Von Alex Männer
Angesichts der Konfrontation zwischen Russland und dem Westen in Europa nehmen die Spannungen zwischen diesen Großmächten auch in der Arktis weiter zu. Während Moskau seine wirtschaftliche und militärische Präsenz in der Region verstärkt, wollen die westlichen Staaten vor allem die Kontrolle über See- und Handelswege und damit über die zahlreichen Ressourcen der Region bekommen.
In diesem Zusammenhang ist der britische Think-Tank "Chatham House" in einem kürzlich veröffentlichten Bericht zu dem Ergebnis gekommen, dass Russland einen "Expansionismus" in der Arktis betreibt, der sich zu "einer immer größeren Bedrohung für die Sicherheit Europas" entwickelt.
Katja Bego, die Autorin des Berichts, äußert ihre Besorgnis darüber, dass Russland seine Präsenz in seinem Teil der Arktis ausbaut und "die Region in eine Brutstätte hybrider Aktivität verwandelt". Vor dem Hintergrund der dort durchgeführten russischen Militärübungen habe der Westen mit der Aufnahme von Finnland und Schweden in die NATO zwar einen Schritt in die richtige Richtung getan, so Bego. Allerdings müsse noch mehr unternommen werden.
Vor allem im Wirtschaftsbereich, wo es für "die europäischen NATO-Mitglieder" darum geht, nicht zu zögern, sondern ihre wirtschaftliche Präsenz in der Arktis, wo es "erhebliche Reserven an Energieressourcen sowie an seltenen Erden" gibt, auszuweiten. Diesbezüglich könne man sogar jene wichtigen Prinzipien wie den Umweltschutz oder die Einhaltung der Rechte von indigenen Bevölkerungsgruppen beiseiteschieben, da die Einhaltung dieser Prinzipien "den weniger gewissenhaften Akteuren wie China die Tür öffnet".
In dieser Frage verweist Bego zudem auf die Nördliche Seeroute, die immer weiter entwickelt und hauptsächlich für die Lieferung von Waren aus China nach Europa verwendet werde. Was für die Europäer jedoch ein Vorteil sei, der genutzt werden müsse, um die (kommerzielle) Nutzung der Nördlichen Seeroute zu russischen Bedingungen zu verhindern.
Dass Großbritannien und die Staaten der Europäischen Union nichts lieber täten, als die Pläne Russlands in der Arktis zum Scheitern zu bringen, steht wohl außer Frage. Allerdings ist die EU offenkundig nicht gerade der richtige Ansprechpartner dafür, Moskau schmerzvolle Treffer zu verpassen, ohne sich dabei selbst erheblich zu schaden.
Zumal auch die Vereinigten Staaten bei ihrem "arktischen Sanktionskrieg" gegen Russland gerade selbst erfahren mussten, wie problematisch die Eindämmung Russlands in der Arktis heute ist. Diesbezüglich hatte Washington bekanntlich das russische Energie-Megaprojekt "Arctic LNG 2" mit einem geplanten jährlichen Produktionsvolumen von fast 20 Millionen Tonnen Flüssiggas bereits vor der Inbetriebnahme der ersten Gasverflüssigungsanlage im Jahr 2023 mit der harten Realität der westlichen Wirtschafts- und Handelsbeschränkungen konfrontiert.
Als Hauptproblem für die Russen erwiesen sich damals vor allem jene US-Sanktionen, mit denen die russischen LNG-Ausfuhren in der arktischen Region blockiert werden sollten. Zum Beispiel verboten diese Strafmaßnahmen es zahlreichen Technologieunternehmen, mit Russland zusammenzuarbeiten, was unter anderem zur Folge hatte, dass im vergangenen Jahr sechs der für den russischen Energiekonzern Nowatek bestimmten LNG-Großraumtanker der Eisklasse Arc7 in Südkorea festgesetzt wurden. Diese Flüssiggastanker können ganzjährig auf der Nördlichen Seeroute navigieren und wurden von Russland für den Betrieb einer Produktionslinie des Arctic-LNG-2-Projekts benötigt.
Mit solchen Maßnahmen wollten die Amerikaner erreichen, dass Russland weder Abnehmer für sein Arctic-LNG findet noch langfristig sein Vorhaben umsetzt, ab dem Jahr 2030 etwa 100 Millionen Tonnen Flüssiggas über den Nördlichen Seeweg zu den Endabnehmern transportieren zu können. Allerdings erlitt man bereits den ersten Rückschlag, nachdem China in diesem Jahr laut Medienangaben bereits sieben Lieferungen des sanktionierten russischen LNG gekauft und diese Ende August und im September in einem chinesischen Hafen umgesetzt hatte. Anfang Oktober haben die Russen einen weiteren Tanker mit Flüssiggas beladen. Zudem sollen weitere Tankschiffe auf dem Weg zur Jamal-Halbinsel sein, was auf eine konstante Gasversorgung Chinas mit Flüssiggas über die Nördliche Seeroute hindeutet.
Ein Grund dafür ist die aggressive US-Zollpolitik und die damit verbundenen Risiken einer Unterversorgung mit Gas, die China offenbar dazu veranlasst haben, auf das russische Arctic-LNG zurückzugreifen. Zugleich könnte die Entscheidung Polens, die Grenze zu Weißrussland zu schließen – obwohl die Chinesen den Frachtverkehr durch Polen eigentlich ausweiten wollten –, Peking zusätzlich darin bestärkt haben, die Zusammenarbeit mit Moskau in der arktischen Region zu intensivieren.
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