Von Waleria Werbinina
Als Macron 2017 an die Macht kam, wurde er als Protegé der Reichen abgestempelt. Er tat definitiv viel, um die Mühen ihres unerträglichen Lebens zu lindern ‒ zum Beispiel senkte er die Steuern, und einige davon schaffte er ganz ab. Doch die guten Zeiten sind vorbei, die Auflösung der Nationalversammlung war ein politisches Fiasko für den Präsidenten, und die Ablehnung billiger russischer Energie führte dazu, dass der Haushalt auf Kosten der lokalen Oligarchen aufgestockt werden muss. Die Oligarchen ‒ allen voran Frankreichs reichster Bürger, der Eigentümer des LVMH-Konzerns Bernard Arnault ‒ waren natürlich in Aufruhr. Der Geschäftsmann, dessen Vermögen auf 190 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, wohnte der Amtseinführung Donald Trumps bei und gehörte dort zu den Ehrengästen. In diesem Zusammenhang spottete er:
"Ich bin aus den USA zurückgeflogen und habe den dort herrschenden Optimismus gesehen. Wenn man nach Frankreich zurückkommt, ist das wie eine kalte Dusche [...] In den USA ist geplant, die Steuern um 15 Prozent zu senken [...] In Frankreich ist geplant, die Steuern für Unternehmen, die im Lande produzieren, um 40 Prozent zu erhöhen ‒ das ist unglaublich! Aber um die Verlagerung der Produktion voranzutreiben, ist es einfach perfekt."
Monsieur Arnault bezog sich dabei auf eine zusätzliche Steuer für die größten Unternehmen, die die französischen Abgeordneten in den Haushalt 2025 einbeziehen wollen. Um diese Steuer ist in der Nationalversammlung ein heftiger Streit entbrannt, aber Ökonomen bestehen darauf, dass eine solche Steuer zusätzliche acht Milliarden Euro pro Jahr einbringen könnte. Die Regierung beteuert zwar, dass die Steuer nur für ein Jahr gelten wird, aber Leute wie Bernard Arnault lassen sich nicht für dumm verkaufen. Arnault merkte an:
"Niemand glaubt daran. Wenn die Steuer um 40 Prozent erhöht wird, wer wird sie dann um 40 Prozent senken? Es wurden andere Lösungen [anstelle dieser Steuer] vorgeschlagen, aber die Bürokratie..."
Er hörte an dieser Stelle auf und führte seinen Gedanken nicht weiter aus.
Es scheint, dass sich diejenigen, die die Stützen von Macrons Macht waren ‒ nicht bloß reiche Leute, sondern die Spitzen der Oligarchie ‒, gegen ihn gewandt haben. Von Anfang an wurde er als "Präsident der Reichen" bezeichnet, und François Hollande, sein Vorgänger, nannte ihn öffentlich "Präsident der Superreichen".
Macron machte aber keinen Hehl daraus, dass seine Politik darauf ausgerichtet ist, möglichst günstige Bedingungen für Unternehmen, insbesondere für Großunternehmen, zu schaffen. So senkte er zum Beispiel die Unternehmenssteuer schrittweise von 33,3 Prozent im Jahr 2017 auf 25 Prozent im Jahr 2022. Selbst die Massenproteste der "Gelbwesten" zwangen ihn nicht dazu, die sogenannte Millionärssteuer, die früher von den Reichen gezahlt wurde, wieder einzuführen, und die von ihm eingeführte proportionale Besteuerung (bei der nur ein einziger, gleichbleibender Steuersatz für alle Bürger existiert) erwies sich erneut als Vorteil für die Reichsten.
Unter den Bedingungen wirtschaftlicher Stabilität war es durchaus möglich, den Reichen solche Geschenke zu machen ‒ in der Erwartung, dass sie das frei gewordene Geld in die Wirtschaft investieren würden, was sich wiederum auf deren Wachstum auswirken würde. Aber erst kam die Corona-Krise, dann der Konflikt in der Ukraine und das regelrechte Abgleiten in einen neuen Kalten Krieg mit Russland, das Europa mit billiger Energie versorgte.
Die Politiker versicherten natürlich, dass russisches Gas und Öl ersetzt werden könnten und dass Europa von einer solchen Alternative nur profitieren würde. Doch aus irgendeinem Grund schossen die Energierechnungen in die Höhe, kleine Unternehmen meldeten Konkurs an, die Wirtschaft begann sich zu verlangsamen, und die Auslandsschulden gingen wie Hefe auf. Letztendlich stand ganz Europa vor der unangenehmen Frage, wie die Haushaltslöcher gestopft werden sollen, und vor allem, wer dafür aufkommen soll.
Es wurden die verschiedensten Wege vorgeschlagen, um zusätzliche Mittel zu beschaffen, zumindest auf Kosten einer neuen Steuer für die Rentner. Natürlich nicht für alle, sondern nur für die Wohlhabendsten, die die Frechheit besitzen, eine Rente von 2.000 Euro und mehr zu beziehen. Es gibt etwa sieben Millionen von ihnen in Frankreich, aber wie eines der zukünftigen Opfer der möglichen Steuer anmerkte, "sind 2.000 Euro nichts, wenn man in Paris lebt". Sie zog als Beispiel ihren Sohn heran, der bei einem Gehalt von knapp über 2.000 Euro etwa 1.000 Euro für die Wohnung zahlen muss.
