In der südukrainischen Hafenstadt Odessa wurde das Denkmal für den russischen Dichter Alexander Puschkin mit Sperrholzplatten vernagelt. Die Statue war Ende des 19. Jahrhunderts errichtet worden und steht seitdem prominent auf dem Primorskij Boulevard gegenüber dem Gebäude des Stadtrats. Zahlreiche lokale Telegram-Kanäle teilten Videos, die zeigen, wie Bauarbeiter im Dunkeln die Büste mithilfe einer Hebebühne vernageln.
Weitere Videos zeigen, wie der Holzsarkophag schon am nächsten Morgen aussah. Wie auf den Aufnahmen zu sehen ist, wurden nach der Verbarrikadierung des Denkmals mit Brettern bereits ein Dreizack und das Symbol der Asow-Bewegung – eine Variation des Wolfangels – mit Sprühfarbe angebracht.
Nach Angaben lokaler Medien wurde die Entscheidung, das Denkmal zu verdecken, nicht von den Stadtbehörden getroffen, sondern vom Leiter der Regionalverwaltung, Oleg Kiper. Die Aktion erfolgte auffälligerweise bereits einen Tag nach der Festnahme des Oberbürgermeisters Gennadij Truchanow, der sich der Demontage des Denkmals widersetzt hatte. Die Puschkin-Büste in Odessa ist eines der wenigen in der Ukraine noch verbliebenen Denkmäler für berühmte russische Kulturschaffende. Das Puschkin-Denkmal in Kiew war noch im Jahr 2023 demontiert worden. Zuvor war es bereits mehrfach mit Sprühfarbe geschändet worden.
Das Denkmal auf dem Primorskij Boulevard wurde in den Jahren 1887–1889 mit Mitteln errichtet, die vom Stadtrat bereitgestellt und von den Einwohnern Odessas gespendet wurden. Auf der Vorderseite des Denkmals, die zum Boulevard hin ausgerichtet ist, befindet sich die Inschrift "A. S. Puschkin von den Bürgern Odessas", die damit unterstreicht, mit wessen Mitteln das Denkmal errichtet wurde. Die Büste wurde von einer der wenigen Bildhauerinnen des 19. Jahrhunderts, der Ehefrau des Dichters Jakow Polonski, Josephine Polonskaja, geschaffen.
Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799–1837) schuf viele poetische und prosaische Meisterwerke. Er gilt als Gründer der modernen russischen Literatursprache und ist eine wichtige Kultur- und Identifikationsfigur. In den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts verbrachte er insgesamt rund 14 Monate in Odessa. Ukrainische Nationalisten werfen Puschkin Propaganda des russischen Imperialismus vor. Allerdings streben sie die Abkehr nicht nur von Puschkin, sondern von der gesamten Kultur und Wissenschaft mit Russlandbezug an. So werden auch Bücher in russischer Sprache massenweise aus Bibliotheken entfernt und vernichtet.
Die Vernagelung der Puschkin-Büste auf dem Primorkij Boulevard ist ein sicheres Anzeichen einer bevorstehenden Demontage. Zum Abriss freigegeben wurde sie noch im letzten Jahr. Ebenso war es dem Denkmal für die Kaiserin Jekaterina die Große, die Gründerin der Stadt, ergangen. Im November 2022 haben es die Bauarbeiter mit Sperrholzplatten vernagelt, nur wenige Wochen später wurde es mit einem Baukran vom Sockel genommen und entfernt. Für den Abriss des Denkmals stimmte damals auch der Odessaer Stadtrat.
Das Odessaer Puschkin-Denkmal ist hingegen UNESCO‑Kulturerbe. Allerdings schweigt die internationale Organisation bislang zu dem geplanten Abriss. Insgesamt erfährt Kiews Feldzug gegen die Kultur und Erinnerung keine Kritik von den Vereinten Nationen. Westliche Beobachter zeigen in der Regel sogar Verständnis für die Vernichtung des russischen Erbes in der Ukraine und bringen diese mit der Befreiung von einer "kolonialen" Vergangenheit in Verbindung.
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