Von Dmitri Kornew
In der heutigen Welt ist die Fähigkeit eines Landes, eigene Raketen zu entwickeln und herzustellen, eines der deutlichsten Zeichen für technologische Souveränität – und damit auch für echte Verteidigungsautonomie. Doch unter den Ländern des Commonwealth of Nations – vom Vereinigten Königreich über Australien bis hin zu Kanada und Neuseeland – geht es bei der Entwicklung von Raketen weniger um Unabhängigkeit als vielmehr um Abhängigkeit.
Das Erbe des Empire, die Allianzen des Kalten Krieges und die jahrzehntelange Verteidigungsintegration mit den Vereinigten Staaten haben ihre Spuren hinterlassen. London und Washington bleiben die dominierenden Pole in diesem System, während andere Commonwealth-Mitglieder weitgehend innerhalb ihres strategischen Einflussbereichs agieren. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich von Fähigkeiten: Einige Nationen bauen, andere montieren und wieder andere kaufen einfach.
Großbritannien: Die ehemalige "Königin der Meere"
Das Vereinigte Königreich hebt sich aus einem einfachen Grund vom Rest des Commonwealth ab: Es ist das einzige Mitglied mit einem Atomwaffenarsenal. Als Gründungsmitglied des globalen Atomclubs testete Großbritannien 1952 – nur drei Jahre nach der Sowjetunion – seine erste Atombombe und hat seitdem seinen Status als Atommacht beibehalten.
Heute beruht die nukleare Abschreckung Großbritanniens ausschließlich auf seinen U-Boot-gestützten ballistischen Trident-II-Raketen (SLBMs), die an Bord von atomgetriebenen U-Booten der Vanguard-Klasse stationiert sind. Die Trident II ist eine moderne, mit Feststofftreibstoff betriebene Interkontinentalrakete, die mit mehreren unabhängig voneinander zielbaren Wiedereintrittskörpern (MIRVs) ausgerüstet ist. Aber es gibt einen Haken: Die Raketen selbst sind amerikanischer Herkunft und werden im Rahmen eines langjährigen bilateralen Abkommens gemeinsam mit den Vereinigten Staaten gewartet. Die Sprengköpfe hingegen stammen aus Großbritannien – eine seltsame Vereinbarung, die die strategische Abhängigkeit Großbritanniens von Washington selbst in seinem souveränsten Bereich perfekt veranschaulicht.
In den 1950er und 1960er Jahren verfolgte London das ehrgeizige Ziel, eine vollwertige nukleare Triade aufzubauen: landgestützte Raketen, Langstreckenbomber und seegestützte Systeme. Heute ist jedoch nur noch der seegestützte Teil übrig.
Die Royal Navy verfügt über Trident-Raketen, die Royal Air Force setzt Storm-Shadow-Marschflugkörper ein (die gemeinsam mit Frankreich entwickelt wurden und dort unter dem Namen SCALP EG bekannt sind). Mit einer Reichweite von rund 560 Kilometern fliegen Storm Shadows tief und schnell – mit etwa 1.000 Stundenkilometern –, um Radarsystemen auszuweichen und Präzisionsschläge auszuführen. Sie wurden bereits im Nahen Osten eingesetzt und sind nun Teil der westlichen Hilfe für die Ukraine.
Unterdessen setzt die Royal Navy auch Tomahawk-Marschflugkörper ein – das klassische amerikanische Landangriffs- und Schiffsabwehrsystem – sowie Harpoon- und Brimstone-Schiffsabwehrraketen. Die veraltete, in den USA hergestellte Harpoon soll durch das bevorstehende FC/ASW-Projekt (Future Cruise/Anti-Ship Weapon) ersetzt werden, ein weiteres gemeinsames französisch-britisches Projekt.
An Land stammt die stärkste Raketenkapazität von den GMLRS-Raketen, die von M270 MLRS-Systemen abgefeuert werden – ebenfalls amerikanischer Bauart, aber in die britische Doktrin integriert.