Schließlich entschieden die Abgeordneten, dass die Sache nicht die Mühe wert ist, im Gegensatz zu der zusätzlichen Steuer für große Unternehmen: Hier kann man im großen Stil handeln. Nicht nur das weltberühmte Luxus-Flaggschiff LVMH, zu dem die Marken Louis Vuitton, Hennessy, Dior, Guerlain, Givenchy, Loro Piana, Moët & Chandon und andere gehören, steht im Visier. Die neue Steuer bedroht die bekanntesten Unternehmen Frankreichs, die sogenannten CAC 40, zu der 40 der größten Firmen gehören ‒ von L'Oréal und Danone bis zu Renault, dem Pharmariesen Sanofi und Total. Le Monde schrieb dazu:
"Es ist lange her, dass die Chefs der CAC 40 so viel Besorgnis und unverhohlene Wut geäußert haben."
Weiter schrieb die Zeitung, dass "Macrons unternehmensfreundliche Politik mit der Auflösung der Nationalversammlung und der Regierungsumbildung verschwunden ist". Bernard Arnault war nicht der Einzige, der sich öffentlich gegen die Einführung der neuen Steuer aussprach. Verärgert zählten seine Kollegen alles auf, was sie an ihrer Geschäftstätigkeit hindert ‒ nicht zuletzt die Verwaltungswillkür und die Undurchsichtigkeit der Vorschriften.
Airbus-Chef Guillaume Faury beklagte sich über die zahlreichen Steuern und die Bürokratie und rief dazu auf, "historisch dominante Sektoren wie die Autoindustrie, die Kernkraft und die Luftfahrt" zu bewahren und zu unterstützen. Der Leiter von Michelin, Florent Menegaux, hielt im Senat das Wort und prangerte den "verwaltungsmäßigen Albtraum" an, zu dem sich die EU-Vorschriften und ihre lokalen Auslegungen in den 27 EU-Ländern, in denen das Unternehmen vertreten ist, entwickeln. Im Jahr 2019, so Menegaux, "kostetеn europäische Michelin-Produkte 34 Prozent mehr als asiatische Produkte, und das war noch akzeptabel", aber im Jahr 2024 kosteten sie 91 Prozent mehr, was zu einem Problem werde.
Inzwischen geht es nicht bloß um reiche Leute, die Unternehmen mit Milliardenumsätzen leiten. Sie alle haben auf die eine oder andere Weise Zugang zur ersten Person im Staate, und Bernard Arnault gehört zu seinem inneren Kreis. Als Lucie Castets nach dem Sieg der Nouveau Front populaire bei den Wahlen zur Nationalversammlung als Premierministerin vorgeschlagen wurde, lehnte Macron sie sofort ab, weil sein Freund Arnault kategorisch gegen die Linke in der Regierung ist.
Doch Tatsachen lassen sich nicht leugnen: Es stellte sich heraus, dass es nicht um links oder rechts ging, sondern darum, dass es außer den Oligarchen niemanden gibt, der zahlen kann. Und Bernard Arnault als erfahrener Finanzier weiß sehr wohl, dass es sich nicht um eine vorübergehende, sondern um eine dauerhafte Maßnahme handelt.
So machte er ganz offenkundig klar, dass man mit der Verlagerung französischer Unternehmen ins Ausland rechnen müsste, und deutete auch in beleidigender Weise an, dass Macron sich als ein schlechter Staatschef erwiesen habe. Trump kam ebenfalls zu einer für das Land schwierigen Zeit an die Macht, was ihn aber nicht daran hinderte, sofort mit Steuersenkungen zu beginnen. Er ist also gut ‒ Macron nicht.
Die Spannung zwischen dem Präsidenten und den Eigentümern der größten Unternehmen ist nicht nur im Hinblick darauf von Interesse, wie sich die französischen Unternehmen verändern werden und in welchem Land Dior-Kosmetik und -Taschen produziert werden. Personen wie Arnault können mit ihrem Einfluss und ihren Verbindungen sehr wohl genug Optionen haben, um sogar das Leben des französischen Präsidenten zu beeinträchtigen.
Solange Macron nur von seinen politischen Gegnern mit einem Amtsenthebungsverfahren bedroht wird , ist das nicht so schlimm, aber wenn sich das Großkapital ihnen anschließt, könnten die Folgen höchst unerwartet sein. Zumal der vielgeprüfte Haushalt für das laufende Jahr noch nicht genehmigt ist, der Regierung von François Bayrou ein Misstrauensvotum droht und jede neue politische Krise die Position von Macron, der bereits zum Symbol der französischen Misserfolge geworden ist, verschlechtern wird.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 3. Februar 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.
Waleria Werbinina ist eine Analystin bei der Zeitung Wsgljad.
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