Die ukrainische Seite hat unerwartet "sowohl die Annahme von Leichen als auch den Austausch Kriegsgefangener auf unbestimmte Zeit verschoben". Dies teilte der Leiter der russischen Delegation, Präsidentenberater Wladimir Medinski, mit.
Medinski erinnerte daran, dass die russische Seite in genauer Übereinstimmung mit den bei den Gesprächen in Istanbul getroffenen Vereinbarungen am 6. Juni eine humanitäre Aktion zur Überführung von mehr als 6.000 Leichen ukrainischer Soldaten an Kiew sowie zum Austausch verwundeter und schwerkranker Kriegsgefangener sowie Kriegsgefangener unter 25 Jahren eingeleitet habe. Auf seinem Telegram-Kanal präzisierte der russische Vertreter:
"Die erste Charge von 1.212 gefrorenen Leichen ukrainischer Soldaten ist bereits in Kühltransportern im Austauschgebiet eingetroffen. Der Rest ist auf dem Weg. Darüber hinaus wurde die erste Liste von 640 Kriegsgefangenen der Kategorien 'Verwundete, Schwerkranke und Jugendliche' an die Ukraine übergeben, um den Austausch zu beginnen. Die Kontaktgruppe des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation befindet sich an der Grenze zur Ukraine."
Ferner betonte Medinski, dass die Gruppe von Kiews Unterhändlern "aus irgendeinem Grund" nicht einmal am Austauschort eingetroffen sei. Die angeführten Gründe seien unterschiedlich und "recht seltsam", fügte er hinzu. Der russische Chefunterhändler fuhr fort:
"Wir fordern Kiew auf, sich strikt an den Zeitplan und alle getroffenen Vereinbarungen zu halten und unverzüglich mit dem Austausch zu beginnen."
Außerdem unterstrich Medinski, dass 1.200 Soldaten und Offiziere jeder Seite die Chance erhalten sollen, nach Hause zurückzukehren, "wie wir es vereinbart haben". Moskau fordere auch dazu auf, dass die Leichen von 6.000 ukrainischen Soldaten und Offizieren abgeholt würden, "damit ihre Familien sie menschenwürdig beerdigen können".
Generalleutnant Alexander Sorin, ein Vertreter des russischen Verhandlungsteams, bestätigte, dass Moskau "voll und ganz bereit ist, die in Istanbul getroffenen Vereinbarungen umzusetzen". Er präzisierte, dass Moskau bereit sei, "alle Leichen zu übergeben und den Austausch der Kriegsgefangenen gemäß der festgelegten Formel durchzuführen".
Kiew stritt aber die Vorwürfe entschieden ab. Der ukrainische Koordinierungsstab für die Behandlung von Kriegsgefangenen behauptete daraufhin, dass die Aussagen von Medinski nicht der Wahrheit entsprächen, da angeblich nicht alle Vorbereitugnen für den Austausch getroffen worden seien und Moskau zu einseitigen Maßnahmen gegriffen habe, die nicht im Rahmen des gemeinsamen Prozesses vereinbart worden seien.
Die Vereinbarung über die Übergabe der Leichen war bei der zweiten Runde der russisch-ukrainischen Gespräche am 2. Juni in Istanbul getroffen worden. Medinski erzählte, Moskau habe angeboten, "einseitig mehr als 6.000 Leichen ukrainischer Militärs an Kiew zu übergeben". Er wies darauf hin, dass die Ukraine "vielleicht auch unsere Leichen hat", auch wenn es "wahrscheinlich viel, viel weniger von ihnen sind". Bei den Gesprächen in Istanbul hatten sich beide Seiten außerdem auf einen weiteren Gefangenenaustausch Kranker und Schwerverwundeter im Format "alle gegen alle" sowie einen Austausch Gefangener unter 25 Jahren geeinigt.
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