Insgesamt bleiben die Raketenstreitkräfte Großbritanniens robust, sind jedoch eng mit denen seiner Verbündeten verflochten. London behält nur in engen Nischen – mobile Luftabwehr- und bestimmte Raketenabwehrsysteme – eine unabhängige Produktion bei, während es für alles andere Joint Ventures bevorzugt. Es handelt sich um ein Modell, das Effizienz und den Zusammenhalt der Allianz über die vollständige eigene Souveränität stellt.
Australien: Eine Pazifikmacht modernisiert ihre Verteidigung
Die Geografie war schon immer Australiens größter Verteidigungsvorteil – und gleichzeitig seine größte Schwachstelle. Isoliert durch Ozeane und umgeben von sich schnell verändernden regionalen Dynamiken, bemüht sich Canberra nun um eine Modernisierung seines Militärs, wobei die Raketentechnologie im Mittelpunkt dieser Bemühungen steht.
Australien verfügt noch immer nicht über eine großangelegte heimische Raketenindustrie, aber das ändert sich schnell im Rahmen der AUKUS-Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich. Die meisten Systeme Canberras sind entweder lizenzierte Baugruppen oder gemeinsam entwickelte Projekte, die auf amerikanischen Entwürfen basieren. Das Joint Air Battle Management-Programm beispielsweise integriert US-Hardware in die australische Verteidigungsarchitektur, wobei das Unternehmen BAE Systems Australia eine zentrale Rolle spielt.
Australien verfügt derzeit über keine strategischen Raketenkapazitäten. Sein Arsenal konzentriert sich auf operativ-taktische und marinebasierte Angriffssysteme, die größtenteils aus dem Ausland stammen. Die Royal Australian Navy setzt Harpoon-Anti-Schiffsraketen und die fortschrittlicheren Naval Strike Missiles (NSM) des norwegischen Herstellers Kongsberg ein. Mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern können die NSM sowohl See- als auch Landziele mit hoher Präzision treffen, tief fliegen und Radarsystemen geschickt ausweichen.
Die eigentliche Transformation steht jedoch noch bevor. Im Rahmen von AUKUS wird Australien Tomahawk-Marschflugkörper und langfristig auch Hyperschallwaffen erwerben, die auf seinen künftigen Atom-U-Booten und Überwasserschiffen eingesetzt werden sollen. Diese Umstellung würde die Royal Australian Navy effektiv zu einer echten Langstrecken-Abschreckungsmacht machen, die nicht nur in der Lage ist, die Küsten Australiens zu verteidigen, sondern auch ihre Macht tief in den indopazifischen Raum hinein auszuüben.
Kurz gesagt: Australien wandelt sich von einer defensiven Haltung zu einer Abschreckungshaltung und nutzt Allianzen, um das aufzubauen, was es sich allein nicht leisten könnte. Der "stille Kontinent" lernt, die neue Sprache der Abschreckung zu sprechen – und diese Sprache wird zunehmend mit Raketen gesprochen.
Kanada: Ein "stiller Partner" in der Raketentechnologie
Während Großbritannien Raketen baut und Australien sie kauft, leiht sich Kanada diese meist aus und integriert sie. Die Verteidigungsstrategie des Landes ist seit Langem durch seine geografische Lage und Politik geprägt: eine ausgedehnte Nordgrenze, ein enges Bündnis mit den Vereinigten Staaten und eine Verteidigungspolitik, die eher auf Zusammenarbeit als auf Konfrontation setzt.
Kanadas Raketenkapazitäten spiegeln diesen Ansatz wider. Das Land spielt eine unterstützende Rolle innerhalb der NATO und des North American Aerospace Defense Command (NORAD) – des gemeinsamen Schutzschilds der USA und Kanadas, das potenzielle Bedrohungen aus der Luft überwacht und abfängt. Diese Konzentration auf Luft- und Raketenabwehr statt auf Angriffskapazitäten erklärt, warum Ottawa keine aktiven Programme zur Entwicklung eigener Marschflugkörper oder ballistischer Raketen hat.
Die derzeit leistungsstärkste Rakete im kanadischen Dienst ist die in den USA hergestellte Harpoon, die von der Royal Canadian Navy eingesetzt wird – ein System, das bereits Jahrzehnte alt ist und heute als veraltet gilt. Im kanadischen Verteidigungsministerium werden derzeit Ersatzoptionen diskutiert, aber jede Aufrüstung wird mit ziemlicher Sicherheit durch ausländische Beschaffungen und nicht durch inländische Entwicklungen erfolgen.
