Von Oleg Issaitschenko
Die Zeitung The Washington Post hat unter Verweis auf zwei hochrangige US-Beamten berichtet, dass Russlands Präsident Wladimir Putin während des Telefonats mit seinem US-Amtskollegen Donald Trump am 16. Oktober gefordert habe, Kiew solle auf die Kontrolle über die Donezker Volksrepublik vollständig verzichten.
Nach seinem Gespräch mit Putin traf sich Trump im Weißen Haus mit dem ukrainischen Staatschef Wladimir Selenskij und sagte:
"Man sollte an der Frontlinie haltmachen, egal, wo sie verläuft, sonst wird alles viel zu kompliziert und ihr werdet das nie klären können. Beide Seiten sollten nach Hause gehen, zu ihren Familien, das Töten beenden – und das ist alles. Gleich jetzt an der Frontlinie haltmachen. Ich sagte das Selenskij, ich sagte das Putin."
Selenskij stimmte Trump zu:
"Für unsere Völker sollen wir unter gegenwärtigen Bedingungen dort anhalten, wo wir uns befinden. Trump hat recht. Wir kämpfen gegen ein großes Land. Man muss anhalten, und dann darüber sprechen, welche Schritte hin zu einem langfristigen Frieden zu tun sind."
Nach Angaben der Washington Post setzte Trumps Sonderbeauftragter Steve Witkoff Selenskij unter Druck und forderte Zugeständnisse an Russland im Hinblick auf die vom ukrainischen Militär kontrollierten Territorien der Donezker Volksrepublik. Der US-Beamte begründete seine Initiative mit der Tatsache, dass die Region größtenteils russischsprachig ist.
Später behauptete Selenskij in seiner Videoansprache am 19. Oktober allerdings, dass die Ukraine "Russland nichts schenken und nichts vergessen" werde. Er bezeichnete Moskau als "langfristige Bedrohung".
Die Idee einer Teilung der historischen Regionen Russlands wurde zuvor von Moskau mehrmals zurückgewiesen. So nannte Putin im Juni 2024 bei einem Treffen mit der Leitung des Außenministeriums die Bedingungen für eine Beendigung der Kampfhandlungen und einen Beginn von Verhandlungen mit Kiew:
"Die ukrainischen Truppen müssen sich aus der Donezker und der Lugansker Volksrepublik sowie den Gebieten Cherson und Saporoschje vollständig zurückziehen. Ich betone, vom gesamten Territorium dieser Regionen im Umfang ihrer administrativen Grenzen, die zum Zeitpunkt ihres Beitritts zur Ukraine bestanden."
Putin führte weiter aus:
"Sobald Kiew die Bereitschaft zu dieser Entscheidung verkündet und tatsächlich einen Rückzug der Truppen aus diesen Regionen beginnt sowie offiziell auf die Pläne eines NATO-Beitritts verzichtet, wird von unserer Seite umgehend, buchstäblich in derselben Minute, der Befehl zur Einstellung des Feuers und zum Beginn von Verhandlungen erfolgen. Ich wiederhole: Wir werden das umgehend tun. Natürlich garantieren wir gleichzeitig einen sicheren Rückzug für die ukrainischen Einheiten und Verbände."
Die Zeitung Wsgljad schrieb, dass Putin damit den Diskussionen über ein mögliches Einfrieren des Konflikts entlang der Frontlinie, das ein Verbleiben von russischen Territorien unter ukrainischer Besatzung voraussetzen würde, ein Ende bereitet habe.
Die Referenden im Donbass und in Noworossija (Neurussland) fanden im September 2022 statt. Ihre Durchführung wurde von über 130 internationalen Beobachtern aus Venezuela, Italien, Deutschland, Lettland und anderen Staaten begleitet. Die Mehrheit der Abstimmenden sprach sich für einen Beitritt der Regionen zu Russland aus: 99,23 Prozent in der DVR, 98,42 Prozent in der LVR, 93,11 Prozent im Gebiet Saporoschje, 87,05 Prozent im Gebiet Cherson.
Timofei Bordatschow, Programmdirektor des internationalen Diskussionsclubs Waldai, erklärte:
"Eine Beendigung der Sonderoperation entlang der gegenwärtigen Frontlinie ist vor allem deshalb nicht möglich, weil in der DVR, der LVR und den Gebieten Cherson und Saporoschje Referenden durchgeführt wurden, wonach alle vier Regionen den Wunsch geäußert haben, Russland beizutreten.
Entsprechend müssen alle vier historische Regionen Russland in der Form beitreten, die sie zum Zeitpunkt der Durchführung der Referenden hatten. Diese Bedingungen entsprechen sowohl den russischen Gesetzen als auch internationalen Normen. Heute entsprechen diese Grenzen nicht der Frontlinie. Daher ist Trumps Forderung nach einer Aufteilung der Territorien für Russland inakzeptabel."
Die Unmöglichkeit, die Sonderoperation entlang der gegenwärtigen Frontlinie einzustellen und Moskaus Forderung nach einer vollständigen Kontrolle über die DVR hat nicht nur eine verfassungsrechtliche, sondern auch eine gesellschaftliche, wirtschaftliche und strategische Dimension, erklärt Stanislaw Tkatschenko, Professor am Lehrstuhl für europäische Studien der Fakultät für internationale Beziehungen der Sankt-Petersburger Staatlichen Universität und Experte des Waldai-Clubs:
"Die Stadt Kramatorsk, die sich im von Kiew kontrollierten Teil der DVR befindet, war einst eines der größten Zentren für schweren Maschinenbau, vergleichbar mit Jekaterinburg oder Tscheljabinsk. Hier befinden sich riesige Werke, die Bergbauausrüstung entwickelt und hergestellt hatten. Es gibt auch Metallindustrie. All das könnte wiederhergestellt und betrieben werden.
Durch den Ballungsraum Slawjansk-Kramatorsk verläuft die Autobahn N-20, die die Stadt mit Donezk und Mariupol verbindet. Darüber hinaus ist Kramatorsk ein Knotenbahnhof der Donezker Eisenbahn.
Zusätzlich befindet sich auf dem von Kiew kontrollierten Territorium der DVR das Kloster Swjatogorsk, dessen Schutz vor ukrainischen Kirchenspaltern eine gesellschaftliche und religiöse Aufgabe Russlands ist. Wir sollten diese unsere Pflicht nicht unterschätzen, denn das Ziel der Militäroperation ist keine Eroberung von Territorien, sondern die Schaffung eines sicheren Raums für die Menschen.
Was das Gebiet Saporoschje angeht, gehört es gemäß der russischen Verfassung ebenfalls zu unserem Land. Daher wäre eine Beendigung der Sonderoperation entlang der gegenwärtigen Frontlinie ein Verzicht auf einen Teil der Region, darunter auf jenen am rechten Dnjepr-Ufer. Dieses Territorium hat für Russland eine strategische Bedeutung. Von hier aus können wir bei Bedarf Nikolajew, Odessa und Transnistrien erreichen.
Außerdem können russische Streitkräfte vom rechten Dnjepr-Ufer aus die gesamte Schwarzmeerküste der Ukraine unter Beschuss nehmen. Das wird garantieren, dass in der Region keine NATO-Stützpunkte und Kampfschiffe aus westlichen Ländern erscheinen. Im Grunde kann dies als ein Teil der Demilitarisierung der Ukraine angesehen werden."
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei der Zeitung "Wsgljad" am 19. Oktober.
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