Warum soll Russland die NATO angreifen? Rutte kann Frage nach Gründen nicht beantworten

NATO-Generalsekretär Mark Rutte gab keine konkrete Antwort auf die Frage, warum er Russlands Angriff auf das Bündnis innerhalb der nächsten fünf Jahre für möglich halte. Gleichzeitig drohte Rutte, dass im Falle eines russischen Angriffs die Antwort der NATO "verheerend" sein werde.

Heute beginnt der NATO-Gipfel in Den Haag. Das zweitägige Treffen findet vor dem Hintergrund der andauernden Feindseligkeiten in der Ukraine und der wachsenden Besorgnis der Allianz über einen möglichen Angriff Russlands auf die NATO in der Zukunft statt. Daher steht vor allem das Thema der militärischen Aufrüstung der NATO-Mitglieder im Mittelpunkt.

Bei einer Pressekonferenz vor dem Treffen wurde der NATO-Generalsekretär Mark Rutte gefragt, worauf sich seine Einschätzung eines möglichen russischen Angriffs innerhalb der nächsten fünf Jahre stütze. Außerdem wurde ihm eine Folgefrage gestellt: "Könnte Russland Finnland, Estland, Litauen, Lettland oder ein anderes Land an der Ostflanke der NATO angreifen?"

Rutte war nicht in der Lage, eine klare Antwort auf die Frage zu geben, warum er einen russischen Angriff in den nächsten fünf Jahren für möglich halte. Das Stenogramm des Briefings wurde auf der Webseite der Organisation veröffentlicht.

Der NATO-Generalsekretär berief sich auf eine allgemeine Besorgnis innerhalb des Bündnisses. Er antwortete, dass ihm viele hochrangige Mitarbeiter der Geheimdienste von dieser Gefahr berichtet hätten:

"In vielen Kreisen der NATO herrscht große Sorge. Wir haben gehört, wie der deutsche Verteidigungsminister vor einigen Wochen und viele andere hochrangige Militärs und auch hochrangige Geheimdienstmitarbeiter davon sprachen, dass Russland in drei, fünf oder sieben Jahren in der Lage sein werde, uns erfolgreich anzugreifen, wenn wir nicht heute anfangen, mehr zu investieren."

Aber letztlich beantwortete Rutte die ihm gestellte Frage nicht, sondern wich ihr mit abstrakten Formulierungen aus:

"Innerhalb der NATO herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass unsere Reaktion verheerend wäre, wenn Russland uns jetzt, heute, angreifen würde, und die Russen wissen das."

Der Niederländer wies zudem darauf hin, dass es nicht nur um Russland gehe, das angeblich eine Gefahr für die NATO darstelle. Seiner Meinung nach sollte man auch China aufmerksam beobachten. Denn Peking baue seine Streitkräfte aktiv aus. Rutte wörtlich:

"Aber bitte, seien Sie wachsam, was China mit dem raschen Ausbau seines Militärs macht, das bereits die gleiche Anzahl von Schiffen in seiner Marine hat wie die Vereinigten Staaten. Und diese Zahl wird bis 2030 auf 450 Schiffe anwachsen." 

Darüber hinaus werde China "tausend nukleare Sprengköpfe bis 2030" haben, und die Allianz müsse sicherstellen, sich dagegen verteidigen zu können, so der NATO-Generalsekretär.

Während der Pressekonferenz betonte Rutte ausdrücklich, dass "die größte und unmittelbarste Bedrohung für das Bündnis natürlich nach wie vor die Russische Föderation" sei. Ihm zufolge sei dies der Grund für die Verabschiedung des neuen Verteidigungsinvestitionsplans, der die Verteidigungsausgaben auf 5 Prozent des BIP vorsehe. Der Politiker bezeichnete den Schritt als "einen Quantensprung, der […] für die Sicherung" der NATO-Mitgliederstaaten "von grundlegender Bedeutung ist."

Am Montag kommentierte der russische Präsident Wladimir Putin diese Behauptungen und bezeichnete sie als einen Versuch, die Bevölkerung der westlichen Länder einzuschüchtern. Putin zufolge hätten die westlichen Länder selbst diese Panikmache bezüglich einer möglichen russischen Invasion erfunden, um eine Erhöhung der Militärausgaben zu rechtfertigen. "Hier haben wir es wieder mit den üblichen und unverschämten Lügen zu tun", sagte Putin bei einem Treffen mit Absolventen von Militärbildungseinrichtungen.

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