Die Schwarze Erde der Ukraine und die verschwiegene Realität in einem ruinierten Land (Teil 1)

Der geopolitische Konflikt, der sich im Stellvertreterkrieg des Westens in der Ukraine gegen Russland manifestiert, lässt nur allzu leicht vergessen, dass die Frontstellung der USA und ihrer "Verbündeten" gegen Moskau von massiven ökonomischen Interessen in der Ukraine unterfüttert ist. So stehen denn die ukrainischen Schwarzerde-Gebiete im Fokus des NATO-Westens.

Teil 1

Von Wolfgang Bittner

Die Ukraine, seit 2022 im Krieg gegen Russland, ist bekannt durch ihre fruchtbare Schwarze Erde (russisch Tschernosjóm), einem bis zu drei Meter tiefen nährstoffreichen Humusboden, der hohe landwirtschaftliche Erträge hervorbringt. Das Gebiet umfasst 56 Prozent der Landfläche, vor allem im Osten und im Süden. Das sind mehr als 32 Millionen Hektar Ackerland, was etwa einem Drittel der gesamten EU-Agrarfläche und 30 Prozent der weltweiten Vorkommen an Schwarzerde entspricht.

Die Ukraine ist nach Russland das zweitgrößte Land Europas, und in letzter Zeit sind ihre umfangreichen Bodenschätze wie Steinkohle, Eisenerz, Lithium, Graphit, Mangan, Kalium, Braunkohle, Erdöl und Erdgas ins Gespräch gekommen. Aber kaum bekannt ist, dass sie aufgrund ihrer ertragreichen Böden einen hohen Überschuss an Agrarprodukten für den Weltmarkt liefert und vor dem Krieg das drittgrößte Mais- sowie das fünftgrößte Weizenexportland war. Auch der Weltmarktanteil an Gerste, Sonnenblumenöl, Raps und Rüben war erheblich.

Getreideanbau und -ausfuhr

Von den jährlich produzierten rund 60 Millionen Tonnen Getreide (hauptsächlich Mais, Weizen und Gerste) wurden über 50 Prozent exportiert. Damit stand die Ukraine noch vor wenigen Jahren weltweit an siebter Stelle der Getreideproduzenten. 2019 erzielte sie mit rund 75 Millionen Tonnen eine Rekordernte. 2020 betrug die Getreideproduktion 64.342.357 Tonnen (im Verhältnis dazu lag Deutschland bei 43.265.100 Tonnen). Aber nach 2022 haben sich die Bedingungen für den Anbau und Vertrieb verschlechtert, und wie es nach mehr als drei Jahren Krieg aussieht, steht in Frage.

Seit dem Maidan-Putsch von 2014 wird die Ukraine von westlicher Seite aufwändig finanziell und militärisch in ihrem Krieg gegen Russland unterstützt. Die Getreideexporte in die EU wurden in diesem Zusammenhang zeitweise subventioniert, doch das führte zu Wettbewerbsverzerrungen und vehementen Protesten insbesondere polnischer Landwirte, sodass die Vergünstigungen wieder eingestellt wurden.

Nach Beginn des Krieges im Februar 2022 hatte Russland die Seeausfuhren der Ukraine unter anderem über Odessa, Tschornomorskoje und Juschnoje (Piwdenne) blockiert, worauf der Export von Getreide ins Stocken geriet. Daraufhin kam es zu Nahrungsmittelengpässen in sogenannten Entwicklungsländern. Doch auf Initiative der Türkei und der Vereinten Nationen wurde im Juli 2022 ein Schwarzmeer-Getreideabkommen, auch "Schwarzmeer-Getreide-Initiative" genannt, geschlossen, eine Vereinbarung zwischen Russland und der Ukraine mit der Türkei und den Vereinten Nationen, die den sicheren Seeweg garantierte.

Allerdings verweigerte Russland im Juli 2023 die Verlängerung des Getreideabkommens, weil Zusagen nicht erfüllt worden seien. Die UNO hatte in einem "Memorandum of Understanding" eingewilligt, sich für die ungehinderte Ausfuhr russischer Lebensmittel und Düngemittel auf die Weltmärkte einzusetzen. Außerdem hatte Russland verlangt, dass seine Landwirtschaftsbank wieder an das internationale Zahlungssystem SWIFT angeschlossen wird. Das ist unterblieben, und das Abkommen lief aus. Doch die Ukraine setzte den Export über das Schwarze Meer auch ohne Sicherheitsgarantien unbehindert weiter fort.

Wem gehört die Schwarze Erde?

Ganz im Stillen ist nach der Machtübernahme durch die prowestliche Kiewer Regierung die Einflussnahme des Westens auf die ukrainische Wirtschaft erfolgt. Nachdem gleich 2014 viele Vorstandsposten und Führungspositionen von Angehörigen der US-Politikerkaste besetzt wurden (dazu vom Autor: "Die Eroberung Europas durch die USA", Frankfurt/Main: Westend, 2017, S. 48 f.), begannen die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen und der Kampf um die Schwarze Erde. Das vom ehemaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch abgelehnte und von Petro Poroschenko unterzeichnete Assoziierungsabkommen mit der EU, für das der Internationale Währungsfonds (IWF) seinerzeit 17 Millionen Dollar bereitgestellt hatte, war an Bedingungen geknüpft, die den Interessen der USA, Großbritanniens und der EU dienten.

