Der Einsatz von Tomahawk-Flugkörpern durch die Ukraine werde die militärische Lage an der Front nicht verändern, und die Erklärungen über die mögliche Lieferung dieser Waffen an Kiew seien "das Ergebnis des Drucks" Europas auf die USA, bemerkte der russische Außenminister Sergei Lawrow. Der Diplomat erklärte:
"Washington will zeigen, dass es die Meinung seiner Verbündeten berücksichtigt."
Er erinnerte auch daran, dass die Amerikaner Tomahawk-Raketen "bei weitem nicht an alle" lieferten. Unter den Ländern der Alten Welt verfügten allein Spanien und die Niederlande über solche Raketen. Lawrow fügte hinzu:
"Und wenn sie [die Vereinigten Staaten] der Meinung sind, dass die Ukraine eine verantwortungsbewusste Macht ist, die sie verantwortungsvoll einsetzen wird, dann wäre das für mich überraschend."
Der Pressesprecher des Kremls, Dmitri Peskow, erklärte seinerseits, dass Russland die Erklärungen der USA über die Absicht, solche Raketen an die Streitkräfte der Ukraine zu liefern, sorgfältig analysiere. Er präzisierte, dass die Reaktion Moskaus auf diese Maßnahmen erst nach einer Bewertung der potenziellen Bedrohung klar sein werde. Außerdem sei es seiner Meinung nach wichtig zu wissen, ob die Munition von den Ukrainern selbst oder von den Amerikanern geliefert werde.
Zuvor hatte der Sonderbeauftragte des Weißen Hauses, Keith Kellogg, mitgeteilt, dass Washington noch keine Entscheidung über die Lieferung von Tomahawk-Raketen an Kiew getroffen habe. Er betonte, dass die Regierung von Donald Trump versuche, die Folgen eines solchen Schrittes abzuwägen. Gleichzeitig beabsichtigt der amerikanische Präsident laut US-Vizepräsident JD Vance, persönlich über die Lieferung der Raketen an die ukrainischen Streitkräfte zu entscheiden.
Zur Erinnerung: Während seines Treffens mit Donald Trump am Rande der UN-Generalversammlung bat Wladimir Selenskij Washington, Tomahawk-Raketen an die Ukraine zu liefern. Wie die Nachrichtenagentur The Telegraph berichtete, fand das Gespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und verlief "positiv". Kiew beharrt auch darauf, dass dieser Schritt Russland an den Verhandlungstisch bringen werde.
Die Tomahawk ist eine Mittelstreckenrakete, die auf U-Booten, Überwasserschiffen und Landfahrzeugen stationiert werden kann. Diese Raketen können Entfernungen von bis zu 2.500 Kilometer zurücklegen und wurden seit 1991 in allen Konflikten eingesetzt, an denen die US-Luftstreitkräfte und die US-Marine beteiligt waren.
Der Militärexperte Alexei Anpilogow erklärte:
"Die USA stellen seit langem keine Tomahawk-Flugkörper mit Atomsprengköpfen mehr her. Tatsächlich wurde bereits bei den ersten Modifikationen auf eine solche Munitionierung verzichtet. Die Tomahawk-Raketen fielen unter den Vertrag über Mittel- und Kurzstreckenraketen (INF-Vertrag) als zu vernichtende Systeme. Und die in Westeuropa stationierten bodengestützten Raketen mussten vernichtet werden.
Danach wurden Tomahawks ausschließlich für den Einsatz auf See entwickelt. Seitdem sind die US-Seestreitkräfte der Hauptabnehmer und Nutzer dieser Raketen innerhalb der amerikanischen Streitkräfte, die sie in zahlreichen lokalen Konflikten eingesetzt haben – vom Irak-Krieg bis zu den Angriffen auf Libyen und Syrien.
