wollen keinen neuen Kalten Krieg. Ich erinnere mich an den alten Kalten Krieg und es war eine ziemlich miserable Zeit.
Weiter sagte er:
Ich wuchs mit der Sorge auf, dass unser Land durch einen thermonuklearen Schlag verdampfen würde. Ich glaube nicht, dass wir einer solchen existenziellen Bedrohung ausgesetzt sind, aber es ist trotzdem eine Bedrohung, und wir müssen sehr hart und entschlossen sein.
Moskau weist die unbewiesenen Vorwürfe zurück
Russland hat alle Vorwürfe entschieden zurückgewiesen und das Vereinigte Königreich aufgefordert, Proben des Nervengases oder andere Beweise vorzulegen, anstatt nur Anschuldigungen zu erheben.
Während seiner Teilnahme an der Andrew Marr Show des Senders BBC am Sonntag, sagte Johnson, dass Experten von der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) Testproben der fraglichen Substanz nehmen würden. Er bezichtigte Russland, den Nowitschok-Nervenstoff entwickelt und gelagert zuhaben, und behauptete, dass das Vereinigte Königreich "in den letzten zehn Jahren Beweise gesammelt hat", dass Moskau "zum Zwecke des Mordes" Nervenstoffe entwickelt habe.
Letzte Woche stellte Premierministerin Theresa May Moskau ein Ultimatum, in dem sie forderte, die Details des angeblichen Skripal-Plans zu enthüllen. Nachdem ihre Forderung abgelehnt wurde, verhängte das Vereinigte Königreich Sanktionen gegen Moskau. Dazu gehörten die Ausweisung von 23 Diplomaten, die Einschränkung der diplomatischen Beziehungen und das Einfrieren des russischen Staatsvermögens im Vereinigten Königreich.
Daraufhin wurden 23 Mitarbeiter der britischen Botschaft in Moskau zu unerwünschten Personen erklärt. In der letzten Woche erklärte der russische Außenminister Sergei Lawrow:
Die Tatsache, dass sie sich kategorisch weigern, einen offiziellen Antrag zu stellen und absichtlich und arrogant antirussische Rhetorik in der an Hysterie grenzenden Öffentlichkeit verbreiten, zeigt, dass sie klar verstehen, dass sie keinen formalen Vorwand haben, um einen legalen Weg einzuschlagen.