So wurde das Verbot des Landverkaufs von der Werchowna Rada, dem ukrainischen Parlament, auf Druck des Westens mit dem Ziel einer "Marktliberalisierung" gelockert, sodass westliche Agrarkonzerne Zugriff erhielten. In einer Anfrage aus der Fraktion der PfE (Patrioten für Europa) im Europäischen Parlament vom 13. November 2014 an die EU-Kommission heißt es unter dem Rubrum "Ukrainisches Ackerland zunehmend in US-Besitz": "Mehreren beunruhigenden Berichten zufolge kaufen vor allem US-amerikanische, aber auch saudische Agroindustrie- und Investmentunternehmen in großem Umfang ukrainisches Ackerland auf. Cargill, ADM, Blackrock, Oaktree Capital Management und Bunge Limited haben Berichten zufolge die Kontrolle über einen Großteil des ukrainischen Ackerlandes erlangt."

Der Ökonom Frédéric Mousseau, Direktor am Oakland Institute in Kalifornien, schrieb dazu 2015: "Nach der Machtübernahme durch die prowestliche Regierung leitete der IWF als Vorbedingung für die Kreditvergabe ein Reformprogramm ein, das auf die Förderung von Privatinvestitionen im Lande abzielte. Das Maßnahmenpaket beinhaltete auch die Reform der öffentlichen Wasser- und Stromversorgung und die Beseitigung dessen, was die Weltbank als ‚strukturelle Ursachen‘ der derzeitigen ukrainischen Wirtschaftskrise bezeichnet hat: die hohen Kosten für Unternehmen, die in dem Land Geschäfte machen. Der ukrainische Agrarsektor gehört zu den vorrangigen Zielen ausländischer Privatinvestitionen und wird vom IWF und von der Weltbank deshalb als prioritär reformbedürftig eingestuft. Beide Finanzinstitutionen loben die Bereitschaft der neuen Regierung, ihren Empfehlungen zu folgen."

Die 2014 auf den Weg gebrachte "Agrarreform" bereitete den "erleichterten Zugang zu Agrarland, weniger Regulierung und Kontrollen im Nahrungsmittel- und Nutzpflanzensektor und die Senkung von Steuern und Zöllen für Unternehmen vor", so Mousseau. Seine Recherche entspricht der Anfrage an die EU-Kommission vom 13. November 2014: "Mehreren beunruhigenden Berichten zufolge kaufen vor allem US-amerikanische, aber auch saudische Agrar- und Investmentunternehmen in großem Umfang ukrainisches Ackerland auf. So sollen Cargill, ADM, Blackrock, Oaktree Capital Management und Bunge Limited die Kontrolle über weite Teile des ukrainischen Ackerlandes erlangt haben."

Mousseau konstatierte: "Der Aufwand, der um den ukrainischen Agrarsektor mit seinen ausgedehnten Schwarzerdeböden betrieben wird, könnte kaum höher sein." Und er präzisierte: "Das Taktieren um die Kontrolle des Landwirtschaftssektors ist ein ausschlaggebender Faktor im größten Ost-West-Konflikt seit dem Kalten Krieg. […] Agrarkonzerne wie Monsanto, Cargill und DuPont sind bereits seit geraumer Zeit in der Ukraine präsent und haben ihre Investitionen in den letzten Jahren erheblich erhöht. […] Obwohl die Ukraine die Herstellung von genetisch verändertem Saatgut nicht erlaubt, enthält das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU, an dem sich der Konflikt entzündet hatte, der zur Absetzung von Janukowitsch führte, in Artikel 404 eine Klausel, in der sich beide Vertragspartner verpflichten, 'die Anwendung der Biotechnologie innerhalb des Landes auszuweiten'" – ein "Türöffner, wie ihn sich die großen Agro- und Saatgutkonzerne wie Monsanto wünschen, um ihre Genprodukte auf den europäischen Markt zu bringen".

Der Ukraine-Krieg und die Flüchtlingsproblematik haben fast alle diese Informationen überdeckt und in den Hintergrund gerückt. Seit dem Regime Change von 2014 wurde mit weitreichenden Konsequenzen für Europa ein ganzes Land von ausländischen Kräften nach und nach übernommen, aber der Öffentlichkeit blieb das großenteils verborgen. Ebenso, dass der Krieg hätte vermieden werden können, wie Donald Trump zugegeben hat. "Das ist nicht mein Krieg", erklärte er am 19. Mai 2025. "Wir haben uns in etwas verstrickt, in das wir nicht hätten hineingezogen werden dürfen."

Ende des ersten Teils

Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. Er hat über 80 Bücher veröffentlicht, u. a. "Die Eroberung Europas durch die USA" (2014), "Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen" (Roman, 2019), "Deutschland – verraten und verkauft" (2021) und "Geopolitik im Überblick. Deutschland-USA-EU-Russland" (2025).

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