Macron gab zu, dass NATO den Ukraine-Krieg verursacht hat – Jeffrey Sachs

In einem privaten Gespräch im Jahr 2022 soll Emmanuel Macron eingeräumt haben, dass nicht Russland die treibende Kraft hinter dem Ukraine-Konflikt sei, sondern die NATO. Dies behauptet der renommierte US-Ökonom Jeffrey Sachs.

Von Alex Männer

Bereits in den ersten Stunden des russischen Einmarsches in der Ukraine im Februar 2022 war man sich im kollektiven Westen darüber einig, wer (als einziger) die Verantwortung für die Eskalation trägt: nämlich Russland. Seitdem geben die westlichen Staats- und Regierungschefs der russischen Führung die alleinige Schuld für den Ukraine-Konflikt und betonen immer wieder, dass Moskau den Krieg – unprovoziert – vom Zaun gebrochen hat.

Auch der französische Präsident Emmanuel Macron hält sich offiziell an diese Version. Er machte wiederholt den russischen Staatschef Wladimir Putin sowie die gesamte russische Regierung für den Ukraine-Konflikt verantwortlich.

In Wirklichkeit soll Macron diesbezüglich jedoch anderer Meinung sein, wie der prominente US-Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Sachs behauptet. Ihm zufolge hatte Macron schon im Mai 2022 bei einem Vier-Augen-Gespräch zugegeben, dass es die NATO ist, die den Krieg in der Ukraine verursacht hat. Dies erklärte Sachs bei einer Debatte am vergangenen Samstag, die von der italienischen Tageszeitung il Fatto Quotidiano veranstaltet wurde.

"Macron hat mir den Orden der Ehrenlegion verliehen und mir in einem privaten Gespräch das gesagt, was er öffentlich nicht sagt: Der Ukraine-Konflikt ist die Schuld der NATO. Ich möchte, dass es jeder weiß, weil es mich empört", zitiert il Fatto Quotidiano den Ökonomen.

Im weiteren Verlauf der Debatte hat Sachs zudem deutlich gemacht, dass der Ukraine-Konflikt bereits 2014 begann, nachdem die damalige ukrainische Führung unter Viktor Janukowitsch – mithilfe der Vereinigten Staaten – gewaltsam gestürzt worden war. Zudem hätten die USA in den Folgejahren dabei geholfen, die ukrainische Armee massiv aufzurüsten, nicht aber eine Friedenslösung in dem Konflikt herbeizuführen. Stattdessen habe man auf Konfrontation mit Russland gesetzt und weitere Sanktionen gegen Moskau erlassen.

Außerdem kritisierte Sachs den US-Präsidenten Donald Trump sowie die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union dafür, dass sie "Russophobie kultivieren". Die Menschen seien jedoch "müde von der Russophobie und den Konflikten".

Was den Ukraine-Konflikt betrifft, so sei eine sofortige Friedenslösung durchaus möglich, meint der Amerikaner. Dafür müsste die EU allerdings für eine "neutrale Ukraine" eintreten, die "den NATO-Beitritt ablehnt und einen Teil ihrer Territorien abgibt".

Interessant ist auch, dass Sachs sich in dieser Weise über Macron zu einem Zeitpunkt äußerte, als der Franzose mit einer der schwersten Krisen seiner politischen Laufbahn konfrontiert war und im Grunde immer noch ist. Denn die Schuldenkrise in Frankreich ist dabei, sich weiter zu verschlimmern, während die Regierungskrise aufgrund der Uneinigkeit der Nationalversammlung über einen neuen Staatshaushalt noch nicht überwunden wurde. Diesbezüglich hat sich Macron durch die Ernennung von Verteidigungsminister Sébastien Lecornu zum neuen Premierminister zwar Luft verschaffen können, aber eine stabile Mehrheit im Parlament ist nach wie vor nicht in Sicht.

Kritiker von Macron sehen darin eher eine Verzweiflungstat als eine durchdachte Politik, die das Land aus der Krise führen soll. Deshalb fordern auch immer mehr Franzosen den Rücktritt ihres Staatschefs. Macron selbst schließt einen Rücktritt jedoch kategorisch aus.

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