Bei einem Auftritt auf dem Videokanal Eurodebates äußerte sich EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas auch zum Zweiten Weltkrieg, zeitlich passend zur Parade zum Sieg über Japan in Peking vor wenigen Tagen. Dabei sagte sie:
"Wir sehen einen Kampf um die Narrative um den Globalen Süden und den Rest der Welt. Ich war auf einem ASEAN-Treffen, und Russland wandte sich an China, etwa so: 'Russland und China kämpften im Zweiten Weltkrieg. Wir haben den Zweiten Weltkrieg gewonnen, wir haben die Nazis besiegt.' Und ich dachte mir: Okay, das ist etwas Neues. Für alle, die die Geschichte kennen, ist das sehr fragwürdig […] man kann sehen, dass sie dieses Narrativ glauben. Und dann machen die Chinesen Veranstaltungen, in denen sie den Kampf gegen Japan feiern."
Schon die Bemerkungen unter der Veröffentlichung auf YouTube kritisieren den Standpunkt, den die EU-Außenvertreterin einnahm, deutlich. "Wir haben 35 Millionen Verluste an Soldaten und Zivilisten erlitten, eine japanische Armee von zwei Millionen Mann festgehalten und den japanischen Militarismus besiegt", so ein chinesischer Zuschauer. Ein anderer kommentierte: "Europa ist nicht nur schwach, es hat völlig den Verstand verloren". Wieder ein anderer verwies darauf, dass Kallas, die 1977 geboren wurde, in der siebten Klasse eben diese Fakten nach dem sowjetischen Lehrplan noch gelernt haben müsse.
Ihre Bemerkungen zu China lösten aber noch etwas weit Ungewöhnlicheres aus als entsprechende Kommentare auf YouTube: Sie führten zu einer offiziellen Stellungnahme des chinesischen Außenministeriums, die auf sozialen Medien verbreitet wurde.
"Die Erklärung der wichtigen EU-Beamtin", so der Sprecher des Außenministeriums, Guo Jiakun, in diesem Video, "ist voller ideologischer Verzerrungen, entbehrt des grundlegenden gesunden Menschenverstands in Bezug auf die Geschichte und schürt offen Rivalität und Konfrontation. Das ist respektlos gegenüber der Geschichte des Zweiten Weltkriegs und untergräbt die Interessen der EU. Es ist unverschämt und respektlos. China stellt sich dem fest entgegen und verurteilt es scharf."
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