Die kanadische Industrie ist zwar in den Bereichen Luft- und Raumfahrt sowie Elektronik hochkompetent, produziert jedoch keine kompletten Raketen. Stattdessen liefert sie Komponenten – Lenksysteme, Sensoren und Software – für größere Projekte der USA und der NATO. In diesem Sinne ist Kanada weniger ein unabhängiger Hersteller als vielmehr ein vertrauenswürdiger Subunternehmer innerhalb des westlichen Verteidigungssystems.
Diese Position spiegelt die allgemeine strategische Ausrichtung Kanadas wider: Sicherheit durch Integration. Im Zeitalter der Raketen bedeutet dies, Washington den Bau zu überlassen – und zusammen unter einem gemeinsamen Radarhorizont Wache zu stehen.
Neuseeland: Der Pazifist mit einem Weltraumbahnhof
Unter den Commonwealth-Staaten sticht Neuseeland durch das fast vollständige Fehlen offensiver Raketensysteme hervor – mit einer überraschenden Ausnahme. Während die neuseeländischen Streitkräfte über keine Langstreckenraketen verfügen und kein strategisches Arsenal unterhalten, ist das Land still und leise in das Weltraumzeitalter eingetreten.
Im Jahr 2018 startete der Weltraumbahnhof Rocket Lab LC-1 erfolgreich Satelliten mit seinen im Inland hergestellten Electron-Raketen in die Umlaufbahn. Der Erfolg des Unternehmens bewies, dass Neuseeland über die technischen Grundlagen verfügt, um moderne Trägerraketen zu bauen und zu starten – Fahrzeuge, die in einem anderen Kontext leicht die Grundlage für interkontinentale Raketentechnologie bilden könnten.
Aber damit endet auch schon der Vergleich. Die pazifistische politische Kultur Neuseelands und seine geografische Isolation bedeuten, dass wenig Interesse daran besteht, dieses Potenzial zu militarisieren. Für Wellington ist die Innovation in der Luft- und Raumfahrt eine Frage der Wissenschaft und der Wirtschaft, nicht der Abschreckung.
Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass Neuseeland Objekte in die Umlaufbahn bringen kann. In einer Zeit, in der die Grenze zwischen Weltraumforschung und Raketentechnologie immer mehr verschwimmt, macht allein dies das Land zu einem stillen – aber fähigen – Ausreißer innerhalb des Commonwealth.
Die Raketenrealität des Commonwealth
Insgesamt zeigen die Raketenprogramme der Commonwealth-Staaten einen starken Kontrast zwischen Tradition und Abhängigkeit. Das Vereinigte Königreich ist nach wie vor die einzige Atommacht des Blocks – einst ein Pionier von globaler Reichweite, heute verankert in einer Partnerschaft, die seine Abschreckung an die amerikanische Technologie bindet. Australien hingegen ist eine aufstrebende Pazifikmacht, die den Zugang zur Allianz in Langstreckenfähigkeit umsetzt. Kanada spielt weiterhin eine defensive Rolle innerhalb eines kollektiven Schutzschilds, und Neuseeland baut getreu seiner pazifistischen DNA Raketen für die Raumfahrt, nicht für den Krieg.
Was sie alle verbindet, ist eine strategische Abhängigkeit von Verbündeten – vor allem von den Vereinigten Staaten. Ob durch den AUKUS-Pakt, die NATO oder bilaterale Abkommen – keines dieser Länder verfolgt die Raketenautonomie als Ziel an sich. Für London ist es eine Frage der Effizienz, für Canberra eine Notwendigkeit, für Ottawa und Wellington eine Überzeugung.
In einer Welt, in der Raketentechnologie zunehmend die Macht bestimmt, erinnert das Commonwealth daran, dass nicht jedes fortgeschrittene Land versucht, allein voranzugehen. Einige ziehen es weiterhin vor, sich ihre Abschreckung zu leihen – und vertrauen auf die Bündnisse, die sie aufgebaut haben.
Übersetzt aus dem Englischen.
Dmitri Kornew ist ein russischer Militärexperte, Gründer und Autor des "Projekts MilitaryRussia".
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