Macrons Warnung: Trumps Rückkehr als "Elektroschock" für Europa

Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus zwingt Europa zum Umdenken. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert mehr Unabhängigkeit von den USA, eine stärkere Verteidigung und ein strategisches Erwachen der EU. Doch wie realistisch sind seine Pläne?

Donald Trumps erste Schritte nach seiner Rückkehr ins Amt des US-Präsidenten sind ein "Elektroschock" für Europa gewesen. Diese Ansicht vertritt der französische Präsident Emmanuel Macron in einem Interview mit der Financial Times (FT), in dem er betont, dass dieser externe Schock der EU helfen könne, sich an die Herausforderungen der Zeit anzupassen. 

"Das ist ein Elektroschock. Wir brauchen asymmetrische Impulse. Impulse von außen." 

Laut Macron sind Trumps Entscheidungen ein Signal für die EU, stärker in ihre eigene Verteidigung sowie in wirtschaftliche und technologische Erneuerung zu investieren. Europas Länder müssten "Muskeln aufbauen" und diesen Themen mehr Aufmerksamkeit widmen. "Für Europa ist dies der Moment, das Tempo zu erhöhen und zu handeln". Die EU "hat keine andere Wahl", warnt Macron.

Ende der strategischen Abhängigkeit von den USA

Macron ist überzeugt, dass die "extreme strategische Unsicherheit" jene europäischen Länder wachrütteln wird, die bisher auf eine Fortsetzung ihrer "strategischen Abhängigkeit" von den USA gesetzt haben:

"Es gab ein Modell, in dem Europa vom chinesischen Absatzmarkt profitierte, durch den amerikanischen Sicherheitsschirm geschützt war und seine Industrie mit billigem russischem Gas am Laufen hielt. Aber von allen drei Punkten können wir uns jetzt verabschieden."

Nach Ansicht des französischen Staatspräsidenten kann Europa seine Position nur durch ein "strategisches Erwachen" stärken. Insbesondere durch mehr Investitionen in die Verteidigung, wirtschaftliche Integration und weniger Regulierung. Das künftige militärische Potenzial Europas müsse es ermöglichen, "ohne die USA zu agieren". Dies werde allerdings fünf bis zehn Jahre dauern, so Macron:

"Wir brauchen eine vollständig integrierte europäische Verteidigung und eine industrielle und technologische Basis. Das geht weit über bloße Diskussionen über Verteidigungsausgaben hinaus. Wenn wir einfach unsere Abhängigkeit von den USA vertiefen, werden wir in 20 Jahren immer noch nicht das Problem des europäischen Souveränitätsdefizits gelöst haben."

Europa müsse sich aus der Abhängigkeit von amerikanischen Waffensystemen, insbesondere den Patriot-Luftabwehrraketen, befreien, fordert Macron. Stattdessen ruft er die europäischen Partner dazu auf, das französisch-italienische Luftabwehrsystem SAMP-T anzuschaffen. "Wir müssen auch eine vollständig integrierte europäische Verteidigungs-, Industrie- und Technologiebasis aufbauen."

Trumps Verhandlungen mit Putin: Chance oder Risiko?

Laut FT zeigte sich Macron optimistischer als andere europäische Staatschefs hinsichtlich der Verhandlungen zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über ein mögliches Ende des Krieges in der Ukraine. Seiner Meinung nach habe der Republikaner ein "Fenster der Möglichkeiten" für eine diplomatische Lösung geschaffen, in der "jeder seine Rolle spielen muss".

Mit Blick auf die Verhandlungen zur Beilegung des Krieges in der Ukraine stellt Macron klar, dass nur der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im Namen Kiews mit Moskau verhandeln könne. Er warnt jedoch, dass ein Frieden, der einer De-facto-Kapitulation der Ukraine gleichkomme, eine "schlechte Nachricht für alle" wäre – auch für die USA.

Die zentrale Frage sei, so Macron, ob die russische Führung tatsächlich an einem stabilen Frieden interessiert sei:

"Die entscheidende Frage ist nun, ob Präsident Putin tatsächlich zu einem Waffenstillstand unter diesen Bedingungen bereit ist. Danach müssen die Ukrainer die Verhandlungen mit Russland führen."

Europa müsse dabei eine entscheidende Rolle übernehmen, indem es Sicherheitsgarantien für die Ukraine entwickle und ein neues Sicherheitssystem für die gesamte Region schaffe. Die USA hingegen müssten den Friedensdialog mit Russland anstoßen.

"Dann müssen die Ukrainer mit Russland verhandeln. Wir müssen alle wachsam bleiben."

Gegenüber Selenskijs Plänen, 150.000 bis 200.000 westliche Friedenssoldaten in der Ukraine zu stationieren, zeigt sich Macron skeptisch: "Wir müssen tun, was vernünftig, realistisch, durchdacht, abgewogen und koordiniert ist", so der französische Präsident.

Forderungen an die NATO – Spannungen mit der EU

Parallel dazu fordert Trump von den europäischen NATO-Partnern, ihre Verteidigungsausgaben auf 5 Prozent des BIP zu erhöhen. Der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth unterstützt diese Forderung indem er betont, dass die Sicherheit Europas "ein Imperativ für die europäischen NATO-Mitglieder" sein müsse.

Laut FT erwarten europäische Beamte, dass Trump die EU dazu drängen wird, die Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine zu übernehmen und Friedenstruppen zur Überwachung eines zukünftigen Friedensabkommens zu entsenden.

Quellen von Politico bestätigten, dass die Beziehungen zwischen der EU und der neuen US-Regierung "so schlecht sind, dass sie praktisch nicht existieren".

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