In einem Live-Interview mit Bild wurde die deutsche Verteidigungsministerin von der Leyen gebeten, einen Satz zu vervollständigen, der wie folgt begann: "Sanktionen gegen Gerhard Schröder..." Sie antwortete "... sind mit großer Vorsicht zu erwägen". Das Interview befasste sich mit Russland nach der Wiederwahl Wladimir Putins. In diesem wurde Russland als "wirtschaftlich schwacher Aggressor" dargestellt. Gemessen an dieser angeblichen wirtschaftlichen Schwäche scheint die Debatte um europäisch-russische Wirtschaftsprojekte jedoch recht aufgeregt zu verlaufen.
Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin im Bild-Interview:
Es ist wichtig, dass es Sanktionen [...] auch gegen diejenigen [gibt], die im Ausland Putins Projekte vorantreiben. Gerhard Schröder ist für Putin weltweit der wichtigste Lobbyist. Es sollte deshalb geprüft werden, wie die EU hier handeln kann.
Nach Ende seiner Amtszeit als Bundeskanzler 2005 wechselte Schröder zu Nord Stream, einem wichtigen europäisch-russischen Energieprojekt für Gaslieferungen, an dem die russische Firma Gazprom in hohem Maße beteiligt ist. Die Regierung in Kiew übt immer wieder Kritik an Nord Stream und fühlt sich außen vor gelassen.
Das Projekt Nord Stream dient auch aus russischer Sicht dem Anliegen, bei Lieferungen von Erdgas nach Westeuropa den Weg durch die Ukraine zu umgehen. Angesichts der dortigen Krise und der Spannungen mit Russland könnte dies zur Beruhigung der Lage beitragen. Westliche Politiker, die eine stärkere Konfrontationspolitik mit Russland befürworten, und Nachbarländer wie Polen oder die Baltenrepubliken sehen in Nord Stream hingegen einen vermeintlichen Versuch Moskaus, Europa noch stärker von russischen Energielieferungen abhängig zu machen.
Im Jahr 2017 wurde Schröder Chef des Aufsichtsrats des russischen Energiekonzerns Rosneft. Elmar Brok, CDU-Außenexperte, sagte der Bild:
Und es ist erstaunlich, dass das bislang noch ohne Konsequenzen in der öffentlichen Diskussion geblieben ist.
Auch der Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir kritisierte, dass Schröder "zum Propagandisten von Putin mutiert" sei, und erklärte:
Wer Schröder bucht, muss wissen, dass er ein Putin-Sprachrohr bekommt.
Das Wall Street Journal veröffentlichte einen Meinungsbeitrag, in welchem Schröder als "einer der wichtigsten Oligarchen Putins" bezeichnet wurde. Er sei ein "trojanisches Pferd für russische Interessen innerhalb der EU". Sigmar Gabriel kündigte an, dass er jetzt nach Ende seiner Amtszeit als Außenminister keine Lobbyarbeit anstreben werde.
(rt deutsch/dpa)