Der moldawische Grenzschutz hat den moldawisch-orthodoxen Erzbischof Markell (bürgerlicher Name Nikolai Mihaescu) auch beim zweiten Versuch am späten Freitagabend an der Ausreise aus dem Land gehindert. Der Geistliche wollte nach Jerusalem reisen, um an den traditionellen Feiern teilzunehmen und das sogenannte "Heilige Feuer" in Empfang zu nehmen.
Wie RT DE berichtete, hatten ihm Grenzbeamte am Flughafen der moldawischen Hauptstadt Kischinjow (moldawisch Chișinău) bereits am Donnerstag den Reisepass abgenommen und so lange "kontrolliert", bis er den gebuchten Flug verpasste. Einen offiziellen Grund dafür teilten die Beamten nicht mit. Laut Markell telefonierten sie ständig mit Vorgesetzten und hatten die Anweisung, die Reisepässe erst 30 Minuten nach dem Start des Flugzeugs zurückzugeben.
Beim zweiten Versuch der Ausreise wiederholte sich dieses Szenario. Im Gespräch mit Reportern außerhalb des Flughafens erklärte der Geistliche anschließend, dass er erneut von der Grenzpolizei aufgehalten wurde und schließlich seinen Flug erneut verpasste.
Der Bischof hielt eine kurze Ansprache an eine Gruppe von Anhängern, die sich vor dem Flughafen versammelt hatten. Die Demonstranten trugen Plakate und skandierten "Moldawien ist mit Bischof Markell", woraufhin der Bischof ihnen einen anderen Slogan anbot:
"Moldawien ist mit Gott! Moldawien ist mit dem auferstandenen Christus! Und wir müssen zusammenhalten, alle zusammen, denn einer nach dem anderen, wissen Sie, können wir einfach zu Staub zermahlen werden."
Ursprünglich sollte Erzbischof Markell am Donnerstag nach Israel fliegen, um am Ritual des Heiligen Feuers teilzunehmen, einem wichtigen Ereignis vor dem orthodoxen Osterfest. Der Geistliche berichtete der Nachrichtenagentur TASS, dass die moldawische Polizei ihn und zwei weitere Geistliche, die ihn begleiteten, am Flughafen unter dem Vorwand einer Durchsuchung angehalten habe. Nach Angaben des Bischofs wurden alle drei mehrfach durchsucht. Obwohl keine verdächtigen Gegenstände gefunden wurden, wurden ihre Pässe erst zurückgegeben, als das gebuchte Linienflugzeug abgeflogen war.
Die Sprecherin der moldawischen Grenzpolizei, Ilona Railyan, versuchte gegenüber dem lokalen Fernsehsender TV8, das Vorgehen der Polizeibeamten zu rechtfertigen, indem sie sagte, die Durchsuchung sei ein "Standardverfahren". Sie behauptete, der Bischof sei mit Verspätung am Flughafen angekommen, sodass nicht genügend Zeit für die Durchsuchung geblieben sei. Zu der Äußerung von Markell, dass seine Gruppe zweimal durchsucht worden sei, wollte sie sich nicht äußern.
Am Freitag berichtete der Erzbischof zudem von weiteren "Zufällen", die ihm auf dem Weg zum Flughafen widerfuhren. Er sagte, er sei auf dem Weg zum Flughafen viermal von der Polizei angehalten worden und habe viermal das Auto wechseln müssen. Später wurde bekannt, dass die festgehaltenen Fahrer, nachdem der Geistliche mit einem anderen Auto weitergefahren war, wieder freigelassen wurden. Das Anhalten erklärten die Polizisten dabei jedes Mal mit einem "Irrtum". Die Polizei blockierte zudem die Straße zum Flughafen. Trotzdem erreichte der Erzbischof den Flughafen mit ausreichend Zeit für die Grenzkontrolle, was ihm jedoch nicht nutzte.
Der Erzbischof ist der Ansicht, dass die Behinderung kein Zufall war, sondern "auf Anweisung der Behörden" erfolgte.
Der Vorfall wurde von internationalen Beobachtern verurteilt. Die Russisch-Orthodoxe Kirche, zu der auch die Moldawisch-Orthodoxe Kirche gehört, bezeichnete die Maßnahme als politisch motiviert und als "vorsätzliche Verhöhnung der Gläubigen". Auch russische Abgeordnete verurteilten die moldauischen Behörden wegen der Inhaftierung des Geistlichen, während die moldauische Opposition den Vorfall als "Terrorakt" verurteilte.
Die Vereinten Nationen haben eine Untersuchung des Vorfalls eingeleitet, erklärte ein Sprecher des Büros des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR), Tamin Al-Kitan, am Freitag gegenüber RIA Nowosti.
Die Chefredakteurin von RT, Margarita Simonjan, kommentierte die Vorgänge in ihrem Telegram-Account wie folgt:
"Die Machthaber Moldawiens schikanieren die orthodoxe Kirche. … Ein bekanntes Muster der Verfolgung der russisch-orthodoxen Kirche. Und die Methodik ist die gleiche. Was kommt als Nächstes? Razzien in Kirchen? Verhaftungen von Priestern? Von einer 'Präsidentin' mit nicht traditioneller Ausrichtung, die wahrhaft 'europäische Werte' verteidigt, kann man alles erwarten."
Die Präsidentin Moldawiens, Maia Sandu, gibt in ihrer offiziellen Biografie an, dem orthodoxen Glauben anzugehören, meint damit aber die Rumänisch-Orthodoxe Kirche. Letztere erhebt theoretisch einen Anspruch auf Moldawien, hat aber auf eine Eskalation des Kirchenstreits bislang weitgehend verzichtet und setzt offiziell auf den Dialog mit der Schwesterkirche in Moskau.
Anders als von vielen erwartet, lehnt die Rumänisch-Orthodoxe Kirche bislang auch die Anerkennung der nationalen Kirchenneugründung durch Präsident Poroschenko in der benachbarten Ukraine ab.
Die Moldawisch-Orthodoxe Kirche ist die größte christliche Konfession in Moldawien. Unterschiedlichen Angaben zufolge gehören ihr 70 bis 80 Prozent der Gläubigen in dem osteuropäischen Land sowie in Transnistrien an. Sie ist eine autonome Kirche, die dem Moskauer Patriarchat untersteht. Seit 1992 ist in Moldawien zusätzlich die Orthodoxe Kirche Bessarabiens aktiv, die dem Bukarester Patriarchat untersteht. Ihr gehören zehn bis 20 Prozent der Gläubigen an.
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