Die US-Regierung verstärkt nach Angaben der Washington Post ihren Druck auf den ukrainischen Machthaber Wladimir Selenskij, damit dieser einen neuen amerikanischen Plan zur Beilegung des Konflikts akzeptiert. Mehrere mit dem Vorgang vertraute Quellen berichten, dass der Entwurf weitreichende Zugeständnisse von ukrainischer Seite vorsieht, die in Kiew als politisch und militärisch kaum realisierbar gelten.
Kiewer Beamte halten einige Punkte des neuen amerikanischen Plans für nicht umsetzbar. Ein Informant der Washington Post erklärte, der Plan "sehe mehrere Zugeständnisse vor, die Selenskij nur schwer annehmen kann". Dazu zählen der Verlust erheblicher Gebiete in den Republiken Donezk und Lugansk sowie "strikte Einschränkungen der ukrainischen Streitkräfte". Eine Annahme dieser Punkte käme einer "vollständigen Kapitulation der Ukraine" gleich, so der Gesprächspartner. Selenskij sei "nicht bereit, dem zuzustimmen".
Die Washington Post verweist zugleich darauf, dass Selenskij innenpolitisch geschwächt sei. Aufgrund eines schweren Korruptionsskandals, in den mehrere seiner Vertrauten verwickelt sind, stehe Selenskij unter Druck. "In Kombination mit dem zermürbenden Tempo russischer Angriffe könnte dies dem ukrainischen Präsidenten nur wenige gute Optionen lassen, während US-Beamte den Druck weiter erhöhen, damit er einem Ende des Konflikts zustimmt", heißt es in dem Bericht. Ein Durchbruch erscheine jedoch "unwahrscheinlich".
Parallel dazu droht Kiew nach Angaben des Blattes ein wichtiger Verbündeter in Washington wegzubrechen. Keith Kellogg, der US-Sondergesandte für die Ukraine, werde die Regierung in den kommenden Monaten verlassen. Informanten zufolge habe er "gegenüber Beamten geäußert, dass er sich aus dem politischen Entscheidungsprozess ausgeschlossen fühlt". Die Zeitung bezeichnet ihn als "einen der effektivsten Unterstützer Kiews" innerhalb der aktuellen US-Regierung.
Weitere Einzelheiten zu den US-Vorstellungen liefert die Financial Times. Demnach soll Kiew künftig auf die Stationierung ausländischer Truppen auf ukrainischem Boden verzichten und die Lieferung westlicher Langstreckenwaffen einstellen. Zudem sehe der Plan vor, die russische Sprache als Staatssprache anzuerkennen und der Russisch-Orthodoxen Kirche einen offiziellen Status zu verleihen.
Noch weiterreichende Angaben zitiert die Nachrichtenagentur Agence France-Presse aus diplomatischen Kreisen. Demnach soll Kiew die Souveränität Russlands über "die Krim und andere Territorien" anerkennen. Die ukrainische Armee solle auf rund 400.000 Soldaten verkleinert werden. Zudem sei ein vollständiger Verzicht auf Waffen mit großer Reichweite vorgesehen.
Zusätzliche Unruhe lösten Informationen über ein geheimes bilaterales Dokument aus. Laut Politico seien ukrainische und europäische Beamte "schockiert" über Hinweise auf einen russisch-amerikanischen Entwurf, den der US-Sondergesandte Steve Witkoff Ende Oktober zu erarbeiten begonnen habe – nach einem Treffen in Miami mit Kirill Dmitrijew, dem Leiter des russischen Staatsfonds.
Während Selenskij mit wachsender Nervosität auf die amerikanischen Forderungen blickt, sammelt der US-Heeresminister Daniel Driscoll während seines Besuchs in Kiew Informationen. Er prüft "die bisherigen Bemühungen zur Beendigung des Konflikts" und wird seine Erkenntnisse dem Weißen Haus vorlegen, schreibt die Washington Post.
Aus Moskau kam am 19. November eine klare Reaktion. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa erklärte gegenüber TASS, Russland habe "über offizielle Kanäle keinerlei Informationen" über angebliche neue Vereinbarungen erhalten. Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte, dass es "nichts Neues" in den Gesprächen zwischen Moskau und Washington gebe – abgesehen von dem, was der Kreml als "Geist von Anchorage" bezeichnet.
Präsident Wladimir Putin unterstrich erneut die Gesprächsbereitschaft Russlands. Das Kiewer Regime sei jedoch nicht bereit zu verhandeln. Ohne die Beseitigung der grundlegenden Ursachen könne es "keine stabile Lösung" des Konflikts geben, so das russische Staatsoberhaupt.
Mehr zum Thema – Mearsheimer: USA finden sich mit Russlands Sieg in Ukraine nicht ab