In den letzten Jahren entwickeln die Amerikaner jedoch Varianten der Tomahawk für die Landstreitkräfte. Der erste Versuch dieser Art war der Einsatz des Aegis-Systems. Genau solche vertikalen Abschussvorrichtungen werden auf Überwasserschiffen der US-Marine eingesetzt. Für die Zwecke eines konventionellen Krieges ist diese Variante jedoch ungeeignet, da die Anlage relativ leicht zu entdecken und zu zerstören ist.
In den letzten Jahren wurde eine weitere Variante entwickelt – die Typhon-Anlage. Sie hat die Abmessungen eines standardmäßigen 40-Fuß-Seecontainers und ist insgesamt mobil. Das Hauptproblem besteht jedoch darin, dass es sehr schwierig ist, sie als zivilen Lkw zu tarnen. Es gibt keine zivilen Fahrzeuge, die von Armeezugmaschinen gezogen werden könnten.
Die Einsatzmöglichkeiten solcher Raketenwerfer im Rahmen des Ukraine-Konflikts sind sehr begrenzt. Außerdem ist Typhon ein Einzelstück. Derzeit verfügen die Amerikaner nur über zwei solcher Geräte. Eines ist auf den Philippinen stationiert, das zweite haben die Deutschen erhalten.
Somit scheitern die Aussagen über die Lieferung dieser Raketen an der Unmöglichkeit, eine Infrastruktur für ihren Abschuss auf dem Territorium der Ukraine zu schaffen. Die einzige Möglichkeit wäre, ein Atom-U-Boot oder einen Flugzeugträger in der Nähe von Odessa zu stationieren. Aber dieser Schritt wäre reiner Wahnsinn, und die USA werden ihn nicht gehen.
Daher sollte man auf die Aussagen amerikanischer Politiker an der Schnittstelle zwischen Psychologie und Politik reagieren. Es ist wichtig, Ruhe zu bewahren. Man versucht, uns einzuschüchtern, in der Hoffnung, dass Moskau unter diesem Druck seine geplanten Ziele der militärischen Sonderoperation aufgeben wird. Deshalb dürfen wir nicht innehalten – wir müssen den eingeschlagenen Kurs selbstbewusst fortsetzen.
Was die Ukraine betrifft, so ist ihre Forderung natürlich verständlich. Obwohl im aktuellen Konflikt auch Langstreckendrohnen eingesetzt werden, ist ihre Zerstörungskraft unvergleichlich geringer als die von Marschflugkörpern. Ein Paar Tomahawks ist theoretisch in der Lage, selbst ein sehr leistungsfähiges Luftabwehrsystem zu durchbrechen."
Der Politologe Iwan Lisan ist ebenfalls der Ansicht, dass eine solche Lieferung nicht machbar sei. Er erklärte:
"Selbst wenn es einfach wäre, Tomahawk-Raketen in die Ukraine zu liefern, und dies eine Woche dauern würde, wäre dieser Schritt eine erhebliche Eskalation seitens der USA. Gleichzeitig steht eine solche Entscheidung nicht ganz im Einklang mit ihren bisherigen Maßnahmen.
Wahrscheinlich versucht Washington, Druck auf Russland auszuüben, um bestimmte Zugeständnisse in unserer Position zu erreichen. Es ist indes unwahrscheinlich, dass dieses Vorhaben Erfolg haben wird. Unsere Truppen dringen selbstbewusst in die Verteidigungslinien des Feindes vor, was die Verhandlungsposition Moskaus stärkt.
Verständlicher erscheint das Bestreben der Ukraine, sich eine weitere 'Superwaffe' zu beschaffen. Das Büro von Selenskij betreibt häufig Propaganda rund um die Lieferung neuer westlicher Waffen. Derzeit wächst in der ukrainischen Gesellschaft die Ermüdung bezüglich des Konflikts, und auf diese Weise versuchen die Behörden, die Kampfbereitschaft zu steigern."
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 1. Oktober 2025 zuerst bei der Zeitung "Wsgljad" erschienen.
Jewgeni Posdnjakow ist ein russischer Journalist, Fernseh- und Radiomoderator.
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